Bewegung in Luzerner Medienlandschaft

«Blick am Abend» schliesst Luzerner Redaktion

Der «Blick am Abend» schliesst seine Luzerner Redaktion. Ein Mitarbeiter wurde entlassen.

Der Sparkurs beim Schweizer Boulevardblatt «Blick» trifft auch die Innerschweiz: Unter anderem die Lokalredaktion in Luzern wird per sofort geschlossen, der einzige Mitarbeiter wurde entlassen. Künftig sollen von Zürich aus Berichte über Luzern und Zug verfasst werden. Keine gute Entwicklung, findet ein Medienexperte.

Aus die Maus. Nach fünf Jahren endet das Experiment einer lokalen «Blick am Abend»-Redaktion in Luzern. Und zwar Knall auf Fall. Dem im 80-Prozentpensum angestellten Mitarbeiter Stefan Dähler wurde per sofort gekündigt. Dähler wollte sich auf Anfrage von zentral+ nicht dazu äussern. Von der Kündigung betroffen sind auch Dählers Kollegen auf den Lokalredaktionen in Basel, Bern und St. Gallen. Insgesamt sind es drei Leute, die ihre Stelle von heute auf morgen verlieren.

Blick spricht von Reorganisation …

Blick Sprecher Edi Estermann bestätigt diesen Freitag gegenüber zentral+: «Ja, es ist richtig, dass gestern je eine Stelle der Lokalredaktionen von Luzern, St. Gallen und Basel gekündigt wurden.» Eine bereits freie Stelle in Bern sei nicht mehr neu besetzt worden. «Die drei Kündigungen erfolgten im Rahmen der am Mittwochnachmittag kommunizierten Reorganisation des Newsrooms der Blick-Gruppe in Zürich.» (Siehe Box) Wie in solchen Fällen bei Ringier üblich, wurden die Betroffenen im Rahmen des Ringier-Sozialplanes per sofort freigestellt. Heisst: Sie kriegen für eine paar Monate weiterhin ihren Lohn.

«Damit verliert der ‹Blick am Abend› sein regionales Profil.»

Nick Lüthi, Medienbeobachter

«Die Regionalseiten von Zürich, Bern, Basel, Luzern und St. Gallen bleiben bestehen und werden neu vom Newsroom in Zürich aus produziert werden», sagt Estermann. Seit Oktober 2010 hat die Luzerner Redaktion von «Blick am Abend» auf ein bis zwei Seiten über die Ereignisse in Luzern, Zug und der restlichen Zentralschweiz informiert. Das bunte Gratisblatt liegt jeweils am Nachmittag ab ca. 15 Uhr in diversen Zeitungsboxen auf. Angesprochen werden vor allem jüngere Leser, entsprechend leicht und seicht ist auch der Inhalt.

Kleine von Luzern aus recherchierte Texte sorgten im «Blick am Abend» für das regionale Flair. Es wird diese auch noch in Zukunft geben, allerdings werden sie von Zürich aus erstellt.

Kleine von Luzern aus recherchierte Texte sorgten im «Blick am Abend» für das regionale Flair. Es wird diese auch noch in Zukunft geben, allerdings werden sie von Zürich aus erstellt.

… Experte von Sparmassnahme …

Der langjährige Beobachter der Medienszene und Dozent am MAZ, der Schweizerischen Jornalistenschule, Nick Lüthi ist von dieser Entwicklung nicht überrascht. «Man weiss, dass die Blick-Gruppe momentan keine guten Zahlen schreibt und dies ist ganz klar eine Sparmassnahme.» Gut sei dieser Schritt keinesfalls. «Damit verliert der ‹Blick am Abend› sein regionales Profil. Aus dem Newsroom kommt niemals die gleiche publizistische Leistung, wie von Leuten vor Ort.»

Leserzahlen im Sinkflug

669'000 Menschen lesen laut der MACH Basic Studie von 2015 den «Blick am Abend» pro Tag. 2014 lag die Leserzahl noch bei 736'000. Innerhalb eines Jahres hat der «Blick am Abend» somit über 15 Prozent Leser eingebüsst.

Auch die Auflagenzahlen befinden sich im Sinkflug. Schweizweit liegt die Auflage bei 284'771, davon werden 28'541 Luzerner Exemplare gedruckt. Sprich, die Versionen mit einem Luzerner Regionalteil. Untenstehende Grafik verdeutlicht, wie auch die Auflage des Luzerner «Blick am Abend» zurückgeht.

Die Auflagenzahlen des «Blick am Abend» befinden sich stark im Sinkflug.
Die Auflagenzahlen des «Blick am Abend» befinden sich stark im Sinkflug.

Lüthi meint, die Medienlandschaft der Schweiz werde noch grosse Veränderungen erleben. Er prognostiziert: «2016 wird es für einige Player knüppelhart.» Vor allem im Online-Bereich sei es extrem schwierig, Profit zu erzielen, wie auch die gerade angekündigten Sparbemühungen des Onlineportals «watson» (siehe Box) zeigen würden. Die technischen Entwicklungen, etwa von Ad-Blockern, erschwere das Schalten von Werbung massiv.

… und die Journalistin von Verlust

Eingemietet war die Luzerner «Blick am Abend»-Redaktion am Hirschengraben 52 in Luzern, bei der Journalistin und Texterin Christine Weber. Weber hat selber auch regelmässig als freie Mitarbeiterin für den «Blick am Abend» geschrieben. Für sie fällt nun dieses Einkommen plus der Mietanteil weg. Auf Anfrage von zentral+ sagt sie: «Dieser Schritt ist für mich aus finanzieller Sicht zwar verkraftbar, aber trotzdem ein Verlust.» Weber befürchtet nun: «Mit der Neuorganisation wird die Qualität der Beiträge im ‹Blick am Abend› sinken. Denn wenn nur noch von Zürich aus über Luzern und Zug geschrieben wird, wird man die fehlende Nähe zum lokalen Geschehen ganz klar spüren.»

Bei der Blick-Gruppe teilt man die Sorge um den Qualitätsverlust nicht. «Wir werden alles tun, damit die Blick am Abend-Leser auch künftig aktuelle, attraktive Lokalseiten erhalten werden», verspricht Estermann.

Medienlandschaft ist ständig in Bewegung

Schmuckes Detail: Die Luzerner «Blick am Abend»-Redaktion war zu Beginn ein Auffangbecken für gleich drei abtrünnige NLZ-Mitarbeiter. Martin Messmer (heute Leiter der Luzerner 20-Minuten-Redaktion) hat zu Beginn das Zepter übernommen, dann folgten Pascal Imbach und Michael Graber mit kurzen Gastspielen (beide gingen danach wieder zurück zur NLZ). Danach hat Stefan Dähler den Job ausgeführt. Er muss sich nun eine neue Stelle suchen.

Die Streichung der Luzerner «Blick am Abend»-Redaktion reiht sich ein in eine Serie von Neuigkeiten aus der Luzerner Medienlandschaft. Erst vor kurzem wurde die in Emmen produzierte Wochenzeitung «Die Heimat» aus finanziellen Gründen eingestellt (zentral+ berichtete). Und Radio Pilatus zügelte an die Maihofstrasse in den Schoss des Mutterhauses (zentral+ berichtete). Dass dies aus finanziellen Überlegungen geschah, dementierten die Zuständigen jedoch.

Reorganisation der Blick-Gruppe

«Das sind aufregende, aufwühlende Zeiten – sowohl was die Nachrichtenlage angeht, als auch, was unsere eigene Branche angeht.» Mit diesen Worten leitet «Blick»-Geschäftsführer Wolfgang Büchner gemäss «Tagesanzeiger» von diesem Freitag eine Mail ein, die er kürzlich der Belegschaft schickte. Inhalt des Mails: Das sogenannte Blick-Desk wird künftig von Peter Röthlisberger und Iris Mayer geleitet. Röthlisberger war bisher Chefredaktor von «Blick am Abend», Mayer amtete als Nachrichtenchefin bei der deutschen Nachrichtenagentur DPA. Gemeinsam verantwortet das Duo neu den «Blick», den «Blick am Abend» sowie die Angebote Blick.ch und Blickamabend.ch. Einen eigentlichen Chefredaktor hat der «Blick» ab 2016 also nicht mehr.

René Lüchinger, der vor zwei Jahren die «Blick»-Chefredaktion von Andrea Bleicher übernommen hat, wird laut «Tagesanzeiger» weiterhin für Ringier tätig sein, allerdings neu als Chefpublizist der «Blick»-Gruppe – eine neu geschaffene Stelle. In dieser Funktion wird er Mitglied der Chefedaktion der «Blick»-Gruppe (Gremium aller Chefredaktoren) sowie der Chefredaktion des «SonntagsBlick».
Gemäss Tagi war beim «Blick» früher mal von 20 Entlassungen die Rede, aktuell seien es noch fünf. «Blick» hat diese Zahl jedoch nicht bestätigt. Der Sparkurs hat gute Gründe. Zum einen lässt sich mit Blick am Abend und Blick.ch offenbar kein Geld verdienen – ein Bezahlmodell für Blick.ch wurde verworfen –, zum anderen zeigen auch die Zahlen des Print-Blicks nur in eine Richtung: nach unten. So hat sich gemäss «Tagesanzeiger» die am Kiosk verkaufte Auflage von dereinst über 40’000 Exemplaren mittlerweile halbiert.

Auch beim Onlineportal «watson» muss der Sparhebel angesetzt werden. Wie Chefredaktor Hansi Voigt gegenüber persönlich.ch sagt, müssen die Ausgaben um acht Prozent gesenkt werden. Es werden fünf Stellen abgebaut.

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6 Kommentare
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    Dörflinger André, 17.07.2021, 11:00 Uhr

    Alle haben jeden Werktag (6) nur ihr finanzielles Ueberleben im Sinn, nein, sogar am 7. Tag wird noch insgeheim gewerkelt; Beweis, wie die wenigen am Sonntag offenen Poststellen, auch in Luzern von Kundschaft mit Paketen überrannt werden. Da interessiert die Leute doch nicht, wie es andernorts, auch in andern Sprachlandesteilen zu und hergeht. Und für Hinterfragung im kulturellen/geistigen Bereich fehlt schlicht das Interesse. So lebt einjeder in seiner örtlichen wie geistigen Ecke. Die Schweiz an der Nahtstelle dreier Kulturen ohne gemeinsamen Nenner, gemeinsame Sprache und Staatsoberhaupt: ein wilder Haufen: eine linksliberale, verwelschte Volk-LORE Republik geworden, kein Vergleich mehr zu 1970 (ganz zu schweigen von 1960, 1950). (17.7.21)

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  • Profilfoto von André Dörflinger
    André Dörflinger, 30.03.2020, 03:21 Uhr

    Die Presse erreicht die »normale»Leserschaft nicht (mehr) 30.03.20 – 03:17 h
    ICH will doch nicht wissen, wer wieder schwanger ist, eine Fehlgeburt hatte und demnächst ehescheiden will. Sooo ein Waschweiber Quatsch-Tratsch -> nicht zum Aushalten.
    Mehrmals habe ich diese auf Anliegen aufmerksam gemacht….und? Kein Schwein hat Kontakt mit mir aufgenommen, so hab ich halt auch alle Tageszeitungen abbestellt. Alles klar?
    adoerflinger Kritiker/Gnostiker/Philatelist

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  • Profilfoto von Daniel Huber
    Daniel Huber, 30.10.2015, 17:42 Uhr

    Was hat denn das mit Seriosität zu tun? Die Skala ist ja deutlich ersichtlich. Bei 0 wäre vielleicht wissenschaftlich korrekt, aber alles andere als lesefreundlich.

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    Gute Nacht, 30.10.2015, 17:05 Uhr

    Seriös und in diesem Fall eher langweilig: bei 0 beginnen. Sehr unseriös, dafür eine Schlagzeile wert: bei 28’541 beginnen («Luzerner Ausgabe am Ende»).

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    Leo, 30.10.2015, 15:45 Uhr

    Also, mit dem Blick am Abend verlieren wir meines Erachtens nicht mal dann etwas, wenn er ganz eingeht. Ausser natürlich die entlassenen MitarbeiterInnen. Ich hoffe sehr, dass diese etwas viel Besseres finden. Vorerst mal der in Luzern. Ich drücke fest die Daumen.

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    • Profilfoto von André Dörflinger
      André Dörflinger, 30.03.2020, 03:29 Uhr

      Nein, bleiben wir bei der Sache! Das Schicksal der gekündigten Presseleute ist hier und mir nebensächlich! Es geht darum, dass keine Konkurrenz mehr zum Gratisblatt 20 Min. besteht! Nur darum geht es mir zielgerichtet brutal gesagt!
      »Bli a/A» war vorbildlich mit seiner Ausgabe am Frühabend > Man (=ich Morgen-muffel) erhielt stets noch ein Exemplar um 18 h, hingegen beim Konkurrenzblatt war bereits um 10 h morgens Schluss = kein Exemplar mehr vorhanden, dafür tonnenweise in den Pendlerzügen als Unrat. Fazit: Sehr schade um das Verschwinden des Ringier-Gratisblattes , als Kontrast zu Tamedia. 30.03.20

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