Blue Balls im Hotel Schweizerhof

Von rauschenden Partys und Schlagzeug-Krach im Nobelhotel

Mike Hauser vor der grossen Bühne im Zeugheersal. (Bild: bra)

Mike Hauser schiebt während des Blue Balls Festivals nicht selten Nachtschicht. Als Mitinhaber des Hotel Schweizerhof steht er in der Verantwortung. Im Interview mit zentral+ spricht er über das Festival-Business, die Reklamationen seiner Gäste und Alkoholdunst am Frühstücksbuffet. 

Im altehrwürdigen Hotel Schweizerhof wird in diesen Nächten musiziert, getanzt, gefeiert und getrunken. Auch jetzt sind die Vorbereitungen für einen erneuten Blueballs-Abend in vollem Gange. «Check one, Check two… two Check». Auf der Bühne im Zeugheersaal wird die Soundanlage getestet. Die meterhohen Fenster stehen weit offen, frische Luft muss rein.

Mike Hauser ist gut in Form. Nur hie und da stützt sich der 42-jährige mit den Ellbogen auf den frisch geputzten Stehtisch, um mit den Händen seinen Kopf zu halten. Der Mitinhaber des Hotel Schweizerhof hat die letzten drei Nächte bis in die frühen Morgenstunden durchgearbeitet. Unter Berücksichtigung dieser Umstände beantwortet er die Fragen wach, schnell und gerade heraus.

zentral+: Sie haben jetzt die dritte Nachtschicht hinter sich. Wie spät wurde es gestern?

Mike Hauser: Ich kam kurz nach 5.00 Uhr heute Morgen ins Bett. 

zentral+: Ist das am Blue Balls immer so?

Hauser: Es kann durchaus vorkommen. Abwechselnd übernehmen auch mein Bruder Patrick und Direktor Clemens Hunziker die Nachtschichten. Wir sind immer zu dritt und schauen, dass die Organisation stimmt; wann welche Bar schliessen soll, oder sorgen dafür, dass alles aufgeräumt und in Ordnung ist.

zentral+: Was könnte denn alles schief gehen?

Hauser: All das, was anderswo an einem Festival ebenfalls vorkommen kann. Hie und da ist bei den Gästen zu viel Alkohol im Spiel und es gibt Ausfälligkeiten oder Pöbeleien. Ernsthafte Probleme gibt es für unsere Security glücklicherweise relativ wenig. Schlussendlich muss trotzdem immer jemand da sein, der verantwortlich ist. Und das sind wir.

«Wir arbeiten nicht in einem Museum.»

Mike Hauser, Mitinhaber Hotel Schweizerhof

zentral+: Wie passt diese ungleiche Paarung eigentlich zusammen, nobles Fünfsterne-Hotel mit «Remmidemmi»-Partyvolk?

Hauser: Ganz gut. Bei uns wird zwar ausgiebig gefeiert, aber alles läuft in einem gesitteten Rahmen ab. Und Festivals haben bei uns schon länger Tradition. Mit dem grossen Umbau, vor rund 15 Jahren, haben wir nach einem Weg gesucht, wie wir uns von anderen Hotels unterscheiden können. Es lag damals schon auf der Hand, dass sich die Stadt Luzern in Richtung «Festival-City» entwickeln wird.

zentral+: Und da brauchte es logischerweise auch ein entsprechendes Hotel dazu?

Hauser: Ja genau. Wir suchten den Kontakt und die Zusammenarbeit mit Veranstaltern wie Fumetto, Lucerne Blues Festival und Blue Balls Festival. Wir wollten auch unseren Gästen etwas bieten. Inzwischen sind wir als Festival-Hotel fest etabliert in Luzern.

zentral+: Die antiken Räume stehen unter Denkmalschutz. Befürchten Sie nicht Abend für Abend, dass etwas kaputt gehen könnte?

Mark Twain und Richard Wagner auf der Gästeliste

Das Hotel Schweizerhof Luzern ist 1845 erbaut worden und seit 1861 im Besitz der Familie Hauser. Das Fünf-Sterne-Hotel beherbergt seit seinen Anfängen das Who is Who der internationalen Elite und Künstlerszene. Namen wie Mark Twain, Leo Tolstoj, Roger Moore, Richard Wagner oder Anastacia finden sich auf der Gästeliste.

Seit Mitte April 2013 ist jedes der 101 Zimmer mit Erinnerungsstücken ausgestattet, die eine Geschichte rund um einen berühmten Gast erzählen. Direktor ist Clemens Hunziker, der ein Team von rund 100 Mitarbeitern führt.

Hauser: Nein. Und das aus zwei Gründen. Erstens arbeiten wir hier nicht in einem Museum, sondern in einem Hotel. Es gehört Leben rein. Zweitens versuchen wir die Räume gut zu erhalten. Vor zehn Jahren fiel ein Stück Stuckatur von der Decke herunter. Glücklicherweise wurde niemand verletzt. Seither lassen wir streng kontrollieren, dass auch alles hält. Darüber hinaus begegnen die Festivalbesucher dem Inventar mit Respekt. Ich denke, die meisten von ihnen haben wirklich Freude daran.

zentral+: Hier drin riecht es sauber, so gar nicht nach Party-Muff vom Vorabend. Wir kommt das?

Hauser: Der Zeugheer-Saal ist mit acht Metern Höhe sehr geruchsresistent. Zudem öffnen wir immer sofort die Fenster, kaum sind die letzten Partygäste gegangen.

zentral+: Jetzt mal ehrlich: Es gibt doch sicher gewisse Gäste, die sich am Barbetrieb und lauter Musik stören?

Hauser: Ja, die gibt es. Oder besser gesagt: Gab es. Die Reklamationen wurden in den vergangenen Jahren immer weniger. Zu unserem Glück hört man von den Konzerten im Zeugheersaal nur gerade in vier Zimmern etwas. Da schlafen dementsprechend auch die Mitglieder der jeweils auftretenden Band. Also kein Problem soweit.

zentral+: Und wie sieht es mit anderen Räumlichkeiten aus? Schwebt da am Morgen noch ein Dunst Restalkohol über das vornehme Frühstücksbuffet?

Hauser: Nein. Alles geht gut aneinander vorbei. Im Raum gleich neben der Bar verpflegen sich die freiwilligen Mitarbeiter des Blue Balls Festival. Das Frühstücksbuffet für die Gäste wird weiter weg im Restaurant im Mitteltrakt serviert. Dort merkt man von den Festivitäten nichts. Zudem putzen wir morgens jeweils um halb sechs gründlich durch. Da haben unsere Mitarbeitenden eine professionelle Routine entwickelt.

zentral+: Warum nimmt man diesen Aufwand auf sich? Man könnte sich doch einfach mit dem «normalen» Hotelbetrieb zufrieden geben?

Hauser: Das ist sicher so. Wir sind aber ein Luzerner Familienunternehmen in fünfter Generation. Deshalb wollen wir eben auch ein Teil von Luzern sein. Wir sind offen für alle, und auch unseren Mitarbeitern macht die Abwechslung grossen Spass.

zentral+: Apropos, wie halten Sie die Mitarbeiter für die Extra-Schichten motiviert?

Hauser: Wir beteiligen sie am Umsatz und sie merken es Monat für Monat direkt im Portemonnaie. Vor Jahren haben wir ein Bonus-Lohnsystem eingeführt. Wenn wir ein besseres Monatsergebnis erzielen als budgetiert und die Kosten im Griff haben, zahlen wir einen Prozentsatz vom Überschuss an die Mitarbeiter aus.

zentral+: Und wenn der Umsatz unter den Erwartungen liegt?

Hauser: Dann erhalten die Mitarbeitenden selbstverständlich ihren ordentlichen Lohn. Es gibt in diesem «System Schweizerhof» nur einen Bonus, keinen Malus.

zentral+: Haben Sie schon mal ausgerechnet, wir viel Kosten das Blue Balls für das Hotel verursacht?

Hauser: Allzuviel zusätzliche Kosten fallen nicht an. Die Infrastruktur wie Bar-Elemente und Einrichtungen bezahlt der Veranstalter. Wir stellen das Personal. Dafür dürfen wir mit einem guten Umsatz rechnen.

zentral+: Wie viel setzen Sie am Blue Balls um?

Hauser: Das geben wir nicht bekannt. Aber es ist für den sonst umsatzschwachen Juli sehr viel Geld. Und das ist auch gut so.

zentral+: Nimmt das Hotel Schweizerhof mit dem Blue Balls-Barbetrieb mehr ein als mit dem normalen Hotelbetrieb?

Hauser: So direkt könnte man das nicht sagen. Natürlich ist der Ertrag bei einem Hotelzimmer mit weniger Aufwand verbunden. Aber nichts desto trotz kann man sagen: Der Veranstaltungsbereich ist für uns interessant und spannend, was die Wirtschaftlichkeit betrifft.

zentral+: Ein anderes Thema: Sie gelten als das Musiktalent der Familie Hauser. Wie sieht es mit Ihren Bühnen-Ambitionen aus?

Hauser: Naja, ich spiele seit dreissig Jahren Schlagzeug. Und vor gut zwanzig Jahren war ich noch Mitglied einer Band namens «Midwest». Auf die Bühne zieht es mich allerdings nur noch selten.

«Alle Blue Balls-Musiker sind bei uns einquartiert.»

zentral+: Wo schlägt ihr Herz musikalisch?

Hauser: Mein Interesse reicht von Jazz und Funk hin bis zu alten Rock-Geschichten. Ich selber mag Klassiker wie die Rockband «Toto». Die gehört zu meinen Favoriten. Eine Kombo mit unglaublich begnadeten Musikern, wie ich finde.

zentral+: Welchen Künstler würden Sie am liebsten im Hotel Schweizerhof beherbergen?

Hauser: Jetzt muss ich wohl Toto sagen. Vielleicht wird die Band irgendwann mal in Originalbesetzung bei uns spielen, wer weiss. Träumen darf man ja.

zentral+: Welche Musiker sind zurzeit zu Gast?

Hauser: Im Moment sollte Sophie Zelmani hier sein. Grundsätzlich sind alle Musiker, die während des Blue Balls spielen, bei uns einquartiert.

zentral+: Stichwort Extrawünsche: Wie geht man mit Starallüren um?

Hauser: So ausgefallen sind die gar nicht, wie man immer wieder liest. In erster Linie geben jeweils die Managements Standard-Listen mit gewissen Ansprüchen ab. In den meisten Fällen sind auf diesen Katalogen aber keine extraordinären Sachen.

zentral+: Ein Beispiel?

Hauser: Vor Jahren deckten wir einmal ein ganzes Zimmer weiss ab. Oder eine amerikanische Sängerin wollte spezielle Verpflegung, inklusive Mondavi Jahrgangswein und vieles mehr. Selbstverständlich stellten wir alles bereit. Schliesslich aber blieben zwei volle Kühlschränke unberührt. Die Sängerin ass dann direkt nach ihrer Ankunft lediglich eine Portion Pommes-Frites auf der normalen Restaurant-Terrasse. Solche Geschichten gehören aber eher zu den Ausnahmen.

 

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