Ein Krienser wacht über alle Schweizer Fussballer

Verbands-Direktor: «Ich posaune keine WM-Ziele heraus»

Der Technische Direktor des SFV, Laurent Prince.

(Bild: pze)

Der Krienser Laurent Prince kümmert sich um Breitensportler, Trainer, Schiris und Junioren im Schweizer Fussball. Lobende Worte hat er für den FCL, kritische für überstürzte Trainer-Entlassungen. Der Videobeweis wird auch in der Schweiz kommen, sagt Prince. An der WM in Russland wird er sich ein Bild davon machen.

Bald spielt die Schweizer Nationalmannschaft um Captain Stephan Lichtsteiner und den «Mann aus Sursee» Haris Seferovic in Russland um den Weltmeistertitel. Vor Ort wird auch Laurent Prince sein. Der 48-jährige Krienser ist Technischer Direktor des Schweizerischen Fussballverbands (SFV).

Zu seinem Job gehört der Überblick über sechs Bereiche: die Trainerausbildung, der Breitenfussball, die nationalen Auswahlen, das Schiedsrichterwesen, die Nachwuchsförderung und der Frauenfussball. Bevor der gebürtige Jurassier nach Russland fliegt, treffen wir ihn zum Gespräch.

zentralplus: Laurent Prince, Sie waren kürzlich in England an der U17-Europameisterschaft und verfolgten die zukünftigen Schweizer Fussballstars. Wie steht es um unsere Jugend?

«Wir sollten nicht so tun, als ob wir jedes Jahr Weltmeister würden. Da würden wir uns selbst belügen.»

Laurent Prince: Es ist immer spannend, sich mit der europäischen Elite zu messen. Was ich von unseren Jungs gesehen habe, zeigt, dass wir mit unserer Ausbildung auf der Höhe der Allerbesten sind und nach wie vor mitspielen können.

zentralplus: Wenn Sie sagen, wir können uns mit den Besten messen: Gehört die Schweiz nicht mehr zu den Besten? Schliesslich waren wir 2009 U17-Weltmeister.

Prince: Aufgrund von Potenzial und Menge an Junioren müssen wir immer darum kämpfen, ganz oben dabeibleiben zu können. Ich sage immer: Wir sollten nicht so tun, als ob wir jedes Jahr Weltmeister würden. Da würden wir uns selbst belügen.

zentralplus: Die Schweizer Junioren wurden in die Krise geschrieben, man fiel aus den Top 20 sowohl bei U17 wie bei U21 – ist die Tendenz nicht beunruhigend?

Prince: Ich weiss nicht, woher diese Idee der Krise kommt. Wir sind auf Augenhöhe mit den Topteams und wir weisen viele Erfolge aus, auf die man stolz sein kann. Das Aus an der U17-Europameisterschaft geschah aufgrund eines einzigen Tores, dafür schlug das von Stefan Marini gecoachte Team beispielsweise das topgesetzte Heimteam England. Die U18 und die U20 schlugen in den letzten Wochen Italien und die U21 Frankreich.

zentralplus: Wenn Sie sagen, Sie weisen viele Erfolge aus – was heisst das konkret?

Prince: Die A-Nationalteams der Männer wie Frauen haben sich für die letzten fünf Grossturniere in Folge qualifiziert. Das ist auch passiert, weil immer wieder gute Nachwuchsspieler den Sprung in die Nationalmannschaften schaffen. Das Talentmanagement und das Heranführen von jungen Spielern in diese Teams hat hervorragend geklappt.

Zur Person

Laurent Prince durchlief als junger Fussballspieler alle Stufen der Ausbildung beim FC Luzern bis zur U23. Als Aktiver und Trainer war er in verschiedenen Zentralschweizer Vereinen aktiv. Er leitete die Sportschule Kriens, war Nachwuchschef des FC Luzern und leitete das Projekt Team Innerschweiz. Vor der Übernahme der Leitung der technischen Abteilung war er zwei Jahre Chef des Ressorts Spitzenfussball beim SFV. Er ist verheiratet, hat zwei Töchter und wohnt in Kriens.

zentralplus: Bei Ihrem Amtsantritt vor dreieinhalb Jahren sagten Sie, dass die zunehmende Abwanderung der jungen Spieler ins Ausland gefährlich sei, weil die Schweizer Vereine das Interesse an der Jugendausbildung verlieren könnten. Hat sich dieser Eindruck erhärtet?

Prince: Wir versuchten, diese Entwicklung zu entschärfen. Wir haben in der Schweiz 13 Klub-Partnerschaften mit acht Leistungszentren geschaffen, eines davon auch in Luzern. Dort haben Schweizer Vereine einen Ort, wo sie die besten Spieler fertig ausbilden können. In diesen Gefässen muss eine Professionalisierung stattfinden, sonst fegen uns die Akademien aus dem Ausland unsere Nachwuchszentren leer.

zentralplus: Pasquale de Simone vom FC Luzern hat gegenüber zentralplus kürzlich gesagt, es gebe ein «Gentlemen’s Agreement», dass sich die Super-League-Teams junge Spieler nicht gegenseitig wegkaufen. Stimmt das?

Prince: Bis und mit Abschluss der Oberstufe ist das sicherlich sinnvoll. Danach ist eine Marktreglementierung zwar ein schöner, romantischer Gedanke, in der Realität aber schwer umzusetzen.

zentralplus: Der FC Luzern hat stark in die Jugendarbeit investiert. Wie nimmt man die Arbeit in Luzern auf nationalem Niveau wahr?

Prince: Ich finde es toll, dass diese Taktik so gut aufgeht. Die vielen jungen Spieler, die in der ersten Mannschaft integriert sind, zeigen die gute Arbeit des FCL im Nachwuchs. Und ich bewundere auch, dass man den Mut und die Überzeugung hatte, auf einen eigenen, jungen Trainer zu setzen. Es freut mich, dass dieser Mut mit Erfolg belohnt wurde.

«Im Schweizer Fussball herrscht oft ‹Rock ’n› Roll›, das bringt die 10er-Liga mit sich.»

zentralplus: Wie steht der FCL im nationalen Vergleich da in Sachen Jugendförderung?

Prince: Es ist nicht meine Aufgabe, ein Ranking herzustellen. Nur so viel: Damit passieren kann, was beim FCL gerade geschieht, braucht es viel Kompetenz auf allen Stufen der Nachwuchsförderung. Vor allem der sogenannte Talentveredelungsprozess gelingt dem FCL sehr gut.

zentralplus: Was beinhaltet dieser Talentveredelungsprozess?

Prince: Dabei geht es um die letzten Jahre der Ausbildung und vor allem darum, dass die Talente den Sprung in die erste Mannschaft des Vereins schaffen. Das Ziel ist, dass ein Spieler, bevor er weiterverkauft wird, 30 bis 60 Spiele in der Startformation eines Super-League-Teams steht. Dann sollte der Talentveredelungsprozess abgeschlossen sein.

«Wir sind auf Augenhöhe», sagt Prince über die Schweizer Junioren.

«Wir sind auf Augenhöhe», sagt Prince über die Schweizer Junioren.

(Bild: pze)

zentralplus: Sie haben auch den abtretenden FCL-Trainer angesprochen. Gerry Seoane steht für den neuen Trainertyp, jung und gut ausgebildet. Doch die Schweiz ist für Trainer ein hartes Pflaster: Ausser YB hatten am Saisonende alle Teams der Super League einen anderen Trainer als noch letzte Saison. Das Karussell dreht sich enorm schnell. Hat die Schweiz ein Vertrauensproblem gegenüber ihren Trainern?

Prince: Ich ziehe gerne den Vergleich zum Eishockey-Natitrainer Patrick Fischer: Nach dem Olympia-Out wurde er als Fehlbesetzung betitelt – man hat ihm beim Verband aber das Vertrauen geschenkt, und nun wurde er beinahe Weltmeister. Im Schweizer Fussball herrscht oft «Rock ’n› Roll», das bringt die 10er-Liga mit sich. Ein paar schlechte Spiele und man spielt gegen den Abstieg. Da steht man schnell in der Kritik, ist aber oft auch schnell wieder aus der Schusslinie. Der Trainer muss mit diesen Gegebenheiten umgehen lernen. In der Ausbildung machen wir ihnen klar: Wer ins Feuer will, darf keine Angst vor der Hitze haben.

«Es ist meiner Meinung nach einer der grössten Irrglauben im Schweizer Fussball, wenn man glaubt, hier sei sehr viel Geld vorhanden.»

zentralplus: Aber dennoch ist der Verschleiss von Trainern enorm hoch.

Prince: Schaut man die Qualität unserer Trainer an, sind wir unglaublich gut aufgestellt. Wir haben eine gute Mischung aus Jungen mit guter Ausbildung und älteren, erfahrenen «Schlachtrössern». Seitens des Verbandes ist wichtig: Wenn ein Klub einen Trainer sucht, so haben wir gute Voraussetzungen, dass ein Schweizer Trainer die Aufgabe übernehmen kann.

zentralplus: Es mutet schon komisch an, wenn ein Verein wie Sion gleich mehrere entlassene Trainer auf seiner Gehaltsliste hat – scheinbar spielt das Geld bei den Klubs eine eher kleine Rolle?

Prince: Ich wehre mich gegen diese Ansicht. Es ist meiner Meinung nach einer der grössten Irrglauben im Schweizer Fussball, wenn man glaubt, hier sei sehr viel Geld vorhanden. Man hört von diesen immensen Summen, die international bezahlt werden, und schliesst damit auf das Lokale, aber viele Klubs hier haben ein vernünftiges Budget.

zentralplus: Zurück zur Männer-WM, die bald stattfindet. In Russland wird kein Schweizer Schiedsrichter vor Ort sein. Auch die Ausbildung der Unparteiischen ist Ihnen unterstellt. Wo hapert’s bei unseren Schiedsrichtern?

Prince: Mit der umgesetzten Teil-Professionalisierung wurde ein grosser Schritt gemacht, den internationalen Anschluss wieder herzustellen. Das wird nicht von heute auf morgen zu signifikanten Änderungen führen, aber wir spüren schon nach einem halben Jahr, dass dieser von der Swiss Football League stark mitgetragene Entscheid ein sehr fruchtbarer ist.

zentralplus: Kommt der Videobeweis in der Schweiz?

Prince: Ja, der kommt früher oder später.

«Es ist nicht die Aufgabe des Technischen Direktors, Resultatziele vor einer WM hinauszuposaunen.»

zentralplus: Kann man sagen, wann?

Prince: Sicher nicht schon nächste Saison. Aber in naher Zukunft.

zentralplus: Der Videobeweis führt immer wieder zu Diskussionen, auch weil trotz Wiederholungen immer wieder Fehler passieren. Lässt man die ausländischen Ligen die Kinderkrankheiten ausmerzen und übernimmt dann ein funktionierendes System?

Prince: Wir versuchen, in vielen Bereichen innovativ zu sein und auch Pionierarbeit zu leisten. Im Bereich Videobeweis beobachten wir intensiv, welche Erfahrungen damit gemacht werden. Es ist immerhin eine umfassende Investition, die man sich gut überlegen muss.

zentralplus: Noch mal zurück zur Nati: Wie weit kommt die Schweiz an der Weltmeisterschaft in Russland?

Prince: Da will ich keine Prognose wagen.

zentralplus: Was sind denn die Ziele des Verbandes?

Prince: Wir werden gut vorbereitet und ambitioniert ans Turnier gehen. Es ist jedoch nicht die Aufgabe des Technischen Direktors, Resultatziele vor einer WM hinauszuposaunen. Meine Aufgabe liegt darin, die Spiele technisch zu analysieren und die Lehren daraus zu ziehen. Die WM ist sehr geeignet für eine Analyse, weil man den direkten Vergleich mit anderen Ländern hat. Die Ergebnisse werden dann in die Aus- und Weiterbildung unserer 8500 Trainerinnen und Trainer und in die Entwicklung der Spiel- und Ausbildungsphilosophie einfliessen – und dadurch versuchen wir, noch besser zu werden.

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