Luzern Tourismus

«Ich ticke nicht mehr nach den Uhren»

Adelbert Bütler zieht nach seiner Amtszeit als VR-Präsident der Luzern Tourismus AG Bilanz. (Bild: bra)

Knapp ein Jahrzehnt stand Adelbert Bütler an der Spitze der Luzern Tourismus AG. Davor war er 15 Jahre CEO des Uhrenunternehmens Bucherer. Mit zentral+ spricht der Seetaler über den «Chinesenboom», Verkehrsprobleme am Schwanenplatz und die berüchtigte Machtkonzentration zu Gunsten der Uhrenbranche.

Adelbert Bütler sei einflussreich. Als höchster Luzerner Tourismusverantwortlicher bevorteile er die Geschäfte am Schwanenplatz. Das kritisierte vor gut einem Jahr der Hotel «National»-Besitzer Umberto Erculiani in der Zeitung «Der Sonntag». Bütler fördere in seinem Amt den «Chinesenboom» und den «Billigtourismus». Es gäbe eine «problematische Machtkonzentration» zu Gunsten der Uhrenbranche. Sicher ist: Adelbert Bütler hat den Luzerner Tourismus entscheidend mitgeprägt.

Rückblickend zieht er für zentral+ Bilanz und stellt sich den kritischen Fragen rund um den Tourismusstandort Luzern. Bis vor kurzem präsidierte er die Luzern Tourismus AG (LT AG), war neun Jahre im Verwaltungsrat. Davor führte er 15 Jahre lang die Geschäfte des Uhrenunternehmens Bucherer AG.

«Ich wehre mich gegen das Wort ‹Massentourismus›».

Adelbert Bütler, ehemaliger VR-Präsident der Luzern Tourismus AG.

Die Kontroverse mit Hotelbesitzer Erculiani sei die erste und einzige in seiner Amtszeit gewesen, sagt der 67-jährige Geschäftsmann heute diplomatisch. Inzwischen ist der Streit beigelegt und das Ganze ausdiskutiert. Weiteren Diskussionsstoff gibt es allerdings noch genug.

Adelbert Bütler sitzt an einem langen Tisch in den Büros der Luzern Tourismus AG an der Bahnhofstrasse. Seine Uhr funkelt am Handgelenk, während er gestikuliert und antwortet. Das Schmuckstück der Marke «IWC» habe er sich damals zum 10-jährigen Jubiläum als Bucherer-Chef geleistet.

zentral+: Sie hätten als oberster Tourismus-Verantwortlicher die Uhrenhändler zu stark bevorzugt. Was sagen Sie heute dazu?

Adelbert Bütler: Das sehe ich überhaupt nicht so. Es waren zwei völlig unterschiedliche Aufgaben: Geschäftsführer von Bucherer und das Präsidalamt für die Luzern Tourismus AG. Als VR-Präsident konnte ich nicht mehr gleich funktionieren, wie als CEO eines Uhrenunternehmens. Ich konnte nicht mehr nach den Uhren ticken. Für den Tourismus müssen alle Gruppierungen, die in der Vierwaldstättersee-Region eine Rolle spielen, berücksichtigt werden; das Hotel- und Gastrogewerbe zum Beispiel, die Transportunternehmen, Veranstalter und Dienstleister und nicht zuletzt die Politik. Es geht nicht um Kundeninteressen meines früheren Arbeitgebers.

zentral+: Wirklich? Die Vermutung liegt nahe.

Bütler: Sehen Sie, ich kann den Gedanken nachvollziehen. Man wird mit Blick auf meinen beruflichen Werdegang darauf kommen. Aber wenn Sie jemanden fragen, der mich kennt, der zum Beispiel mit mir zusammengearbeitet hat, wird er ihnen das nicht bestätigen können.

(Diesbezüglich kontaktierte zentral+ zwei Kenner der Tourismusbranche. Beide sagten, die Vorwürfe seien haltlos.)

Bütler: Früher als CEO der Firma Bucherer war ich von Berufs wegen in den Tourismus involviert, quasi automatisch. Vor allem an diesem Standort hier in Luzern. Was aber wichtig ist: Das Unternehmen Bucherer lebt nicht nur vom Tourismus. In anderen Städten spricht man nicht viel davon, nur in Luzern und Interlaken. Das sind zwei spezielle Standorte. Und «Bucherer Luzern» ist auch nicht «Bucherer International». Das sind zwei unterschiedliche Segmente.

zentral+: Sie ziehen die Fäden hinter den Kulissen. Wie beurteilen Sie persönlich ihren Einfluss?

Bütler: Als sehr einflussreich würde ich mich nicht bezeichnen. Aber ich sage es mal so: Aufgrund meiner beruflichen Erfahrung und meiner Interessen, und weil ich auch viele Leute kenne, kann ich in Luzern schon das eine oder andere bewegen.

zentral+: Sie kommen gerade von einer Sitzung mit den Stadtbehörden. Wer sind die wichtigsten Leute?

Bütler: Das sind bestimmt einmal die Personen aus der Politik. Und auch Menschen an der Spitze von Unternehmen. Namen möchte ich hier keine nennen. Aber eines kann ich sagen: Die meisten meiner Kollegen sowie meine besten Freunde sind nicht in der Uhrenbranche tätig. Das sind alles Leute, die sehr breit gefächerte Interessen haben.

zentral+: Worum ging es bei der Sitzung?

Bütler: Luzern Tourismus hat in Zusammenarbeit mit der Stadt sowie mit den Anrainern des Schwanenplatzes eine Studie lanciert, die am 23. Juni veröffentlicht wird. Es geht dabei um die Probleme rund um das Verkehrsaufkommen, speziell um den Carverkehr. Was drin steht, darf ich noch nicht sagen. Aber ein externes Beratungsunternehmen hat verschiedene Szenarien und Varianten erarbeitet.

zentral+: Werden diese Lösungsvorschläge transparent diskutiert?

Bütler: Auf jeden Fall. An diesem Beispiel können Sie sehen, dass die Geschäfte am Schwanenplatz nicht einfach bevorzugt werden. Die Luzern Tourismus AG würde sonst nicht eine solche Studie in Auftrag geben. Die Ergebnisse der Studie werden in einer Spezial-Kommission behandelt. Mehr kann ich aber dazu noch nicht sagen.

zentral+: Ist die Verkehrs-Limite am Schwanenplatz überschritten?

Bütler: Wir haben vor allem beim Carverkehr zeitweise gewisse Limiten erreicht. Wir müssen Modelle finden, mit denen wir den Schwanenplatz entlasten und anders handhaben können. Deshalb haben wir ja auch diese Studie lanciert. Man muss sich dazu einfach Folgendes vor Augen halten: Wir sind eine Destination, die gottseidank sehr gut positioniert ist. Weltweit. Wir schreiben zum fünften Mal hintereinander Rekordzahlen.

zentral+: Und was ist mit dem grundlegenden Gefühl, der Massentourismus nehme immer mehr zu?

Bütler: Ich wehre mich gegen das Wort «Massentourismus». Wir haben hier in Luzern einen Gruppentourismus. Massentourismus ist das, was zum Beispiel auf Mallorca stattfindet; also Tage mit bis zu 100 Flugzeugen und 40’000 Besuchern. Wir hingegen haben per Definition einen «geführten Gruppentourismus». Allerdings ist es richtig, dass wir uns in Luzern dringend Gedanken machen müssen, wie es weitergeht mit unserer Destination. Das macht die Luzern Tourismus AG aber schon seit einigen Jahren. In unserem Businessplan sind Gelder ab 2012 bis 2016 in Projekte verteilt, die entsprechende Probleme beim Schopf packen sollen.

zentral+: Alle schwärmen von Luzerns Beliebtheit im Ausland. Was wäre, wenn Luzern «von China überrannt» würde?

Bütler: Das ist eine richtige und sehr wichtige Frage. Aber so weit können wir nicht voraussehen. Ich persönlich besuche China seit 40 Jahren regelmässig. Ich sage nicht, ich kenne den Chinesen, aber kann gewissen Entscheide nachvollziehen. Und Angst haben müssen wir hier bestimmt nicht.

zentral+: Ein Gruppentourist bleibt nicht lange in Luzern und bringt der Hotellerie und Gastronomie eher wenig Wertschöpfung. Könnte man nicht konsequent auf Individualtouristen setzen?

Bütler: Nein, das geht nicht. Entweder zeigen wir uns in China, oder nicht. Aber ein «Zwischendurch», also ein Aussortieren von Individualtouristen oder Gruppentouristen, das ist nicht realisierbar. An einer grossen Tourismus-Messe in Berlin zum Beispiel präsentieren sich 11’500 Aussteller den Reiseveranstaltern aus der ganzen Welt. Da müssen auch wir mithalten. Besonders, wenn Sie sehen, mit welchen aufwendigen Auftritten sich da Länder wie Aserbeidschan oder Thailand präsentieren.

zentral+: Sie geben das Amt als Verwaltungsratspräsident ab und übernehmen eine Neue Aufgabe als «Gästival»-Chef, dem Tourismus-Jubiläum 2015. Was wird auf Sie zukommen?

Bütler: Es ist eine zeitintensive und anspruchsvolle Aufgabe, diesen Verein zu leiten. Aber ich habe ein sehr gutes Team. Ich bin überzeugt davon, dass es eine tolle Sache wird für die ganze Zentralschweiz. Zudem bin ich sehr froh darüber, dass sich die Zentralschweizer Kantone dafür ausgesprochen haben. Wir haben ursprünglich von einer Million Budget gesprochen jetzt sind wir bei 7,2 Millionen.

zentral+: Werden es noch mehr?

Bütler: Nein.

zentral+: Was wird besonders anspruchsvoll werden?

Bütler: Der Knackpunkt ist, mit dem Gästival schliesslich den «weichen Faktor» Gastfreundschaft zu kommunizieren, weil Gastfreundschaft von jedem Menschen anders verstanden wird. Die Leute müssen bei uns mehr bezahlen. Alles ist teurer, das ist klar. Aber wenn ich schon mehr bezahle, will ich besser und freundlicher bedient werden.

zentral+: Wollen Sie die Menschen hier erziehen?

Bütler: Nein, nicht erziehen. Aber es geht um eine Haltung. Das wieder einmal aufzuzeigen, ist wichtig. Es geht darum eine natürliche Freundlichkeit zu präsentieren, das wäre schön. Wenn ich in manchen Restaurants sehe, wie ich lieblos abgefertigt werde, ist das nicht in unserem Sinn. Wir sind zwar nicht weniger gastfreundlich als alle anderen, aber mit unserem Preis-Leistungsverhältnis müssen wir besser sein.

Karriere im Detailhandel
Adelbert Bütler begann seinen beruflichen Werdegang im Detailhandel. Er machte als Erstes eine kaufmännische Lehre. Insgesamt war er 46 Jahre in verschiedenen Warenhäusern tätig; zum Beispiel in Genf, London oder Chicago. Für Manor arbeitete er 16 Jahre als Chefeinkäufer der Warenhausgruppe und war Mitglied der Konzerndirektion. Danach führte er 15 Jahre als CEO die Bucherer-Gruppe. Von 2009 bis 2014 war Bütler Verwaltungsratspräsident der Luzern Tourismus AG. Der Seetaler hat Jahrgang 1947, ist verheiratet und hat drei Kinder.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von rahel.estermann
    rahel.estermann, 17.06.2014, 01:03 Uhr

    «In unserem Businessplan sind Gelder ab 2012 bis 2016 in Projekte verteilt, die entsprechende Probleme beim Schopf packen sollen.»

    Genau hier wäre es doch schön, weil spannend, wenn der Reporter nachgehakt hätte… Denn ich halte die Fragestellung, wie ein nachhaltiger Tourismus in Luzern aussehen könnte, schon für sehr relevant.

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