Grösste Dichte der Schweiz

Luzern – ein Eldorado für Coiffure?

Die Stadt Luzern verzeichnet eine auffallend hohe Coiffeur-Dichte (Bild: Google Maps)

Nur gerade in Bern lässt sich eine ähnliche Dichte an Friseursalons finden wie in der Stadt Luzern. Und selbst wenn die Luzerner besonders frisurbewusst sein sollten: Die Zahl der Salons hat laut dem Branchenverband Coiffeur Suisse ein kritisches Mass längst überschritten. Es ist davon auszugehen, dass die Folgen des Überangebots bald zu spüren sein werden und es zu Betriebsschliessungen kommen wird.

Schon wieder ein Coiffeur? Beim Löwencenter, wo vor ein paar Wochen noch die Kunden von Starbucks ein und aus gingen, feierte eben der neue Salon «Head Case» Eröffnung. Es ist inzwischen der dritte Friseur an Ort und Stelle. Nur ein paar Schritte gegenüber, am anderen Ende des Fussgängerstreifens. Und von hier aus sind die schwarzen Stühle des dritten Coiffeurs auf engstem Raum sichtbar; «Schadegg». Damit lassen sich von der Zürichstrasse bis ans Seeufer insgesamt neun Geschäft zählen. In der ganzen Stadt sind es rund 75.

Diese Dichte an Coiffeur-Salons kommentiert Jürg Steiner, Präsident der Zentralschweizer Sektion des Verbandes Coiffeur Suisse, kritisch und warnt: «Generell verträgt es nur einen Coiffeur auf 1’400 Einwohner.» Alles andere sei auf die Dauer für die Geschäfte kaum mehr tragbar. «Wird diese Grenze unterschritten, bedeutet das, dass sich die Betriebe einander zu sehr konkurrenzieren.»

Und Thomas Fuchs, Geschäftsleiter von Fuchs Hairteam wird noch konkreter: «Für die Branche ist das ungesund. In den nächsten Jahren werden bestimmt viele von diesen Geschäften wieder schliessen müssen.»

Luzern und Bern sind Spitzenreiter

Coiffeure seien durch die tiefen Löhne oft noch mehr als andere Berufsgruppen motiviert, sich selbständig zu machen, erklärt Jürg Steiner vom Berufsverband. Es könne jeder ein Geschäft eröffnen, der Haare schneiden kann. «Es möchten viele Coiffeure mehr verdienen und ihr Glück in der Selbständigkeit finden.»

Allerdings: Auf einen Coiffeur kommen in der Stadt Luzern gerade mal 1040 Einwohner. Das ist deutlich unterhalb der kritischen Marke von 1400. Im Quervergleich halten andere Deutschschweizer Städte wie zum Beispiel Zürich, Basel und St. Gallen jeweils einen Wert von knapp über 1400(*). Interessant dabei ist, dass nur Bern ein ähnlich dichtes Coiffeur-Vorkommen verzeichnet wie Luzern. «Weil die Mieten in Bern und Luzern für einen Coiffeur-Betrieb an guter Lage noch bezahlbar sind», erklärt Thomas von Arx, Geschäftsführer der Website coiffeurvergleich.ch.

Klares Konzept ist wichtig

Zurück zur Coiffeur-Ballung an der Zürichstrasse: Wie schätzt der neue «Head Case» beim Löwencenter seine Geschäftsrisiken ein? Roger Rogenmoser, Inhaber und Geschäftsführer, gibt sich zuversichtlich: «Wir müssen die Stammkundschaft zuerst aufbauen. Die Voraussetzungen dazu sind aber gegeben. Zudem ist die Parksituation hier sehr günstig und die Frequenz hoch.»

Finanziell verfüge er über eine solide Ausgangslage, meint der 35-jährige Coiffeur und Stylist aus Hochdorf. Nach Filialen in Baar und Zürich ist es der dritte «Head-Case». «Die Geschäfte der beiden anderen laufen gut», sagt er. Deshalb könne er sich auch die hoch frequentierte Lage leisten und von Anfang an zehn Mitarbeitende leisten.

«Angst haben müssen diejenigen, die kein Konzept haben». Rogenmosers Haarpflege-,  Beauty- und Styling-Angebot sei vergleichbar mit der Idee des etablierten Fuchs Hairteam und verfolge einen hohen Anspruch. Einen Haarschnitt gibt es hier ab 55 Franken.

Gegenüber, beim Coiffeur «Pileggi», gleicht sich das Angebot mit Shop, Hair und Beauty-Styling. Die Räume sind etwas kleiner dimensioniert. Die stellvertretende Geschäftsführerin Sabrina Duss hat allerdings keine Bedenken, dass der neue Konkurrent am anderen Ende des Fussgängerstreifens ihnen die Kunden streitig machen könnte. «Unser Kundenstamm ist uns treu. Und der ist sehr wichtig für das Geschäft», sagt Duss. So scheint an dieser Ecke der Stadt alles in Ordnung.

Billig-Strategie in der Neustadt

Ein anderes Bild zeigt sich in der Luzerner Neustadt. Hier dominiert die Billig-Strategie. Allein in der Waldstätterstrasse könnte man sich gleich drei Mal für 20 Franken die Haare schneiden lassen. Der Kurde Beyaz Ayhan hat mit «Hair King» vor sechs Monaten angefangen. «Die ersten drei Monate sind nicht so gut gelaufen», sagt er.

Seine Stühle sind leer. Er gesteht, die Preise «wahrscheinlich nächstes Jahr» nach oben anpassen zu müssen. Sie seien zu zweit. Der Praktikant, der gerade den Boden wischt, zähle nicht dazu. Der sei noch in der Probezeit. Er spreche nur kurdisch.

Preis bestimmt den Mindestlohn

In der Neustadt, zwischen Obergrund- und Zentralstrasse geht alles über den Preis. Jürg Steiner: «Diese Geschäfte verlangen Preise von den Kunden, die nie kostendeckend sind. Sie wälzen das wiederum auf die Mitarbeiter ab, indem sie sehr niedrige Löhne bezahlen.» Dass die Mitarbeiter hier wenig verdienen, ist offensichtlich.

Für die meisten Ausländer gilt der am 1. Oktober in Kraft getretene Mindestlohn von 3’600 Franken monatlich nicht. Er gilt nur für deutschsprachige Coiffeure, also für Schweizer, Deutsche oder österreichische Staatsangehörige. «Alle anderen Nationalitäten müssen die Bestimmungen des Gesamtarbeitsvertrages nicht einhalten», sagt Steiner.

Chancen stehen 50:50

Die Zahlen des Verbandes Coiffeur-Suisse lassen die Zukunft für diese Art von Geschäft nicht sehr rosig erscheinen: Fakt ist, dass nach drei Jahren 46 Prozent der neu eröffneten Coiffeur-Geschäfte nicht mehr auf dem Markt sind, also Konkurs anmelden müssen. Die betroffenen Geschäfte kämen schon von Anfang an nicht auf ausreichende Einnahmen, um zu überleben, so Steiner.

Einen anderen Weg in Sachen Löhne beschreiten der neue Luzerner Trend-Salon «Head Case» sowie das Fuchs Hairteam. Sie garantieren ihren Mitarbeitenden nach Ende der Ausbildung 4’000 Franken pro Monat. «Wir sind überzeugt dass sich dieses unternehmerische Denken und Handeln auch in unserer Branche auszahlt.»

Dies scheint zu funktionieren: Das Fuchs Hairteam bildet mehr und mehr Lehrlinge aus und beschäftigt mittlerweile in seinen fünf Salons 70 Mitarbeiter.

(*) Quelle: coiffeurvergleich.ch speist seine Daten aus den lokalen Handelsregistern, von Direkteinträgen sowie aus den Branchenzahlen von Coiffeur-Suisse.

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