Zuversicht in Zeiten defensiver Ohnmacht

In der Abwehr gleicht der FCL einem Hühnerhaufen

Unter den Augen von René Weiler kämpft Nicolas Ngamaleu (YB) gegen Pascal Schürpf und Silvan Sidler (beide Luzern).

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Gut für René Weiler: In den beiden «Testspielen» in dieser Woche kann sich der FCL-Trainer auf die vordringliche Aufgabe konzentrieren, das Abwehrverhalten seiner Mannschaft zu stabilisieren. Weil das bisweilen erschreckend schwach ist, kommt der FC Luzern nicht in die Gänge.

Testspiele? Ja, das Heimspiel am Donnerstag (19.30 Uhr, Swissporarena) in der dritten Runde der Europa-League-Qualifikation gegen Olympiakos Piräus ist für die Luzerner nach dem 0:4 im Hinspiel zu einem Freundschaftsspiel unter Wettkampfbedingungen verkommen.

«Für uns sind das zwei Teams ausser Reichweite», sagt FCL-Trainer René Weiler am Sonntag nach dem 2:3 gegen Meister YB und der dritten Niederlage im vierten Meisterschaftsspiel. «Olympiakos und YB spielen auf etwa gleich hohem Niveau. Nur war es gegen Bern offener.» Seine Spieler müssten schnell lernen, um es eines Tages auf dieses Niveau zu schaffen, merkte er an.

Der zweite Test findet am nächsten Sonntag in der Westschweiz statt. Der Zweitligist Gland erwartet den FCL zur ersten Hauptrunde des Schweizer Cups und steht wohl vor der gleich grossen Herausforderung, wie wenn sich Weilers Team mit Olympiakos oder YB messen will. Das muss zumindest Luzerns Anspruch sein.

Die Zuversicht des FCL-Präsidenten …

Im schattigen Teil der Swissporarena, die sich am Sonntagnachmittag schon schön aufgeheizt hatte, machte sich FCL-Verwaltungsratspräsident Philipp Studhalter in den Minuten vor dem dritten Heimspiel gegen den Meister aus Bern daran, ein erfreuliches Bild von der Zukunft seines Vereins zu zeichnen. Die «Zuversicht» machte er dabei zum zentralen Wort seines Votums. Zuversicht, «was die Entwicklung des Teams und die wirtschaftliche Zukunft des Klubs betrifft», erfülle ihn.

Aus dem Bild, das der FC Luzern beim fünften Ernstkampf in der noch jungen Saison abgeben sollte, ist Studhalter damit nicht gefallen. Die 9993 Zuschauer, die der FCL gegen YB in der Swissporarena zählen durfte, waren eine deutliche Steigerung gegenüber der Heimpremiere gegen Xamax (8905) und dem bislang einzigen Sieg gegen Lugano (7815). Aber 10’000 Nasen pro Heimspiel müssen es schon sein, um das Budget einhalten zu können. Der Meister ist zwar nicht Gast bei jedem Heimauftritt, allerdings regiert auch nicht immer Ferienzeit.

«Wir müssen im Kopf schneller werden.»

René Weiler, Trainer FC Luzern

Und wenn Studhalter an die Leistung der Luzerner in der zweiten Halbzeit denkt, wird ihm das Herz in der Brust gehüpft sein. Erst der Ausgleich zum 1:1, dann die Verkürzung zum 2:3, als eine vorab in der ersten Halbzeit einseitig verlaufene Partie schon längst einer Entscheidung zugeführt schien. «Wir sind mutiger, zielstrebiger geworden», bemerkt René Weiler nach Spielende. Und als der FCL-Trainer angesichts seiner realistischen und nüchternen Art fast schon überschwänglich zuversichtlich wird, als er sagt, er habe auch Fortschritte gesehen, so lässt er doch folgen: «Wir müssen im Kopf schneller werden.»

… und die wichtigste Aufgabe des Trainers

Damit hat Weiler Recht. Ganz und gar ohne jeden Zweifel. Vor allem bei der Aufräumarbeit in der eigenen Platzhälfte. Sein Team hat jeweils gegen Aufsteiger Xamax, Thun und Lugano zwei Gegentore kassiert, gegen YB drei und im kleinen Vorhof zur Europa-League-Gruppenphase deren vier gegen Olympiakos – das sind 13 Gegentore in fünf Ernstkämpfen. Stoff für einen Horrorfilm.

Klar, gegen YB machte FCL-Innenverteidiger Marvin Schulz beim 0:1 und erst recht 1:2 einen schlechten Eindruck. Die Situation, die fünf Spielminuten nach dem Ausgleich zum abermaligen Rückstand führte, «kann ich mir nicht erklären», so Weiler, «weil zwei Verteidiger ihren Job nicht machten». Bleibt noch die Frage, warum Goalie Mirko Salvi schon frühzeitig auf einen Querpass des späteren Torschützen Nicolas Ngamaleu spekulierte und den Winkel nicht rechtzeitig verkürzte.

Abwehrarbeit beginnt im Sturm

Wichtig in diesem Kontext: Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Nicht um Schulz. Den früheren Bundesliga-Spieler darf man nicht zum Alleinschuldigen für die Luzerner Abwehrprobleme stempeln. Das wäre zu simpel. Die Unzulänglichkeiten gehen tiefer, weil Schulz ja zum ersten Mal überhaupt in der griechischen Hafenstadt zum Einsatz gekommen ist.

«Es ist wohl ein Mix von allem, der nicht ganz stimmt.»

Yannick Schmid, FCL-Verteidiger

Die Abwehrarbeit, so propagieren es grosse Trainer, beginnt im Sturm. Die Stabilisierung der Abwehrarbeit und die Balance zwischen Offensive und Defensive war die Basis zum Höhenflug der Luzerner im Frühjahr 2018 unter dem aktuellen YB-Trainer Gerardo Seoane.

Ordnung trainieren

Warum ist das offensichtlich verloren gegangen mit Beginn dieser Meisterschaft? «Eine schwierige Frage», findet Yannick Schmid und überlegt sich eine Antwort. Also sei derweil eine Zwischenfrage erlaubt: Liegt es am System, an der Solidarität, an der klaren Ordnung? Der 23-Jährige entgegnet: «Es ist wohl ein Mix von allem, der nicht ganz stimmt. Wir müssen sauber zusammenstehen und den unbedingten Willen zeigen, schon im Training kein Gegentor zu kassieren.»

Schmid weiss nur zu genau, wie «ärgerlich» zwei der drei Gegentore gegen YB gewesen seien. «Das müssen wir in Zukunft besser verteidigen», sagt er.

Offensiv klappt’s schon recht gut

Klar ist auch: Weiler muss jetzt wissen, was zu tun ist. Defensive Stabilität muss für jeden fähigen Cheftrainer, wie der Winterthurer zweifellos einer ist, leichter zu organisieren sein als offensive Harmonie in Sachen Kreativität und Laufwege. Die klappen schon recht gut.

In dieser Woche bekommt Weiler nun zwei Testspiele vor dem nächsten Ernstkampf in St. Gallen. Gegen Ende August muss die Zuversicht der FCL-Verantwortlichen mit der fehlenden defensiven Stabilität in Einklang zu bringen sein.

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