KMU wollte Marke schützen

Luzerner Startup steht vor einem Scherbenhaufen

Traum zerbrochen: Ein Luzerner Unternehmer wollte seine Marke registrieren lassen. (Bild: zod)

Der Unternehmer Roger Huber* glaubte, rechtlich sei mit dem Namen seines Startups alles in Ordnung. Die Behörden in Bundesbern gaben ihm grünes Licht. Trotzdem klopfte sechs Monate später ein italienischer Milliardenkonzern an seine Tür und drohte mit Klagen. Was Huber nun bleibt, ist ein grosser, teurer Scherbenhaufen. Und viel Arbeit für seinen Anwalt.

Roger Huber* möchte andere Jungunternehmer davor schützen, den gleichen Fehler zu machen. Er hatte beim Institut für Geistiges Eigentum (IGE) den Namen für sein neues Startup offiziell eintragen lassen und vertraute voll und ganz auf die Bestätigung aus Bundesbern. Es sollte der Startschuss für sein junges Unternehmen sein. Eine Fehleinschätzung, wie sich später herausstellte. «Wir wurden massiv enttäuscht», sagt Huber. Nun steht er ungläubig vor einer unternehmerischen Katastrophe. Aber alles der Reihe nach.

Vor rund vier Jahren fing die Misere an. Die Beratungsfirma von Roger Huber sollte «Go-On» heissen. Optimistisch ging der Jungunternehmer ans Werk. Zusammen mit einem Luzerner Anwalt organisierte er alles Nötige, um die rechtliche Basis für seine Geschäftsidee zu schaffen. Das Ziel: Die Kunden sollten Marketing-Beratung und weitere Dienstleistungen des Spezialisten mit eigener Firma in Anspruch nehmen können.

Als Erstes liess der damals 30-Jährige den Namen «Go-On» im Luzerner Handelsregister eintragen. Es galt, eine mehrwöchige Frist abzuwarten, bis die Firma handlungsfähig wird. «Das war kein Problem», sagt Huber. Und sein Anwalt meinte nach der Eintragung: «Alles gut, wir können gründen». Alles gut, soweit.  

Grünes Licht aus Bern

Aber parallel mit dem Eintrag ins Handelsregister wollte Huber die Marke «Go-On» absichern – mit vorausschauendem Blick auf eine ungestörte zukünftige Geschäftstätigkeit. Diesen Vorgang machte er ohne Anwalt und auf eigene Faust. Für diesen Vorgang ist ein Eintrag beim bereits erwähnten Eidgenössischen Instituts für Geistiges Eigentum (IGE) nötig.

Durch das IGE liess Huber dazu eine umfassende Recherche, ob bereits andere Firmen unter der Marke «Go-On» tätig sind, machen. Es handelt sich hierbei um eine Dienstleistung, die das IGE von sich aus anbietet. «Damit Sie bei Ihrem nächsten Namensgebungsprojekt ganz entspannt bleiben können, bieten wir Ihnen ein Rundum-sorglos-Paket», heisst es auf der Website des vom IGE beauftragten beauftragten Unternehmens.

Und Huber war nach dieser Recherche tatsächlich noch sorglos. Der von ihm bestellte Bericht ergab für die Schweiz keine bedenklichen Treffer (aber für EU-Marken schon). Lediglich eine Softwarefirma aus Tägerwilen (TG) hatte einen ähnlichen Namen. Der Bericht umfasste 155 Seiten und kostete rund 600 Franken. Aufgelistet wurden zahlreiche Länder, von «Andorra» bis «US-Markets».

Ein positiver Bescheid für Huber – sozusagen grünes Licht für das neue Unternehmen – glaubte er. «Aufgrund dieser Bestätigung habe ich die ganze Firma lanciert.» Er machte daraufhin den Eintrag ins Schweizer Markenregister amtlich. Und vier Wochen später folgte die schriftliche Bestätigung des IGE, die zentral+ vorliegt.

Drohung eines italienischen Grosskonzerns

Der Jungunternehmer legte mit der Geschäftstätigkeit los. Er entwarf das Firmenlogo für «Go-On», produzierte Broschüren und baute eine Website auf. Er verschickte Einladungen und hielt Referate. Für die nächsten sechs Monate war das Beratungsgeschäft eine Erfolgsgeschichte. «Ich gewann viele Kunden. Alleine im ersten Geschäftsjahr habe ich 250’000 Franken Umsatz gemacht. Man muss sich das mal vorstellen», sagt er.

Nur eben: Schon bald sollte alles anders kommen. Nach dem erfolgreichen Geschäftsstart landete ein Brief eines italienischen Milliardenkonzerns mit gleichem Namen in Hubers Briefkasten. Die Botschaft war eindeutig. Die italienische «Go-On» erhob Anspruch auf die landesweite Marken-Identität und drohte Huber mit einer Klage. Der Name sei für die Schweiz bereits durch ein gewisses «Pariser Protokoll» aus dem Jahr 1994 geschützt, schrieb der Konzern.

Mit drei Anwälten einer renommierten Zürcher Kanzlei liessen die Italiener die Muskeln spielen. Der Handels- und Industriewaren-Konzern ist in der Schweiz als Zulieferer für grosse Warenhäuser und Baumärkte tätig.

Für Huber war die Rechtslage allerdings schnell klar, der Fall musste nicht vor Gericht. Alle Fakten sprachen gegen ihn. Die Dokumente des besagten «Pariser Protokoll» galten auch für die Schweiz und liessen keinen Zweifel zu. Und das Erstaunliche: Nun hatten die Berner Beamten, im Nachhinein – und offenbar mit Nachdruck des italienischen Konzerns – die «alten Akten» plötzlich wiedergefunden. Huber musste aufgeben.

IGE hatte «keinen Zugriff»

Das Ganze kam Huber teuer zu stehen, obwohl die italienische «Go-On» alles in allem viel Verständnis für Hubers Situation zeigte. «Nur» rund 25’000 Franken musste er an den Konzern überweisen und seine Firma umbenennen, also auch den Handelsregistereintrag ändern. «Wenn ich einfach weiter gemacht hätte, hätte mich das Ganze ruiniert», sagt er. Er sei noch glimpflich davon gekommen.

Wie das Eidgenössische Institut für geistiges Eigentum das offizielle «Pariser Protkoll» übersehen konnte, versteht Huber heute noch nicht. «Es ist ein schlechter Witz», so sein Kommentar.

Wie kann es sein, dass ein Bundesamt Recherche-Dienstleistungen anbietet und dafür scheinbar nicht alle nötigen Register prüft? Huber erinnert sich an die Antwort des Beamten am Telefon und gerät heute noch in Aufregung. «Leider hat das IGE nicht alle Zugriffe auf die Markenregister im Ausland», hätte das IGE zu ihm gesagt. «Aber was interessieren mich Markennamen in den USA, wenn ich als Kleinunternehmer in der Schweiz tätig bin?», fragt Huber.

IGE klärt ab

Das IGE auf der anderen Seite ist zurzeit daran, den Fall von Huber rechtlich zu prüfen. «Ob unser Institut einen Fehler gemacht hat, werden wir abklären», sagt Jürg Herren, Leiter des Rechtsdienstes der IGE. Dazu sei es wichtig, alle in den Prozess involvierten Personen anzuhören, um den Sachverhalt richtig einschätzen zu können. Er möchte hinzufügen, dass solche Fragen beim IGE sehr selten auftauchen. «Selbstverständlich sind wir daran interessiert, allfällige Missverständnisse zu klären», sagt Herren.

Was für Huber schlussendlich bleibt, sind viel Ärger und Aufwände von mehreren hunderttausend Franken, wie er sagt. Nur dank dem jetzigen Geschäftsmodell könne er sich noch wirkungsvoll über Wasser halten. Huber prüft rechtliche Schritte gegen das IGE. «Ein Unternehmer sollte eigentlich die Dienstleistungen des IGE ohne Anwalt korrekt beziehen können. Und so, dass er nicht Angst haben muss, dass in hundertseitigen AGB’s alle Verantwortung auf den Unternehmer abgeschoben wird», sagt er. Rund die Hälfte der aufgerechneten Kosten möchte Huber geltend machen.

* Namen des Unternehmens sowie der Marke geändert, da rechtliche Verfahren noch nicht abgeschlossen sind.

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