Luzern

Verpönter Aldi auf Kurs

Aldi expandiert trotz Kritik weiter in der Schweiz. (Bild: @iStockphotos/marcoventuriniautieri)

Viele Zentralschweizerinnen und Zentralschweizer meiden Aldi Suisse. Oft aus Prinzip. Manchmal auch aus traditionellen Gründen. Aber wie gut sind die Argumente der Aldi-Gegner noch? Das Unternehmen zahlt bessere Mindestlöhne als Coop oder Migros und bietet gute Produkte aus der Schweiz an. Aldi ist auf Kurs und expandiert in der Region weiter.

Seit acht Jahren verkauft Aldi seine Artikel in der Schweiz. Viel Zeit, um sich ein Fundament in Sachen Anerkennung zu schaffen. Könnte man meinen. Dem ist aber nicht so. In der Zentralschweiz machen noch immer viele Menschen einen grossen Bogen um den deutschen Discount-Riesen.

Wir befinden uns vor dem Luzerner Shoppingzentrum Schönbühl, dort, wo Aldi Suisse vor gut zwei Monaten seine zweite Luzerner Filiale eröffnet hat. Es ist Samstagmittag und viele Menschen decken sich fürs Wochenende mit Lebensmitteln ein. Die meisten verlassen das Einkaufsgebäude mit Papiertragtaschen von Migros oder Coop.

Auch zwei ältere Frauen sind dabei. Auf die Frage, was sie von Aldi halten, entgegnen sie vehement: «Aldi? Wir gehen nicht zu Aldi, weil es keine Schweizer Firma ist.» Und ein etwa 50-jähriger Mann daneben meint: «Ich bin ein ewiges Migros-Kind. Zu Aldi gehe ich nicht.»

«Wir gehen nicht zu Aldi, weil es keine Schweizer Firma ist.»

Der Tenor ist klar: Vielen Zentralschweizerinnen und Zentralschweizern geht es ums Prinzip und um die Tradition, wenn sie bei Migros und Coop, also der Konkurrenz von Aldi Suisse, ihre Einkäufe tätigen.

Das sind Kriterien, die im Mutterland des Discounters – Deutschland – nicht zwangsläufig eine Rolle spielen. Dort punktet man primär mit tiefen Preisen. «Hierzulande zählt auch die Präsentation der Produkte», sagt Josianne Walpen, Leiterin Ernährung und Landwirtschaft bei der schweizerischen Stiftung für Konsumentenschutz. «Deren Qualität und Frische ist in der Schweiz wichtig. Die Preise sind hierzulande nicht das einzige Kaufkriterium.»

Sparen bei der Präsentation

Bei der Präsentation wird tatsächlich kein Aufwand betrieben. Wenn man im Shoppingzentrum Schönbühl den Aldi Suisse betritt, trifft man auf einen ordentlich, aber minimalistisch eingerichteten Laden. Es herrscht eine kühle Atmosphäre, in den Regalen werden die Artikel in einer pragmatischen Art und Weise in Kartonschachteln angeboten. «Konzentration auf das Wesentliche», heisst es in der Firmensprache.

An dem typischen Aldi-Groove, der im Schönbühl-Zentrum auf den 600 Quadratmetern Verkaufsfläche repräsentiert wird, gibt es eigentlich nichts auszusetzen. Auch wenn das Licht etwas greller wirkt: Das Personal ist freundlich und man bekommt viele wichtige Lebensmittel in einer guten Qualität. Viele Produkte sind aus der Schweiz. «Uns fehlt halt der Charme», sagt ein junges Paar auf die Frage, ob es bei Aldi einkauft. «Zudem werden die Mitarbeiter wahrscheinlich schlechter bezahlt und behandelt und ständig überwacht.»

Skandal hallt nach

Die Skepsis kommt nicht von ungefähr, denn im letzten Januar wurde das Unternehmen von einem Skandal erschüttert: Ein deutscher Detektiv machte publik, dass er im Auftrag von Aldi jahrelang Mitarbeiter mittels Videokameras ausspioniert hatte – auch in der Schweiz. Das Unternehmen wies damals alle Vorwürfe zurück. 

Dass seither generell die Arbeitsbedingungen von Aldi im Fokus stehen, ist nicht erstaunlich. Vor allem die Gewerkschaften haben ein ständiges Auge auf die Firma. «Die Arbeitsbedingungen haben sich nicht massgeblich geändert», hält Unia fest. Die Gewerkschaft Syna sieht zwar Fortschritte, bemängelt aber das Ausbleiben eines Gesamtarbeitsvertrages. Syna-Zentralsekretär Carlo Mathieu: «Es fehlt die Verbindlichkeit der Anstellungsbedingungen und die Überprüfbarkeit. Aldi kann sein Personalreglement jederzeit verschlechtern.» Beide Gewerkschaften werfen dem Unternehmen zudem vor, ihre Mitarbeitenden unter enormen Zeit- und Effizienzdruck zu setzen.

Aldi-Mediensprecher Philippe Vetterli wehrt sich: «Es geht darum, den Mitarbeitenden ihre Verbesserungspotenziale aufzuzeigen oder sie durch Lob und Anerkennung weiter motivieren zu können. Wir erwarten von unseren Mitarbeitern Leistungsbereitschaft und überdurchschnittliches Engagement.»

Höhere Mindestlöhne

Was die Gewerkschaften oft nicht vermitteln, ist, dass Aldi Suisse seine Arbeitnehmer mittlerweile besser bezahlt als die traditionellen Schweizer Detailhandelsriesen. Der monatliche Mindestlohn liegt etwas über 4100 Franken. Zum Vergleich: Bei Migros sind es 3700 Franken, bei Coop 3800 Franken. Im Gegensatz zur Konkurrenz verzichtet Aldi allerdings vollständig auf die Anstellung von Stundenlöhnern.

Was ebenfalls auffällt, ist, dass Aldi sich auch in Sachen Sortiment den Schweizer Gegebenheiten anzupassen versucht. Zwar führt Aldi Suisse nur etwas über 1000 Produkte (Migros: 30’000 bis 40’000 Artikel, Coop 10’000 bis 15’000), aber in deutschen Filialen ist das Angebot an Artikeln immer noch um einiges kleiner als in der Schweiz. 

«Das Angebot von Aldi finde ich gut», sagt eine junge Passantin. «Es ist zwar klein, aber die meisten Produkte verfügen über eine gute Qualität. Warum soll ich woanders kaufen, wenn ich für weniger Geld das Gleiche bekomme? Und die Arbeitsbedingungen sind wahrscheinlich auch bei Migros und Coop strenger geworden.»

Aldi baut aus

Trotz Gegenwind von den Gewerkschaften scheint das Unternehmen auf Kurs zu sein. Aldi Suisse beschäftigt in der Schweiz 2’150 Mitarbeitende (164 Standorte) und wächst kontinuierlich. Seit 2005 hat das Unternehmen rund 1,2 Milliarden Franken in den Schweizer Standort investiert. In den sechs Zentralschweizer Kantonen betreibt Aldi 15 Filialen, neun davon im Kanton Luzern. Für 2014 sind Neueröffnungen in Dierikon und Ermensee geplant.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von maico
    maico, 24.06.2013, 11:43 Uhr

    Einmal mehr ein Exempel, welche bedenkliche Grundhaltung viele Innerschweizer haben. Neben jeglicher Verweigerung gegenüber Fortschritt und verändertem Lebensstil (Beispiel Ladenöffnungszeiten, welche die Luzerner zur Lachnummer der Nation werden lassen), erinnert die Aussage «Wir gehen nicht zu Aldi, weil es keine Schweizer Firma ist» an einen Aufruf im so unbeliebten nördlichen Nachbarland von vor rund 70 Jahren. Es wird christlich oder sozial gewählt, innerlich aber ist man tief braun. Ich als Innerschweizer mit einer ausländischen Frau bekomme das tagtäglich mit. Im Pauschalisieren, Katalogisieren und Verallgemeinern sind wir echte Weltmeister. So lange wir uns innerlich nicht ändern, haben wir auch wirtschaftlich langfristig keine grosse Entwicklungsperspektiven. Für mehr als zum Steuern sparen kommen nämlich Firmen so nicht, weil Mitarbeiter über kurz oder lang wieder das Weite suchen.

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