62 Luzerner und neun Zuger Firmen haben seit Januar Kurzarbeit angemeldet. Vorsorglich, denn sie befürchten wegen der Frankenstärke weniger Aufträge. Die Gewerkschaften finden die Zahlen nicht alarmierend, machen sich aber aus anderen Gründen Sorgen.
Im Januar fragte zentral+ bei den Kantonen und Wirtschaftsverbänden nach, was der starke Franken für Unternehmen in der Zentralschweiz bedeutet (siehe Bericht). Damals begrüsste die Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz (IHZ) die «unbürokratische» Ermöglichung von Kurzarbeit. Namen von Firmen, die von diesem Angebot Gebrauch machen wollten, konnte die IHZ damals keine nennen.
60 Gesuche im Kanton Luzern genehmigt
Seither hat sich die Beschäftigungslage eingetrübt. «Seit der Aufgabe des Euro-Mindestkurses sind 62 Gesuche um Kurzarbeitsentschädigung eingegangen», sagt Silvan Wechsler von der Dienststelle Wirtschaft und Arbeit (wira) des Kantons Luzern. 60 davon hätten bewilligt werden können. Die Hälfte der Gesuche sei mit dem Devisenkurs begründet worden, fügt der juristische Leiter des wira hinzu.
«Die Firmen machen wirtschaftlich bedingte, vorübergehende Arbeitsausfälle geltend», sagt Wechsler. Ob diese Unternehmen nun aber effektiv Kurzarbeit für alle oder einen Teil ihrer Angestellten eingeführt haben, könne noch nicht gesagt werden. «Die Firmen müssen einen allfälligen Entschädigungsanspruch erst innert drei Monaten nach Ende der Abrechungsperiode geltend machen.» Wer im Januar oder Februar Kurzarbeit angemeldet hat, muss dies also spätestens Ende Mai über die Arbeitslosenkasse abrechnen.
Metall, Holz und Tourismus
Gemäss Wechsler haben vor allem kleine und mittlere Unternehmen, die im Export tätig sind, Kurzarbeit angemeldet. Die Gesuche kommen aus verschiedenen Branchen: «Hauptsächlich sind es aber KMU in der Metallverarbeitung, in der Holzverarbeitung und im Tourismus», sagt Silvan Wechsler. Die betroffenen Mitarbeiter müssen mit ihrer Unterschrift ihre Einwilligung geben, ansonsten wird das Gesuch nicht bewilligt.
27 Zuger Firmen stellten Gesuch
Im Kanton Zug haben gemäss Carla Dittli vom Zuger Amt für Wirtschaft und Arbeit im Januar vier, im Februar neun und im März vierzehn Firmen ein Gesuch um Kurzarbeit eingereicht. Total also 27 Zuger Firmen. Von diesen Gesuchen sind laut der stellvertretenden Amtsleiterin 23 bewilligt worden. Betroffene Branchen sind laut Dittli die Metallverarbeitung und die Automatisation. Mehr ins Detail will Carla Dittli nicht gehen, da im kleinräumigen Zug ansonsten jeder wisse, welche Firmen gemeint seien. Der Kanton ist ans Amtsgeheimnis gebunden.
Sowohl in Luzern wie in Zug finden die Vertreter des Kantons die Zahlen nicht alarmierend. «In der Finanzkrise hatten wir doppelt so viele Gesuche; also über 100», gibt Silvan Wechsler vom wira Luzern zu bedenken. Auch Carla Dittli findet die Zahl nicht sehr gross. Nicht alle Firmen, die ein Gesuch eingereicht hätten, würden tatsächlich ihren Anspruch geltend machen, erklärt Dittli. «Wenn die Auftragslage sich verbessert, verzichten manche Firmen darauf», sagt sie.
Gewerkschaften gelassen
Der Luzerner Gewerkschafter Giorgio Pardini spricht im Hauptartikel davon, dass gewisse Firmen die momentane Frankenstärken nutzen, um ihre Angestellten gratis mehr arbeiten zu lassen. Also genau das Gegenteil von Kurzarbeit. Der zur Metall Zug Gruppe gehörende Haushaltsgerätehersteller V-Zug hat genau das gemacht. Alle 1400 Angestellten müssen seit 1. März 44 statt 40 Stunden arbeiten. Die Geschäftsleitung verzichtet dafür – medienwirksam – seit dem 1. März freiwillig auf zehn Prozent ihres Fixlohns. Eine Auszahlung des Lohnanteils könne später erfolgen, wenn V-Zug die vorgegebenen Ziele zur Verbesserung von Profitabilität und Wettbewerbsfähigkeit erreicht, teilte die Firma mit. Die höhere Arbeitszeit gilt vorläufig bis Mai 2016. Auch Siemens lässt seine Angestellten bis Oktober 2015 befristet 45 statt 40 Stunden arbeiten (zentral+ berichtete).
Im Gegenteil: Arbeitszeiten verlängert
Giorgio Pardini, Präsident des Luzerner Gewerkschaftsbunds und SP-Kantonsrat, hat ebenfalls keine Kenntnis von betroffenen Firmen. Offenbar gehen die betroffenen Unternehmen diskret vor und kommunizieren ihre Gesuche nicht öffentlich, und auch die betroffenen Mitarbeiter halten dicht.
Sorgen macht Pardini eine andere Entwicklung, die genau in die gegenteilige Richtung zielt. «Viele Firmen nutzen die Gelegenheit, um die Arbeitszeiten auf dem Buckel der Arbeitnehmer zu erhöhen.» Dies verlange aber eine Vereinbarung mit den Gewerkschaften und Transparenz von Seiten der Unternehmen. «Diese müssen ihre Bücher offenlegen.» Viele Arbeitnehmer willigten aus Angst vor der Kündigung ein. «Mancher denkt sich, dann arbeite ich halt ein bis zwei Stunden gratis. Aber das ist noch keine Garantie auf den Erhalt des Arbeitsplatzes», sagt Pardini. Es erhöhe einfach die Produktivität des Unternehmens und erlaube allenfalls Rückstellungen.
Das Amt für Wirtschaft des Kantons Zug relativiert. «Die Arbeitszeiterhöhung bei Swissmem-Firmen sind im GAV temporär vorgesehen, sofern dies betriebsintern so abgesprochen ist», erklärt Amtsleiter Bernhard Neidhart gegenüber zentral+. Andere Massnahmen gegen die Frankenstärke seien unter anderem die Wahl von Zulieferern aus dem Euroraum, Teilauslagerungen – bis hin zu Entlassungen oder neue Preisverhandlungen mit Abnehmern.
«Lächerliche PR-Aktionen»
Als «lächerlich» bezeichnet der Luzerner Gewerkschaftspräsident Giorgio Pardini die Verlautbarungen von Geschäftsleitungsmitgliedern von V-Zug oder Siemens, auf den Bonus oder einen Teil des Lohns zu verzichten (siehe Infobox). «Stattdessen würde uns vielmehr interessieren, ob bei der Ausschüttung von Dividenden an die Aktionäre ebenfalls eine Kürzung geschieht.»
Was ist Kurzarbeit?
Um Arbeitsplätze zu erhalten, können Firmen die Arbeitszeit der Mitarbeitenden vorübergehend reduzieren oder ganz einstellen. Geht es um mehr als 10 Prozent Arbeitsausfall, spricht man von Kurzarbeit. Der Arbeitgeber, die Arbeitgeberin muss die geplante Kurzarbeit mindestens zehn Tage vor Beginn beim Kanton schriftlich voranmelden. Der Kanton prüft, ob diese rechtmässig ist und ob sie tatsächlich dem Erhalt der Arbeitsplätze dient. Der Arbeitgeber muss bei den Mitarbeitenden die schriftliche Zustimmung für die Kurzarbeit einholen. Diese haben das Recht, die Kurzarbeitsentschädigung abzulehnen, das Unternehmen muss dann weiterhin den vollen Lohn auszahlen. Die Kurzarbeitsentschädigung beträgt 80 Prozent des wegfallenden Lohns. Sie wird erst von der Arbeitslosenkasse entschädigt, wenn die in den letzten sechs Monaten geleisteten Überstunden zeitlich abgebaut sind (egal, ob diese ausbezahlt worden sind). Lernende und Temporärarbeitende sind von der Kurzarbeit nicht betroffen.
Kennen Sie Personen, die von Kurzarbeit betroffen sind? Ist es richtig, dass die Arbeitslosenkasse temporär einspringt, damit Firmen niemanden entlassen müssen? Oder sollten die Angestellten gefälligst länger arbeiten und Solidarität zeigen, wenn der Arbeitgeber wegen der Frankenstärke Aufträge verliert? Benutzen Sie die Kommentarfunktion.
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