Immer mehr Zuger Vereine spielen auf Kunstrasen

Die Revolution von unten – auf dem Fussballplatz?

Hinten liegt noch Schnee: Kein Problem für einen Kunstrasenplatz – er ist trotzdem bespielbar. Vor allem die vielen Jugendspieler im Kanton Zug profitieren von den Kunstrasenplätzen.

(Bild: woz)

In der Schweizer Super League kicken derzeit erst zwei Vereine auf Kunstrasen. In den unteren Ligen ist Kunstrasen als Spielunterlage für viele Mannschaften längst Alltag. Und immer mehr Vereine frönen dem schnellen Spiel auf der wetterfesten Unterlage. Künftig auch der FC Rotkreuz. Martin Andermatt, Ex-Young Boys-Trainer aus Baar, kennt die Vorteile des Kunstrasens bestens.

Zugs Boom-Town Rotkreuz ist offiziell der grösste Ortsteil der Gemeinde Risch. Die Gemeinde platzt längst mit nunmehr über 10’000 Einwohnern aus allen Nähten. Auch der FC Rotkreuz merkt den Bevölkerungsanstieg – was nun im Bau eines Kunstrasenplatzes resultiert.

«Wir können durch den neuen Kunstrasenplatz früher im Frühjahr mit dem Training starten und im Herbst länger draussenbleiben», erklärt Claudio Carbone, Präsident des FC-Rotkreuz. Das bedeute, man erhöhe zum einen nicht nur die Spielfrequenz auf ein und demselben Platz. Man müsse auch weniger Spiele wegen schlechter Witterung und unbespielbaren Bodens absagen. 

Doch die schlechte Witterung, sprich: verschneite und vom Regen durchweichte Fussballplätze hat es schon früher gegeben. Nirgends ist deswegen der Fussballbetrieb zusammengebrochen. Die Sache mit der Frequenz- beziehungsweise Kapazitätserhöhung dank der Kunstrasenplätze beschert den Fussballvereinen indes völlig neue Perspektiven.

«Fussball ist einfach der Ballsport Nummer eins für die Kids.»

Claudio Carbone, Präsident FC Rotkreuz

Denn dank des künstlichen Rasens können mehr Mannschaften draussen trainieren – das betrifft vor allem die vielen Junioren. «Wir haben derzeit 260 Junioren, die bei uns kicken», verrät Carbone. Und es werden trotz Warteliste immer mehr. «Fussball ist einfach der Ballsport Nummer eins für die Kids.» Wobei Carbone einräumt, dass der FC Rotkreuz einer der letzten Vereine im Innerschweizerischen Fussballverband sei, der bisher noch nicht auf Kunstrasen spiele. Carbone: «Ich selbst kicke aber nach wie vor lieber auf natürlichem Rasen – wegen des Geruchs.»

Der FC Baar hat auch zahlreiche Kunstrasenplätze – diese wurden dieses Jahr sogar erstmals saniert.

Der FC Baar hat auch zahlreiche Kunstrasenplätze – diese wurden dieses Jahr sogar erstmals saniert.

(Bild: zvg)

FC Walchwil als einiziger Zuger Fussballklub ohne Kunstrasen

In der Tat sind im Kanton Zug fast alle Vereine inzwischen mit Kunstrasen ausgestattet: Zug 94, FC Baar, SC Menzingen, SC Steinhausen, FC Ägeri, FC Hünenberg. Auch der am höchsten klassierte Fussballklub im Kanton Zug, der SC Cham, hat Kunstrasenplätze. Und nun bekommt eben noch der FC Rotkreuz einen Platz mit künstlichen Grashalmen. Einzig beim FC Walchwil auf dem Lienisberg wird ausschliesslich auf Rasen gespielt. Nicht zuletzt, weil die Anlage hoch über dem Zugersee räumlich begrenzt ist.

Will heissen: Es gibt in den Vereinen nach wie vor noch einen Hauptplatz beziehungsweise ein Stadion mit richtigem Rasen für die Ligaspiele. Daneben wird auf Kunstrasen trainiert, und viele Jugendspiele finden auf dem künstlichen Geläuf statt. Im Innerschweizerischen Regionalverbandsgebiet wird inzwischen auf rund 40 Kunststoffrasenspielfeldern gekickt. Andererseits: Rund 45 Vereine besitzen noch keinen Kunststoffrasen.

«Fussball wird einfach immer mehr zur Ganzjahressportart.»

Marco von Ah, Leiter Kommunikation und Medien, SFV

«Fussball wird einfach immer mehr zur Ganzjahressportart», sagt erklärt Marco von Ah, Leiter Kommunikation und Medien beim Schweizerischen Fussballverband (SFV). Die Wintermonate könnten auf Kunstrasenplätzen besser, intensiver genutzt werden, sei es für Trainings oder allenfalls für den Spielbetrieb. «Oder ganz prägnant auf den Punkt gebracht: Es kann mehr Fussball gespielt werden.»

Weniger Zweikämpfe, schnelleres Spiel

Doch welche Konsequenzen hat das Spiel für den Fussball selbst, wenn Tausende von Jugendlichen heutzutage immer öfter auf Kunstrasen kicken?

Der Ball läuft schneller und exakter als auf Gras: Ein Kunstrasen zeitigt spielerische Fortschritte.

Der Ball läuft schneller und exakter als auf Gras: Ein Kunstrasen zeitigt spielerische Fortschritte.

(Bild: flickr.com)

«Das technisch saubere Spielen mit richtigem Laufverhalten wird gefördert», versichert Marco von Ah. Das bringe auch mit sich, dass man bei hohem Tempo und unter Druck im richtigen Augenblick die richtigen Entscheidungen zu fällen lerne.

Gelenk- und Sehnenbelastungen: Aber keine speziellen Kunstrasen-Verletzungen

«In der Tendenz nehmen die Anzahl Zweikämpfe, Mann-gegen-Mann-Duelle, so genannte Eins-gegen-eins-Situationen ab», so von Ah. Darum müsse man in anderen Spielformen das spezifische Verhalten in solchen Situationen trainieren und schulen, «da ja nicht alle Meisterschafts- oder Cup-Spiele auf Kunstrasen ausgetragen werden, und die entsprechenden Qualitäten gefordert sind.»

Das heisst, einerseits wird der Fussball auf allen Ebenen, vom Jugendfussball bis zur Super League, schneller und passgenauer. Andererseits muss das man körperliche Spiel, Mann gegen Mann, separat trainieren.

«Ich selbst kicke nach wie vor lieber auf natürlichem Rasen – wegen des Geruchs.»

Claudio Carbone, Präsident FC Rotkreuz

Und doch gefällt noch nicht allen das Spiel auf Kunstrasen. Claudio Carbone vom FC Rotkreuz bekennt: «Ich selbst kicke nach wie vor lieber auf natürlichem Rasen – wegen des Geruchs.» Andere fürchten starke Gelenk- und Sehnenbelastungen auf dem künstlichen Geläuf.

Dennoch gibt es offenbar keine Auffälligkeiten betreffend spezifischen Verletzungen infolge des Spiels auf Kunstrasen. «Verbrennungen gehören fast schon ganz der Vergangenheit an, da die Beschaffenheit von Kunstrasenplätzen nicht mehr an Teppichböden erinnert, sondern an Naturrasenplätze», erklärt Marco von Ah.
 

Das Stade de Suisse in Bern: Momentan spielen erst zwei Teams in der Super League auf Kunstrasen. Aber das könnte sich in Zukunft ändern.

Das Stade de Suisse in Bern: Momentan spielen erst zwei Teams in der Super League auf Kunstrasen. Aber das könnte sich in Zukunft ändern.

(Bild: zvg)

Das Kicken auf Kunstrasen könnte also in Zukunft dank seiner positiven Eigenschaften den Fussball nicht nur im Kanton Zug, sondern weltweit revolutionieren – weil Fussball eben fast keine Witterungspausen mehr kennt. Und weil Kunstrasen das Spiel noch egalitärer macht in geographischen Breiten, wo es zu viel oder zu wenig regnet.

Ganz zu schweigen davon, dass der natürliche Rasen in den modernen Mega-Fussballarenen dieser Welt sowieso immer öfter ausgewechselt werden muss – weil die Qualität aufgrund des Lichtmangels zu wünschen übrig lässt. Sprich: die natürlichen Halme rotten vor sich hin. Und die Stadionrasen müssen ja deshalb oft mehrmals pro Saison durch neuen Rollrasen ersetzt werden.

«Kunstrasen macht das Spiel sicherlich schneller und die Spieler werden direkter angespielt.»

Martin Andermatt, Hannover 96

Gibt es also eine fussballerische Revolution infolge des Kunstrasens – dank seiner Witterungstauglichkeit und dank seiner Möglichkeiten, den Fussball schneller zu machen und technisch zu verbessern? Der gebürtige Baarer Martin Andermatt, Ex-Bundesligacoach beim SSV Ulm 1846 und bei Eintracht Frankfurt, kennt die Spielverhältnisse auf Kunstrasen aus dem EffEff. Kein Wunder. Trainierte er doch die Young Boys erfolgreich zweieinhalb Jahre lang, die ja im Berner Stade de Suisse auf Kunstrasen spielen und die nun aktuell sogar Tabellenführer in der Super League sind.

«Kunstrasen macht das Spiel sicherlich schneller und die Spieler werden direkter angespielt», ist Andermatt überzeigt. Der 55-Jährige trainierte zuletzt Zug 94 und ist jetzt beim Bundesligisten Hannover 96 im Sport-Management tätig ist. Der Fussball werde durch Kunstrasen sicher in eine andere Richtung verändert. «Wir haben bei YB auch keine Verletzungen gehabt infolge des Kunstrasens», lobt Andermatt das künstliche Geläuf.

Martin Andermatt im YB-Kunstrasenstadion.

Martin Andermatt im YB-Kunstrasenstadion.

(Bild: zvg)

Gleichzeitig betont Andermatt, dass man bei YB spezielles muskuläres Training habe anordnen müssen, um die Standfestigkeit und die körperliche Belastbarkeit der Spieler auf dem künstlichen Untergrund zu erhöhen. «Das Spiel auf Kunstrasen ist aber unterm Strich ein anderes Spiel.» Und es sei eben nicht gesichert, dass das schnelle Spiel auch das genauere Spiel sei.

«Vor allem ist das Spiel eben nicht so natürlich wie auf Rasen – denn die Profis schmecken schon noch gerne den Rasen», sagt Andermatt. Er ist sich sicher, dass gerade in warmen Ländern wie Spanien und Italien natürlicher Rasen in den Stadien in Zukunft immer die Nummer eins bleiben werde. «Es wäre viel zu heiss, bei 30 Grad Aussentemperaturen und mehr auch noch auf dem sich stark erwärmenden Kunstrasen zu spielen.» Last, but not least, dürfe man nicht vergessen, dass auch Kunstrasen regelmässig bewässert und gepflegt werden müsse: «Sonst spielt man sehr schnell auf einem schlechten Platz.»

So soll der neue Rotkreuzer Sportpark aussehen

Es wird ein Kunstrasenplatz in Rotkreuz entlang der Buonaserstrasse gebaut. «Dieser soll im Sommer 2018 fertiggestellt sein», sagt Rischs Gemeindepräsident Peter Hausherr. Nördlich des neuen Kunstrasenplatzes stehe als Restfläche weiterhin eine grosse Trainingswiese zur Verfügung. Der Hauptplatz wird im 2019 saniert. Die Ausführung erfolge mit einer Flächendrainage und einem normierten Bodenaufbau. Der Gesamtkredit beträgt 3,85 Millionen Franken. Der FC Rotkreuz leistet einen Beitrag von 200’000 Franken. Hausherr: «Insgesamt kann so die Nutzungskapazität für den Verein deutlich erhöht werden, insbesondere im Frühling und Herbst.»
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