Ist der EVZ-Keeper gedanklich schon in Lausanne?

Der scheidende Goalie Tobias Stephan lässt in sein Seelenleben blicken

Bern, 11.04.2017, Eishockey Playoff NLA Final, SC Bern - EV Zoug, Zugs Torhueter Tobias Stephan (Pascal Muller/EQ Images)

(Bild: Pascal Muller)

Der Bessere ist der Feind des Guten. Auf den EVZ bezogen heisst das: Obwohl Tobias Stephan das Niveau auf der Torhüterposition in den letzten vier Jahren auf ein höheres Level gehoben hat, muss er nächste Saison Leonardo Genoni Platz machen. Es gilt zwar weiterhin: Auf Stephan ist Verlass. Doch wie sieht es tief in ihm drin aus?

Ein Moment, wie geschaffen für einen grossen Goalie. David gegen Goliath. Das Zuger Rumpfteam, dem mit den drei Ausländern David McIntyre (Topskorer), Garrett Roe und Viktor Stålberg als auch den Schweizern Raphael Diaz (Captain), Dario Simion und Tobias Fohrler sechs Stammkräfte fehlen, gegen den selbstbewussten Leader aus Biel. Und wer hat gewonnen?

Klar doch, der EVZ (4:2). Dank Leidenschaft, Solidarität – und Tobias Stephan. Ohne Topgoalie wäre der sechste Sieg im zehnten Saisonspiel und Platz 5 in der Tabelle unerreichbar gewesen. «Ein Riesensieg, eine echte Charakterleistung des Teams», sagte der Zürcher voller Stolz.

Um die Aussage richtig einordnen zu können: Stephan kam in über 700 Spielen in der höchsten Schweizer Liga (Chur, Kloten, Servette, Zug) zum Einsatz. Dazu stand er elfmal in der NHL für die Dallas Stars auf dem Eis; vertrat die Schweiz an vier Weltmeisterschaften.

Die Parallelen zwischen Stephans und Genonis Transfer

Vor allem aber hat sich der 34-Jährige nicht hängen lassen. Er hätte seine Karriere gerne in Zug fortgesetzt und vielleicht auch beendet. Aber vor seinem letzten Jahr der Zusammenarbeit mit dem EVZ kam heraus: Die Klubführung ersetzt Stephan ab 2019 durch Leonardo Genoni (31).

«Es bedeutet privat eine grosse Veränderung.»

Tobias Stephan, Goalie EV Zug

Vielleicht der grösste Transfer der Vereinsgeschichte – aber ein arger Dämpfer für den bisherigen Rückhalt. Es war wohl ein Wink mit dem Zaunpfahl des Schicksals. Auch Stephans Zuzug zum EV Zug damals wurde eine Saison vor dem eigentlichen Transfer (ab 2014) bekannt.

Die Zukunft rasch geregelt

Doch der Routinier machte beruflich schnell klar Schiff: Noch vor dem ersten Puckeinwurf der laufenden Saison einigte er sich mit dem derzeit strauchelnden Lausanne HC auf einen Dreijahresvertrag. Zum ersten Mal überhaupt gab Stephan einen kurzen Einblick in seine Gefühlswelt. Gegenüber zentralplus sagte er: «Auf dem Eis beeinflusst mich die Geschichte wegen Genoni nicht.» Aber daneben schon? «Ja, weil es privat eine grosse Veränderung bedeutet.» Mit seiner noch jungen Familie wird er wieder zurück an den Genfersee zügeln.

Torhüter Tobias Stephan gehört zu den unumstrittenen Schlüsselspielern beim EVZ. Doch die goldenen Jahre des 34-Jährigen werden nicht mehr ewig andauern.

Vom Zugersee zurück an den Genfersee: Tobias Stephan.

(Bild: EVZ/Felix Klaus)

Und was bedeutet der im nächsten Frühjahr bevorstehende Wechsel für die Zuger? Zum Glück nichts Negatives. Stephan wird nach bestem Wissen und Gewissen kein «Schlufi» werden in der laufenden Spielzeit. Das verbietet ihm seine Professionalität, sein Charakter. Auch wenn nun nicht auszuschliessen ist, dass er mal einen «Haltbaren» kassieren wird.

Solide wie eh und je

Ein Blick auf die aktuelle Statistik bestätigt dies: Stephan hält das, was er in den letzten Jahren gehalten hat. Seine aktuelle Fangquote von 92,67 Prozent vor dem Heimspiel gegen die punktgleichen SCL Tigers (Freitag 19.45 Uhr, Bossardarena) bedeutet ligaweit zwar nur Platz 9. Aber das liegt in einem zulässigen Mittel von 0,2 Prozent während seiner vier vorangegangenen Qualifikationen mit dem EV Zug. Nur einmal, in seiner zweiten Saison, lag Stephan mit 91,5 Prozent unter der Norm.

«Was war und meine berufliche Situation betrifft, nehme ich nicht ins Stadion mit.»

Tobias Stephan

Man muss dazu sagen: Ein Goalie mit einer Abwehrquote von 92 und mehr Prozenten ist zumindest ein guter. Und bereitet keine Sorgen.

Die fehlenden Trophäen

Und doch sind wir damit beim «Problem» von Stephan angelangt. Er war über Jahre einer der besten Torhüter der Schweiz. Aber kein Meistergoalie. Er hat noch kein Team zu Titelehren führen können. Das zeigt auch seine Playoff-Statistik in seiner bisherigen Zusammenarbeit mit dem EVZ: Seine beste Abwehrquote lautete 92,2 Prozent, als seine Farben 2016/17 zum ersten Mal seit 1998 in den Final vorstiessen. Davor und danach blieben seine Werte allerdings darunter. Zu wenig für einen, der Meister werden will und kann.

Mit Genoni (Vertrag bis 2024) wird nun ein echter Meistergoalie (2009, 2011 und 2015 mit Davos; 2017 mit Bern) und ein WM-Silberheld von 2018 nach Zug kommen. Ist das nun der entscheidende Schritt des EVZ zum zweiten Meistertitel?

Selbstvertrauen ist intakt

Statistisch möchte man es annehmen. Stand heute: Hinter Servettes aufstrebendem «No-Name» Gauthier Descloux (96,17 Prozent) liegt Genoni aktuell auf Platz 2 (95,35 Prozent) der National League. Stephan will das bisher nicht im Geringsten gekümmert haben. Er sagte: «Ich fühle mich gesund und habe gutes Selbstvertrauen.» Er brauche auch keine zusätzliche Motivation: «Was war und meine berufliche Situation betrifft, nehme ich nicht ins Stadion mit.»

Das mag man ihm gerne glauben. Die Wahrheit wird die nächsten Monate weisen. Mit einer vielleicht ganz grossen Chance für Stephan.

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