Generation Y

Junge Menschen, die alles hinterfragen

Forderung nach Work-Life-Balance: Die 20-30-Jährigen wollen weniger Arbeit und mehr Zeit für sich selbst. (Bild: Emanuel Ammon / AURA)

Sie sind gut ausgebildet und selbstbewusst, sie sind arbeitswillig, aber sprunghaft und wenig stressresistent. Generation Y ist der Überbegriff für die jungen Erwachsenen, die zurzeit den Arbeitsmarkt erobern. Wie erleben die Zentralschweizer Arbeitgeber die neue Generation?

Generationen werden in der Soziologie oft nach ihren spezifischen Merkmalen beschrieben. So gibt es beispielsweise die Bezeichnung «Baby-Boomers» für die geburtenstarken Jahrgänge nach dem zweiten Weltkrieg. Oder die «Generation X», für Menschen, die zwischen 1960 und 1980 zur Welt kamen. Vor einigen Jahren hat eine neue Generation die Bühne betreten, die «Generation Y», auch «Millennials» («Jahrtausender») genannt. Es betrifft die Jahrgänge 1980 bis 2000.

Die Generation Y, also die heute 20- bis 30-Jährigen, sind gemäss soziologischer Definition verhältnismässig gut ausgebildet, optimistisch und selbstbewusst. Kennzeichnend für die Generation Y ist, dass sie die erste ist, die mit der digitalen Technologie aufgewachsen ist. Daher auch die Bezeichnung «Digital Natives» (Digitale Eingeborene). Ihre Stärke ist, dass sie sich mit Computer- und Kommunikationstechnologien bestens auskennen und das macht sie umso begehrter auf dem Arbeitsmarkt. Diese Affinität macht sie aber auch schwerer erreichbar für die traditionellen Stellenausschreibungen, was dazu geführt hat, dass Internet und virtuelle soziale Plattformen im Rekrutierungsprozess immer wichtiger werden. Bewerbungen laufen heute praktisch nur noch über Online-Portale oder per E-Mail.

Nicht bereit, alles auf eine Karte zu setzen

Des weiteren charakterisiert der Buchstabe Y, der im Englischen wie das Wort «Why» (Warum?) ausgesprochen wird, die jungen Leute treffend: Sie hinterfragen alles und jeden – vor allem auf das Berufsleben bezogen. Ist der erfüllendste Job wirklich jener, der mit Spitzenlohn dotiert ist? Lohnt sich die grosse Verantwortung, die zeitausfüllend und kräftezehrend ist?

Dominique B. gehört zur Y-Generation. Die quirlige 26-jährige Luzernerin hat einen Fachhochschulabschluss und arbeitet mit einem 80-Prozent-Pensum im Marketing-Bereich. Nebenbei ist sie halbprofessionelle Musikerin, joggt fürs Leben gern und organisiert Ausflüge im Freundeskreis. Für sie käme es gar nicht in Frage 100 Prozent zu arbeiten: «Ich will Zeit für mich und meine Hobbys und auch für eine allfällige Weiterbildung haben.» Am Arbeitsplatz will sie keine grossen Kompromisse machen müssen. Werden die Hindernisse zu hoch, sucht sie sich eine neue Stelle: «Immer wieder hört man von Burn-outs. In dieses Muster will ich nicht hineinfallen.»

Eine Ursache für diese Übervorsicht sind die Ereignisse und die Entwicklung der letzten zwölf Jahre: Der 11. September 2001, der Klimawandel, die grosse Finanz- und Wirtschaftskrise. Diese radikalen Veränderungen sorgten dafür, dass die jungen Menschen heute anpassungsfähiger sein wollen. Ypsiloner sind sich eher bewusst, wie schnell man alles verlieren kann und sind weniger bereit, sich für einen Job aufzuopfern. Lieber konzentrieren sie sich auf die eigene Ausbildung, die Karriere und die kontinuierliche Weiterbildung. Diese ist ihr Kapital und gibt ihnen die nötige Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt.

Forderungen bereits am Vorstellungsgespräch

Diese relativ elitäre Haltung der neuen Generation schlägt sich ebenfalls bei der Personalsuche der Firmen nieder. Zwar liegt im Rekrutierungsprozess der Schwerpunkt immer noch auf dem Vorstellungsgespräch. Aber dieses gestaltet sich im Vergleich zu älteren Generationen komplett anders: Die jungen Leute, die um ihr gutes Fundament im Lebenslauf wissen, scheuen sich nicht, von Anfang an zu betonen, dass ihnen Freizeit und Ausgleich zur Arbeit wichtig sind. «Bei den älteren Generationen war es anders», sagt Personalvermittlerin Corinne Häggi, Zuger Filialleiterin von Jörg Lienert AG. «Sie leisteten zuerst, bevor sie sich trauten, Bedingungen und Forderungen zu stellen. Heute werden diese Anliegen von Anfang an offen auf den Tisch gelegt.» Unsere Ypsilonerin Dominique B. will das nicht so direkt bestätigen. Aber für den Betrieb viele Überstunden zu schieben, kommt für sie nicht in Frage: «Ich gehe mit der Grundhaltung in ein Gespräch, dass ich keine 50-Stunden-Woche leisten möchte.»

Das Thema Work-Life-Balance, der Ausgleich von Privat- und Berufsleben, steht bei Vostellungsgesprächen mit jungen Leuten im Vordergrund. «Dieses wird proaktiver angesprochen als früher», sagt Carole Sunier, Mediensprecherin der CSS Versicherung. Jungen Menschen ist die Echtheit und die Authentizität wichtig, daher möchten sie sich mit dem Unternehmen identifizieren können. Auch Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten haben eine grosse Bedeutung.

Angesichts der Werteverschiebung erstaunt es nicht, dass Geld als alleinige Entscheidungsgrundlage eine immer kleinere Rolle spielt. In ein attraktives Gesamtpackage gehören heute eher flexible Arbeitszeiten, die Möglichkeit zum Home Office und viele Ferien. Marisa Michlig, Mediensprecherin beim grössten Arbeitgeber der Region, der Migros Luzern, spricht auf Anfrage einen weiteren Punkt an: «Wir stellen vermehrt den Wunsch nach unbezahltem Urlaub fest, meistens steht dieser in Verbindung mit einem Sprachaufenthalt im Ausland.»

Loyalität zur Arbeit aber nicht zum Unternehmen

Stimmen die Verhältnisse nicht, ist ein Ypsiloner schnell zum Absprung bereit. Die jungen Leute identifizieren sich zwar sehr stark mit ihrer Arbeit oder ihrem Beruf, doch sind sie wegen ihren guten Qualifikationen flexibel genug, diese mit demselben Eifer in einem anderen Unternehmen auszuüben. Diese Sprunghaftigkeit ist auch den Zentralschweizer Unternehmen nicht entgangen. Sie sind zwar gewillt, den Bedürfnissen der jungen Generation entgegenzukommen. Aber generell darf sich der Ypsiloner nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.

Längerfristige Bindung ist dem Luzerner Kantonsspital, dem zweitgrössten Zentralschweizer Arbeitgeber, beispielsweise ein wichtiges Anliegen. Daher will es sich gegenüber den Bedürfnissen ihrer Angestellten so weit als möglich flexibel zeigen. Laut Personalleiter Hans-Rudolf Meier erreicht das Spital stärkere Bindung, indem es Weiterbildungsmöglichkeiten und Familienfreundlichkeit grossschreibt: «Ein Kita-Angebot gehört da ebenso dazu, wie attraktive und flexible Arbeitsmodelle, vor allem auch Teilzeitmöglichkeiten.»

Meier weist aber auch darauf hin, dass es hinsichtlich Flexibilität und Teilzeitarbeit Grenzen gibt: «Beim Pflegepersonal und bei den Fachärzten ist es möglich. Auf der Führungsebene der Ärzte ist es hingegen eher schwieriger.» Das ist ein wichtiger Ansatz. Denn in gut bezahlten Positionen sind Verantwortung, Intensität und Ausdauer unumgänglich. Wollen Ypsiloner wirklich Geld verdienen, müssen sie Kompromisse eingehen und aufpassen, dass sie sich mit übertriebenen Forderungen nicht ins Abseits befördern. Markus Theiler, Geschäftsführer der Jörg Lienert AG, sagt: «Der erste Eindruck ist entscheidend. Schliesslich wollen Unternehmen Lösungen sehen und nicht nur mit Ansprüchen konfrontiert werden – zumindest nicht, bis sich ein Kandidat mit überragenden Leistungen profiliert hat.»

Keine Lust auf Kaderstellen

Von der Generation Y fährt gut, wer den Sinn für die Realität behält. Wer gut ausgebildet ist und sich bewirbt, muss sich gut überlegen, welche Anforderungen der Job mit sich bringt und ob er gewillt ist, sich darauf einzulassen. Die 26-jährige Dominique B. beispielsweise macht keinen Hehl daraus, dass sie eine Kaderstelle ablehnen würde oder für sie nur eine Führungsposition mit einem 80-Prozent-Pensum in Frage käme. Hans-Rudolf Meier vom Kantonsspital betont: «Ein typischer Vertreter der Y-Generation würde wohl kaum die Rolle eines Chef- oder Kaderarztes suchen. In dieser Berufsgattung identifizieren sich die Menschen meist so stark mit ihrem Beruf, dass nebenher nicht mehr viel anderes Platz hat.» Auch Personalvermittlerin Corinne Häggi hegt Zweifel an einer solchen Kombination: «Je nach Job darf man sich schon fragen, ob diese Kandidaten die richtige Besetzung wären. Es gibt schlicht und einfach viele Aufgaben, die eine hohe Präsenzzeit und auch eine hohe Einsatzbereitschaft voraussetzen – vor allem in der Geschäftsführung.»

Das Fazit für die jungen Ypsiloner drängt sich auf: Möglichst viel vermeiden, was keine Freude macht. Ganz weglassen, was keinen Sinn erkennen lässt. Die Hamburger Zeitung «Die Zeit» stellte in einem Artikel letzten März folgende zwei wegweisende Fragen in den Raum, welche auch die Zentralschweiz betreffen: Verspielen die Jungen den Wohlstand, den die Älteren aufgebaut haben? Oder können sie tatsächlich eine nachhaltigere Wirtschaft schaffen, die die Umwelt schont und die Lebensqualität erhöht?

Es ist offensichtlich, dass viele Firmen nicht darum herumkommen, sich in Sachen Flexibilität teilweise anzupassen. Eher unwahrscheinlich ist es aber, dass sich die Wirtschaft in ihren Grundfesten ändern wird.

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