Der Blick in die Zukunft ist verheissungsvoll

Nur die Krönung einer grossen EVZ-Saison blieb aus

Die Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben: EVZ-Stürmer Reto Suri nach dem Erhalt der Silbermedaille am Samstag in Bern.

(Bild: Urs Lindt/freshfocus)

Der Traum vom erstmaligen Double-Gewinn ist für den Cupsieger EV Zug zwar geplatzt. Aber die Zentralschweizer haben sich auf die Ebene der Titanen im Schweizer Eishockey emporgearbeitet. Und der EV Zug hat die zwei wohl spektakulärsten Transfers im Hinblick auf die nächste Saison bereits gemacht.

Der EVZ hat nicht nur in diesen Playoffs Grosses geleistet. Der Achtungserfolg mit vorangegangenem Cupsieg gründet auf Nachhaltigkeit. Weil sich der Klub in allen Belangen zu einem Unternehmen mit einem Umsatz von 30 Millionen Franken weiterentwickelt hat.

Dass das nicht bloss schöne Bilder sind, die vergänglich sind wie Schall und Rauch, machte jüngst Patrick Lengwiler, der CEO der Zuger, deutlich. Während der am Samstag zu Ende gegangenen Finalserie wagte er sich jüngst aus der bescheidenen Zurückhaltung und verkündete in einem Interview auf dem Sport-Kanal MySports selbstbewusst: Es sei nicht mehr die Frage, ob, sondern nur noch wann der EVZ zum nächsten Mal Meister werde. 1998 war er es letztmals und erstmals überhaupt (zentralplus berichtete).


 

Ein Anfall von Arroganz?

Man mag Lengwiler, der es seit den frühen 2000er-Jahren weder als Sportchef noch als CEO der Zuger zu einem Meistertitel geschafft hat, seine Aussage als Anfall von Arroganz und Grössenwahn auslegen. Schliesslich hat sein EVZ nach 2017 auch am Samstag die Finalserie 2019 verloren. Jedesmal gegen den grossen SC Bern, den dreifachen Meister seit 2016.

Aber Lengwilers EVZ hat eben auch die spektakulärsten Transfers für nächste Saison gemacht und SCB-Meistergoalie Leonardo Genoni (31) für die nächsten fünf Jahre und Grégory Hofmann, den besten Knipser der abgelaufenen Saison (30 Tore in der Qualifikation für Lugano), für die nächsten vier Spielzeiten an die Zuger gebunden. Es sind zweifelsohne kostenintensive Investitionen in ein ohnehin schon schlagkräftiges EVZ-Kader. Logisch gefolgert: Sie müssen unweigerlich in einem Titelgewinn zinsen.

Heulen mit den bösen Wölfen der Liga

Mit der Qualität der Schweizer Spieler können die Zuger mit den bösen Wölfen der Liga heulen. Aber was ist mit den Ausländern? Der Abgang von Garrett Roe zu den ZSC Lions harrt bloss noch der offiziellen Bestätigung, der mögliche Wegzug von Playoff-Lückenbüsser David McIntyre hat zentralplus trotz eines weiterlaufenden Vertrages bis 2020 aufs Tapet gebracht.

Aber was ist mit den Schweden Dennis Everberg und Carl Klingberg? Der eine, Everberg, ist jüngst Vater geworden. Und Klingberg hat nach seiner schweren Halswirbelverletzung im November nicht mehr wirklich überzeugen können. Ein Abgang der Skandinavier würde trotz einem skandinavischen EVZ-Trainer, dem Norweger Dan Tangnes, nicht überraschen. Aber Gelassenheit mag die Tatsache verbreiten, dass EVZ-Sportchef Reto Kläy zumeist ein gutes Händchen beim Engagement einer ausländischen Verstärkung bewies.

Quantensprung eines 20-Jährigen

Es war keine einfache Saison für die EVZ-Ausländer. Jeder, der fürs National-League-Team vorgesehen war, fiel mit Verletzung früher oder später verletzt aus. Doch die Mannschaft hielt ihr erstklassiges Niveau. Das spricht für Qualität und Tiefe im Kader. Der 20-jährige Sven Leuenberger zum Beispiel hat in dieser Saison einen Quantensprung in seiner Entwicklung zu einem NL-Spieler gemacht.

«Dieses Mal hatte ich das bessere Gefühl als 2017, dass wir es schaffen könnten.» 

Reto Kläy, Sportchef des EV Zug

Das Erringen des Cupsieges Anfang Februar war zwar innerhalb der Mannschaft und des ganzen Vereins ein schönes Erlebnis. Aber diesem Wettbewerb fehlt nach wie vor das Prestige in der öffentlichen Wahrnehmung.

Zug-Trainer hinterliess Eindruck

Noch eindrücklicher ist der Weg, den dieser EV Zug bis in den Final geskatet ist. Ein in der Schweiz völlig unbekannter Norweger namens Dan Tangnes, der zuvor als Headcoach noch nie eine Playoff-Serie gewonnen hat, rockte die Liga. Er hat auf allen Ebenen Eindruck hinterlassen.

Dazu gehörte seine unverblümte und schlaue Art der Kommunikation. Der Charismatiker pflegte einprägsame Worte zu wählen, um eine Situation treffend einzuschätzen.

Dazu gehörte aber noch viel mehr die Einführung und Installation einer neuen EVZ-Mentalität, die so sehr korrespondierte mit der vom wohlbestallten EVZ-Präsidenten Hans-Peter Strebel alimentierten Nachwuchsförderung (EVZ Academy). Tangnes jammerte nicht, als zu Beginn und im Verlauf der Qualifikation der Zuger wichtige Leistungsträger ausfielen. Er gab den Einsatzbereiten eine grössere Rolle und mehr Verantwortung. Das sorgte für mehr Vertrauen in seine Arbeitsweise und gleichzeitig Tiefe im Kader.

Die Erkenntnis des EVZ-Sportchefs

Als die Zuger Schlacht gegen den SCB um den Gewinn des Meistertitels vorüber war, entfuhr es EVZ-Sportchef Reto Kläy in der Stunde der Enttäuschung: «Dieses Mal hatte ich das bessere Gefühl, dass wir es schaffen könnten, als 2017.» Wahrscheinlich ging es Tausenden, die den EV Zug im Herzen tragen, wegen der grösseren Energiereserven auf dem Weg in den Final so und erst recht nach dem 4:1-Sieg im ersten Finalspiel in Bern nicht anders.

«Wäre ich mit Platz 2 zufrieden, wäre ich ein Verlierer.»

Dan Tangnes, Trainer des EV Zug

Aber am Ende, nach der vierten Final-Niederlage in Serie, musste Kläy eben auch erkennen: «Dieser SCB ist schwer zu knacken.»

Die zentralen Gründe für die Final-Niederlage

Warum? Trotz grosser Leistung der Zuger hatte der SCB, der seit 2010 nun schon zum fünften Mal Meister geworden ist, in diesen Bereichen entscheidende Vorteile:

Eigenes Spiel durchsetzen: Die Berner hatten die Hoheit in den gefährlichen Zonen vor beiden Toren. Sie räumten besser ab vor dem eigenen Gehäuse und kamen darüber hinaus besser zum Zug vor dem gegnerischen Tor. Die offizielle Liga-Statistik dazu sieht so aus: 148 Schüsse haben die Zuger aufs Berner Tor abgefeuert, 39 aus der gefährlichen Zone (Slot) heraus. 6,08 Prozent fanden den Weg ins Netz. Bern schoss dagegen bloss 117 Mal aufs Zuger Tor, davon 41 Mal aus dem Slot heraus. Sie kamen auf eine Effizienz von 10,26 Prozent. EVZ-Sportchef Reto Kläy sagte dazu: «Nach Spiel 1 kamen wir nicht mehr in den Slot hinein.»

 

Er hat die Krönung seiner Karriere verpasst und seinen dritten Final gegen den SCB verloren: EVZ-Torhüter Tobias Stephan.

Er hat die Krönung seiner Karriere verpasst und seinen dritten Final gegen den SCB verloren: EVZ-Torhüter Tobias Stephan.

(Bild: EVZ/Philipp Hegglin)

Die Goalies: Als der EVZ zum Start in die Finalserie 4:1 siegte, entschied Tobias Stephan das brisante Goalie-Duell gegen seinen Nachfolger im EVZ-Kasten zu seinen Gunsten. Aber als der SCB damit begann, vier Siege zum Gewinn des Meistertitels aneinanderzureihen, war Leonardo Genoni der klar bessere Torhüter. Die Liga-Statistik besagt: Stephan hat in der gesamten Finalserie 104 von 115 Schüssen (Abwehrquote von 90,43 Prozent) gehalten, Genoni 139 von 147 (94,56 Prozent).

Wäre die Finalserie mit umgekehrten Goalies für die Zuger ausgegangen? «Eine hypothetische Frage», entgegnete Kläy. Aber wenn es nicht so wäre, warum geben die Zuger dann für die nächsten fünf Jahre so viel Geld für Genoni aus? «Sie können sich ja selber ein Urteil bilden», legte der Sportchef lächelnd nach.

Siegermentalität: Bern weiss, wie Meister geht. Zug seit 21 Jahren nicht mehr. Übrigens gibt es eine interessante Parallele zum letzten Jahrhundert: Auch vor dem bisher einzigen Titelgewinn von 1998 mussten die Zuger zweimal als Final-Verlierer vom Eis stapfen. «Bern ist das beste Team der Liga. Sie hatten schwierige Playoffs, aber sie setzten sich letztlich durch. Sie haben die Abpraller und das Glück vor dem gegnerischen Tor erzwungen», anerkannte EVZ-Trainer Dan Tangnes.

Es sei ein Reifeprozess, den sein Team durchmachen müsse. «Jetzt gilt es, die Enttäuschung in Motivation für nächste Saison zu verwandeln.» Ob er denn nicht zufrieden gewesen wäre, wenn man ihm vor seinem ersten Jahr als Headcoach in der Schweiz einen Cupsieg und einen zweiten Platz im Playoff mit dem EVZ angeboten hätte? «Würde ich so denken, wäre ich ein Verlierer», hielt Tangnes fest.

Wucht: Um es unmissverständlich zu sagen: Der EVZ lässt sich nicht mehr auf dem Eis herumschubsen wie Schülerbuben. EVZ-Sportchef Reto Kläy hat aus der inferioren Saison 2015/16 (0:4 im Viertelfinal gegen Lugano) die richtigen Lehren gezogen und der Mannschaft mehr physischen Durchsatz verpasst. Doch gegen diesen SCB reichte das noch immer nicht, weil Zug sein Spiel in der gefährlichen Zone nicht durchsetzen konnte. Darum sagte EVZ-Präsident Hans-Peter Strebel, dass die Spieler dank des OYM-Center in Cham im athletischen Bereich besser werden könnten (zentralplus berichtete).

Zwei Teams sind den Zugern auf den Fersen

Mit Blick auf die Zukunft darf man sagen: Der EV Zug ist der ambitionierteste Anwärter auf eine Mitgliedschaft bei den grossen Vier des Schweizer Eishockeys. Mit Bern hat ein Vertreter diesen elitären Zirkel gerettet. Zu diesem gehörten bis anhin die ZSC Lions, Lugano und Davos. Sie haben bisher alle Meistertitel in diesem Jahrtausend unter sich ausgemacht. Die ZSC Lions und Lugano werden sich dank der pekuniären Kraft ihrer Mäzene sportlich erholen. Aber die Bündner werden aller Voraussicht nach keine Vorreiterrolle mehr im Schweizer Eishockey einnehmen können.

Der EV Zug hat dank seines wohlbestallten Präsidenten Hans-Peter Strebel nach offiziellen Angaben viele Millionen in die Weiterentwicklung des Vereins investiert. In erster Linie in das Bauprojekt OYM in Cham, das seine Pforten Anfang 2020 öffnen und eine hochspezialisierte Athletikinfrastruktur bieten wird. Aber auch in die EVZ Academy, die den Unterbau der ersten Mannschaft garantiert.

Aber man muss auch sagen: Dem EV Zug sind der Lausanne HC, mit seinem bald neu eröffneten Hockey-Stadion, und der EHC Biel dicht auf den Fersen. Es braucht weiterhin qualitativ hochstehende Anstrengungen auf allen Ebenen, um die Prognose eines nahenden EVZ-Meistertitels von EVZ-CEO Patrick Lengwiler wahr werden zu lassen.

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