Auf Souvenirjagd im Kleinfeld

Die Krienser weiden ihr Stadion aus

Bevor das Stadion Kleinfeld in Kriens abgebrochen wird, durften Souvenirjäger ran. Gross und Klein haben sich ihre Trophäen gesichert.

(Bild: pbu)

Die Tage des Krienser Kleinfelds sind gezählt. Bald fahren die Bagger auf und machen das Stadion dem Erdboden gleich, um Platz für einen Neubau zu schaffen. Vorher war aber noch Souvenirjagd angesagt. Am Samstag durfte abgeschraubt, zersägt und mitgenommen werden, was das Kleinfeld hergab. Die Fans des SC Kriens sind gekommen – der grosse Ansturm blieb allerdings aus.

«Darf ich mir kurz deinen Schraubenzieher leihen? Ich habe meinen dummerweise zuhause liegen gelassen.» Es herrscht eine familiäre Stimmung an diesem Samstagmorgen im Stadion Kleinfeld in Kriens. Man kennt sich und hilft sich gegenseitig aus. «Selbstverständlich kannst du den borgen. Nein, warte, ich geh dir gleich zur Hand. Welchen Sitz hast du dir denn ausgesucht?»

Ausgerüstet mit grossen Taschen, dicken Mänteln und mit allerlei Werkzeug, sind rund zwei Dutzend Fans dem Ruf des SC Kriens gefolgt. Das Quecksilber im Thermometer vermag die Null-Grad-Grenze knapp nicht zu nehmen. Dicker Nebel hängt über dem Kleinfeld. Die Szenerie wirkt etwas verschlafen.

Nostalgische Düfte und meditierende Fans

Erste Anlaufstelle ist die Verpflegungsstation. Bratwürste, Bier und Kaffee stillen nicht nur Hunger und Durst, sondern wärmen auch von innen und fungieren obendrein als eine Art moralische Stütze. Denn hier trifft man Gleichgesinnte. Eingefleischte Fans, deren Beziehung zum Kleinfeld mitunter schon mehrere Jahrzehnte währt. Nostalgie-Schwaden vermischen sich mit Grilldüften.

Es wird gefachsimpelt und in Erinnerungen geschwelgt. Einige der Fans setzen sich mit Wurst und Bier auf die Tribüne. Sie schweigen und blicken andächtig auf das Feld. Vor dem inneren Auge rennen wohl gerade die Spieler des SC über den Platz und bieten einem der grossen Clubs Paroli. Sie beschwören nach rund 50 Jahren ein letztes Mal den Geist des Kleinfelds – wenn auch nur ideell.

Krienser Souvenirjäger bei der Arbeit.

Krienser Souvenirjäger bei der Arbeit.

(Bild: pbu)

Mit vereinten Kräften werden die Sitze abmontiert.

Mit vereinten Kräften werden die Sitze abmontiert.

(Bild: pbu)

Legaler Vandalismus

Dann geht’s ans Eingemachte. Die begehrtesten Erinnerungsstücke sind die grünen Plastiksitze. Unzählige davon wurden bereits vor der offiziellen Souvenirjagd abmontiert. «Die werden für das neue Clubhaus verwendet. Deshalb sind viele davon schon weg», erklärt ein Herr mittleren Alters, der sich gerade an einem Exemplar abmüht. «Legaler Vandalismus», ruft einer von der Tribüne. Kollektives Gelächter.

Auf die Sitze abgesehen haben es auch Luca und Dario aus Kriens. Zielstrebig suchen sie nach der richtigen Sitznummer und packen ihr Werkzeug aus. «Was ich damit machen werde, weiss ich noch nicht», sagt Dario, während er rücklings auf dem Boden liegt, um besser an die Schrauben heranzukommen. «Aber diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen.»

Luca (links) und Dario aus Kriens mit ihrer Beute.

Luca (links) und Dario aus Kriens mit ihrer Beute.

(Bild: pbu)

Freudig präsentiert dieser Herr sein ganz persönliches Souvenir.

Freudig präsentiert dieser Herr sein ganz persönliches Souvenir.

(Bild: pbu)

Wieso sich nicht eine Garderobe aus alten Sitzbänken zimmern?

Wieso sich nicht eine Garderobe aus alten Sitzbänken zimmern?

(Bild: pbu)

Damit geben sich die beiden aber längst nicht zufrieden. Sobald die Sitze abmontiert und in grosse Sporttaschen gesteckt sind, geht die Jagd weiter. Schilder, Plakate, das Tornetz, ein Stück vom Rasen – nichts ist vor den beiden Kriensern sicher. «Wir haben keinen Plan für heute Morgen geschmiedet, sondern entscheiden spontan, was wir noch mitnehmen», erklärt Luca.

Das Kleinfeld lebt weiter

Konkreter geht es im anderen Sektor zu und her. Ganze Sitzbänke werden dort aus den Angeln gehoben und mit einem Fuchsschwanz bearbeitet. «Wir machen daraus eine Garderobe», sagt der junge Herr, bevor er sich das nächste Brett zurechtlegt und die Säge abermals ansetzt. Währenddessen werden ganze Sitzgarnituren aus dem Stadion getragen.

Ein letzter Blick auf die Tribüne im Kleinfeld. Bald fahren hier die Bagger auf.

Ein letzter Blick auf die Tribüne im Kleinfeld. Bald fahren hier die Bagger auf.

(Bild: pbu)

Das «Reserviert»-Schildchen ist hartnäckig und lässt sich nicht so leicht entfernen, wie es den Anschein macht.

Das «Reserviert»-Schildchen ist hartnäckig und lässt sich nicht so leicht entfernen, wie es den Anschein macht.

(Bild: pbu)

Hektik kommt an diesem Samstagmorgen keine auf. Alles geht gesittet vonstatten. Die Katakomben werden nicht einfach in Beschlag genommen, sondern man wendet sich an Ueli Mattmann. Mit Argusaugen und einer gehörigen Portion Wehmut überwacht der Materialwart des SC die Demontage «seines» Kleinfelds und entscheidet als letzte (und einzige) Instanz, was das Gelände verlässt.

Nach knapp einer Stunde ist das Stadion leer. Die Souvenirjäger sind mitsamt Beute von dannen gezogen. Übrig geblieben ist einzig das Skelett des Kleinfelds. Eine eisige Biese zieht über die ausgeweidete Tribüne und bläst den Geist des Kleinfelds hinfort. Bald werden die Zähne der Baggerschaufeln das Gerippe zernagen.

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