Probleme in der Defensive müssen gelöst werden

Analyse zur FCL-Krise: Gesucht wird Mister X

Die aktuelle Situation beim FC Luzern ist zum Haareraufen. Kapitän Claudio Lustenberger versteht nach der Niederlage gegen GC die Welt nicht mehr.

(Bild: Martin Meienberger/freshfocus)

Die Verteidiger beim FC Luzern machen derzeit nicht die beste Falle. Alleine schuld an der Krise sind sie allerdings nicht. zentralplus nimmt die Spieler im Mittelfeld unter die Lupe und stellt Mängel fest – gerade im Vergleich zu anderen Superligisten. Und wir nennen auch gleich Spieler, die momentan Gold wert wären.

In der Super League finden dieses Wochenende wegen der Nationalmannschaft keine Spiele statt. Der FC Luzern nutzt die Zeit und ist für ein internationales Testspiel nach Berlin gereist. Das Spiel ging 0:1 verloren. Dennoch bleibt zu hoffen, dass wichtige Erkenntnisse gewonnen wurden und es nicht nur eine Klassenfahrt war. Denn der FCL muss sich dringend Gedanken über seine sportliche Zukunft machen.

Hier ein Bild des FCL-Trosses bei der Abreise nach Berlin:


 

Dem FC Luzern klebt derzeit «die Scheisse am Fuss», wie man im Fussballjargon ungeschönt sagt. Nur ein Punkt resultierte aus den letzten fünf Spielen. Das führte zum Absturz in der Tabelle auf den momentanen siebten Platz. Insbesondere im Defensivverhalten hat die Mannschaft in den letzten Wochen eklatante Schwächen offenbart und durchschnittlich pro Spiel über zwei Tore kassiert. Kritik wurde insbesondere am portugiesischen Star-Zugang Ricardo Costa laut. Hat der ehemalige Championsleague-Sieger die Super League unterschätzt? Zudem funktioniert das Zusammenspiel mit Abwehrecke Tomi Puljic (noch) nicht.

Nicht immer funktioniert das Zusammenspiel, wie in diesem Fall gegen YB-Stürmer Michi Frey:

 

Doch ist es wirklich so einfach, nun mit dem Finger auf die Innenverteidiger zu zeigen? Trainer Markus Babbel verneint und erwartet von seinen erfahrenen Abwehrspielern, dass sie sich auch mal die Vorderleute ordentlich zur Brust nehmen. Und auch Topscorer Marco Schneuwly sagte im zentralplus-Interview, dass man mit Verteidigen schon vorne beginnen müsse. Sonst laufen die Gegner mit zu viel Geschwindigkeit auf die Abwehr zu – und überrennen sie. Dieselbe Sorge äusserte FCL-Sportkoordinator Remo Gaugler in der «Luzerner Zeitung»: Ein fehlender «Abräumer» vor der Abwehr sei das Hauptproblem des Teams.

Wie sieht es denn aus vor der FCL-Abwehr und was wäre zu tun? Meist operiert der FCL mit einer Viererkette in der Abwehr, zwei defensiven Mittelfeldspielern und vier Offensivspielern. Bei Letzteren kommen zwei über die Flügel, einer gibt die klassische Sturmspitze und der vierte bewegt sich leicht dahinter im Zentrum.

Was muss ein defensiver Mittelfeldspieler können?

Man muss die Aufgaben dieser Spieler in zwei Situationen beschreiben: im Spiel mit – und im Spiel ohne Ball. Angenommen, der Gegner ist in Ballbesitz und es gibt keine Kontersituation. In diesem Fall sind Zweikampfstärke und Aggressivität gefragt. Weiter ist es die Aufgabe, die Stürmer und Flügelspieler zu koordinieren sowie die Abstände zwischen den Linien richtig einzuhalten. Bei Balleroberung müssen die Spieler entweder möglichst rasch vertikal nach vorne spielen und einen Konter auslösen. Oder aber das Spiel beruhigen und den Ballbesitz sichern. Gefragt sind in diesen Situationen Ruhe am Ball und der Blick für den freien Mitspieler mit der dazugehörigen Passqualität.

Immer häufiger lässt sich ein zentraler Mittelfeldspieler auch nach hinten zwischen die Innenverteidiger fallen, damit er das ganze Spielfeld vor sich hat und die Bälle verteilen kann. Der zweite Mittelfeldspieler orientiert sich in diesem Fall nach vorne. Kommt der Ball über die Flügel nach vorne, findet der Zentrumsspieler idealerweise den Weg bis in den Strafraum und kommt zum Abschluss.

Klappt es mit dem Angriff nicht, so hat der Mittelfeldspieler erneut eine enorm wichtige Aufgabe. Laufarbeit ist gefragt, um offene Löcher möglichst rasch zu stopfen und so die direkten Passwege des Gegners zuzustellen, die zu Kontern führen könnten.

Es braucht «einen Mann fürs Grobe»

So viel zur Theorie eines zentralen defensiven Mittelfeldspielers. Agiert man zu zweit, so ergänzt man sich idealerweise in seinen Fähigkeiten. Ein Abräumer ist für die Defensive zuständig und als unermüdlicher Kämpfer die «Lunge» der Mannschaft, ein kreativer Spieler übernimmt das Spiel mit dem Ball und ist quasi das Hirn. Sechser, Achter – wie man die Spieler bezeichnet, ist Nebensache. Jedem Fussballkenner kommen natürlich gleich Dutzende solcher Duos in den Sinn, die das perfekt umsetzen. In der Schweizer Nati gibt «Krieger» Valon Behrami den Abräumer und Granit Xhaka den Taktgeber.

Die beiden spielten eine herausragende Rolle bei der Europameisterschaft – im Hintergrund Goalie Yann Sommer:

 

Qualified for 1/8 final great team performance #allezlasuisse 🇨🇭⚽️💥

Ein von Valon Behrami (@valonbera) gepostetes Foto am20. Jun 2016 um 4:47 Uhr


 

Noch ausgeprägter ist das italienische Weltmeisterteam von 2006: Gennaro Gattuso als Holzfuss, Andrea Pirlo als Dirigent. Ja, jeder Fussballfan schnalzt die Zunge und hat bestimmt viele weitere Paare im Kopf. (Nutzen Sie die Kommentarfunktion und teilen Sie die besten Mittelfeld-Duos mit.)

FCL: Drei Spieler streiten um zwei Plätze

So, und jetzt zurück zum FCL. Und der vermeintlichen Schwachstelle vor der Abwehr. Aufgrund der Verletzung von Remo Arnold hat Coach Markus Babbel bisher drei Spielern das Vertrauen auf diesen Positionen gegeben. In sechs Partien startete das Duo Nicolas Haas/Markus Neumayr, drei Mal Neumayr mit Hekuran Kryeziu und einmal Haas mit Kryeziu.

3 Kandidaten für 2 Plätze. Von links: Markus Neumayr, Nicolas Haas, Hekuran Kryeziu. (Fotos: fcl.ch)

3 Kandidaten für 2 Plätze. Von links: Markus Neumayr, Nicolas Haas, Hekuran Kryeziu. (Fotos: fcl.ch)

 

Gaugler meint, dem FCL fehlt ein klassischer Abräumer. Zu Beginn der Saison kam dies nicht gross zum Tragen. Das Spiel nach vorne funktionierte gut, die Mannschaft punktete. Aber jetzt, wo man in eine Negativspirale zu schlittern droht, wird das Fehlen des Abräumers immer offensichtlicher.

  • Markus Neumayr ist alles andere als der zweikampfstarke Fighter. Der Kreativgeist, der von Babbel auf eine tiefere Position zurückgezogen wurde, hat seine Stärken nicht unbedingt im Spiel ohne Ballbesitz. Neumayr brilliert in der Offensive. Zu Beginn der Saison war er einer der stärksten FCL-Spieler. Für ihn ist die Rolle des Spielgestalters vorgesehen, neben ihn gehört dieser sogenannte Abräumer.
  • Der am zweithäufigsten eingesetzte Nicolas Haas entspricht eher diesem Spielertyp. Aber hey, der Junge ist 20 Jahre alt. Dass ihm Fehler unterlaufen, ist nichts weiter als normal. Da wäre sein ungestümes Einsteigen gegen die Grasshoppers zu nennen, das vergangenes Wochenende zum Platzverweis führte. Allgemein schleckt aber keine Geiss weg, dass sich Haas derzeit eher im Formtief befindet.
  • Der körperlich robusteste zentrale Mittelfeldspieler ist wohl Hekuran Kryzieu. Doch auch seine Entwicklung harzt etwas. Nachdem er auf die letzte Saison nach einer Ausleihe aus Vaduz zurückkam, dachte man, das FCL-Eigengewächs könnte zur festen Grösse werden. In der aktuellen Spielzeit lässt Trainer Babbel Kryzieu allerdings selten von Anfang an spielen. Und Kryzieu verbockt es sich auch teilweise selbst. So kam er doch tatsächlich vor dem Sion-Spiel zu spät, weil er verschlafen hatte, und wurde von Babbel kurzerhand vom Matchblatt gestrichen.

Kann man bei Betrachtung dieser drei Spieler und besonders ihrer defensiven Fähigkeiten schon von einem Qualitätsproblem sprechen? Das wäre wohl zu polemisch, schliesslich war ja nur das Spiel gegen St. Gallen wirklich zum Vergessen. Dass Neumayr mit seinen fussballerischen Qualitäten in die Stammelf gehört, ist wohl unbestritten. Doch wer hält ihm den Rücken frei?

Bei einem Blick auf die anderen Teams der Super League fällt auf, dass im zentralen Mittelfeld des FCL durchaus Nachholbedarf auszumachen ist. So tummeln sich bei den FCL-Gegnern Führungsspieler im Mittelfeld, welche oben genannte und beim FCL vermisste Qualitäten mitbringen: Ligakrösus Basel hat die beiden Terrier Taulant Xhaka und Geoffrey Serey Dié, bei den Young Boys brilliert Neo-Nati-Spieler Denis Zakaria, bei GC hält Kim Källström und bei Sion Vero Salatic die Mannschaft zusammen.

Wer könnte helfen?

Offensichtlich hat der FCL keinen Spieler von diesem Format. Zumindest momentan. In der letzten Winterpause verliess Remo Freuler den Verein. 1,5 Millionen Euro erhielt der FCL gemäss Schätzungen von Transfermarkt.de für den Mittelfeldspieler. Ein gutes Geschäft, dachten alle. Und dank eines überragenden Schlussspurtes weinte auch kaum jemand Freuler eine Träne nach. Zum jetzigen Zeitpunkt ist allerdings die Frage erlaubt: Wiegt sein Abgang doch schwerer als gedacht?

Zwei weitere ehemalige FCL-Spieler, die das Problem lösen können, sind die Luzerner Bundesligastars Fabian Lustenberger und Pirmin Schwegler. Besonders eine Rückkehr Schweglers in die Schweiz wird medial immer wieder diskutiert. Sportkoordinator Remo Gaugler sagte im zentralplus-Interview, dass man mit dem Spieler in Kontakt sei, eine Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt allerdings sei kein Thema. Und bei «Lusti» ist die Situation wohl noch aussichtsloser. Bei Hertha Berlin kommt er trotz seiner Ausbootung als Kapitän regelmässig zum Einsatz und die Herthaner rocken derzeit die Bundesliga und stehen auf Rang 2.

Gedankenspiele rund ums defensive Mittelfeld beim FCL. Von links: Fabian Lustenberger, Remo Freuler, Pirmin Schwegler.

Gedankenspiele rund ums defensive Mittelfeld beim FCL. Von links: Fabian Lustenberger, Remo Freuler, Pirmin Schwegler.

Gesucht wird auf alle Fälle ein Abräumer für das FCL-Mittelfeld – ein Mister X. Ob einer aus dem aktuellen Kader in diese Rolle schlüpfen kann oder man im Winter nachrüsten muss, wird sich in den nächsten Spielen weisen. Einfach wird’s auf alle Fälle nicht. Es warten die beiden Tabellenführenden Basel und Lausanne sowie Angstgegner St. Gallen. Vier Punkte müssen das absolute Minimalziel sein. Ferner trifft man im Cup auf Köniz – dort ist Weiterkommen Pflicht. Der Oktober wird für den FCL zum Monat der Wahrheit. Der Verein tut gut daran, die Warnsignale rechtzeitig zu erkennen – der FCZ lässt grüssen.

Das Oktoberprogramm des FC Luzerns:

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