FCL-Frauen sammeln Geld via Crowdfunding

Andy Egli: «Die Zeit des Ehrenamtes ist vorbei»

Andy Egli ist sportlicher Leiter der FCL-Frauen.

(Bild: funders.ch)

Die FCL-Frauen wollen an die nationale Spitze. Dazu ist eine Professionalisierung notwendig und diese kostet Geld. Mittels Crowdfunding sollen nun 25’000 Franken gesammelt werden. Im Interview erklärt Andy Egli, was es mit dem Projekt auf sich hat und wie sich die FCL-Frauen entwickeln wollen. Und Egli schreckt auch vor gesellschaftspolitischen Forderungen nicht zurück.

Andy Egli ist das Aushängeschild der FCL-Frauen. Seit November 2015 amtet der frühere Trainer und Nachwuchschef des FC Luzern als sportlicher Leiter. Nun haben die Fussballerinnen ein Crowdfundingprojekt lanciert und wollen via Crowdfundingplattform «Funders» der Luzerner Kantonalbank 25’000 Franken sammeln (siehe Box).

zentralplus: Andy Egli, die FCL-Damen brauchen Geld: Wozu?

Andy Egli: Wir sind im Spitzenfussball tätig. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir eine Anzahl Trainings anbieten können und auch Labelkriterien des Verbandes erfüllen. Unsere 75 Frauen (1. Mannschaft, U19, U17, U15) brauchen qualifizierte Trainer. Und damit meine ich nicht nur den Cheftrainer. Es geht um einen Athletik-, Mental-, Goalie- und längerfristig auch einen Stürmer- und Verteidigertrainer. Und alle diese Leute machen das nicht gratis. Die Zeit des Ehrenamtes ist vorbei.

zentralplus: Erzählen Sie doch kurz, wie die FCL-Frauen aufgebaut sind.

Egli: Das Konzept beruht auf den beiden Standbeinen 1. Mannschaft und Nachwuchsabteilung. Sie funktionieren zwar unabhängig voneinander, sind aber durch das Prinzip der konsequenten Talentförderung eng miteinander verknüpft. Die 1. Mannschaft ist das Aushängeschild des Vereins und ein Sprungbrett für die jungen Spielertalente. Unser Ziel ist, die 1. Mannschaft an der Spitze zu etablieren. Bis 2020 wollen wir einen Titel holen.

Das Team der 1. Mannschaft in der Saison 2015/2016. (Bild: fclfrauen.ch)

Das Team der 1. Mannschaft in der Saison 2015/2016. (Bild: fclfrauen.ch)

 

zentralplus: In der Fussballschule werden die Talente von ehemaligen Fussballprofis ausgebildet. Warum werden diese Posten eigentlich oft von Personen besetzt, die schon selbst als Fussballer oder Fussballerin aktiv waren?

Egli: Dies ist mittlerweile tatsächlich fast eine Voraussetzung, um im Trainerbusiness arbeiten zu können. Es ist ein riesen Vorteil, wenn man selbst auf höchstem Niveau gespielt hat. Das gibt dir eine natürliche Qualifikation mit auf den Weg, von welcher ich selbst auch profitierte. Dieses Phänomen hängt auch damit zusammen, dass wir vor 35 Jahren das Profitum eingeführt haben. Auch bei den Frauen wird sich das genau gleich entwickeln.

zentralplus: Gibt es viele Frauen, die sich fürs Trainerbusiness interessieren?

Egli: Heute sind von jährlich 200 ausgebildeten Trainern in der Zentralschweiz genau fünf weiblich. Fazit: ungenügend. Auch bei den Frauen muss sich eine Entwicklung hin zu entschädigten Trainerengagements einstellen. Aber ich bin da Realist: Profitrainerinnen wird es in den nächsten zehn Jahren nicht geben.

«Hey, das ist guter Fussball.»

zentralplus: Um optimale Bedingungen zu schaffen, sind Sie auf Geld angewiesen. Warum versuchen Sie via Crowdfunding an Geld zu kommen?

Egli: Es ist ein neues Tool, das uns dabei helfen soll, unsere Ziele zu erreichen. Wie viel es uns schlussendlich bringt, werden wir sehen. Wenn ich den aktuellen Kontostand betrachte, dann muss noch einiges gehen. Es braucht auch von mir selber einen Effort.

Im Video richtet sich Andy Egli an potenzielle Geldgeber:

 

zentralplus: Warum hat der Frauenfussball finanziell zu kämpfen?

Egli: Frauenfussball hat keine TV-Einnahmen, weil er (noch) keine Massen anspricht. Wenn sich die Leute aber einmal ein Frauenspiel anschauen würden, kämen sie zum Schluss: Hey, das ist guter Fussball. Die können Fussball spielen. Es gibt aber noch andere Probleme: keine Ausbildungsentschädigungen, keine Transfereinnahmen, keine Zuschauer. Die Einnahmen fehlen also völlig.

zentralplus: Bei Crowdfunding sind Sie auf Unterstützer respektive Spender angewiesen. Glauben Sie nicht, dass nur Leute bezahlen, welche einen ganz klaren Bezug zur Frauenmannschaft haben?

Egli: Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt, aber ich habe keine allzu grossen Illusionen. Ich bin hingegen felsenfest überzeugt: Nicht morgen, übermorgen oder in drei Jahren, aber in zehn bis zwanzig Jahren wissen die meisten Leute, was Frauenfussball ist. Heute wird dies leider noch grösstenteils ignoriert. Auch von den Medien. Ich erinnere daran, dass das letzte Meisterschaftsspiel gegen den Meister FC Zürich in der Swissporarena stattfand. Kein Medium berichtete im Vorfeld darüber. Trotzdem kamen über 500 Personen ans Spiel – Potenzial ist also da.

zentralplus: Nun soll also alles professioneller werden. Coach André «Bigi» Meyer wurde durch Dieter Münstermann ersetzt. Ein erstes Zeichen?

Egli: Klar, mit Münstermann haben wir einen Topmann an Bord geholt, der auch etwas kostet. Er war in früheren Jahren vor allem in der Challenge League ein Begriff. Als Trainer des FC Wil folgte der Berner 2008 auf Uli Forte und führte die Ostschweizer auf den 3. Tabellenplatz. Zuvor gelang ihm mit dem FC Biel der Aufstieg in die zweithöchste Spielklasse des Männerfussballs. Er war zudem Assistenztrainer beim FC Aarau in der Super League. Auch im Bereich Goalietraining haben wir Topleute geholt. Unsere Athletiktrainerin wollen wir auch mit zusätzlichen Kapazitäten unterstützen.

Es ist ganz klar, dass das alles Geld braucht. Meine Mission ist es, den ganzen Frauenfussball mit all seinen faszinierenden Aspekten bekannter zu machen. Es ist für mich eine grosse Herausforderung und insofern hochspannend, weil ich vor zwanzig Jahren mit den Männern des FC Thun etwas Ähnliches auf die Beine gestellt habe.

Auf Facebook werben die FCL-Frauen für ihr Projekt:

 

zentralplus: Das gesammelte Geld wird also nicht in die Löhne der Spielerinnen investiert?

Egli: Das ist völliger Quatsch, die bekommen praktisch nichts. Es ist eher umgekehrt: Wir bieten unseren Fussballerinnen ein top Trainingsangebot. Und der Jahresbeitrag liegt irgendwo bei sehr niedrigen 350 bis 600 Franken. Konkret: Auf Stufe U17 bieten wir pro Woche fünf betreute Einheiten, inklusive Match. Und das 42 Wochen pro Jahr. Das ergibt 210 Einheiten zwischen drei und sechs Stunden.

«Wer 3000 Franken bezahlt, darf sogar mit mir essen gehen.»

zentralplus: Ich wage einen Ausblick und sage, von den Talenten werden zwei oder drei einmal vom Fussball leben können. Einverstanden?

Egli: So ist die Realität. Eigentlich machen wir hier eine Art Sozialarbeit. Sozialarbeit auf höchstem Niveau. Aktuell haben wir 23 Athletinnen in einer Tagesstruktur. Das heisst, sie sind in Sportschulen und haben zusätzlich an zwei Vormittagen in der Woche die Möglichkeit, zu trainieren. Das alles wird auch von Swiss Olympic finanziell unterstützt.

Eine wichtige Aufgabe für mich ist auch die Betreuung der Athletinnen. Ich besuche sie beispielsweise in ihren Lehrbetrieben und frage nach, ob alles gut läuft und wie es mit den Absenzen ausschaut. Das ist hochqualifiziertes Management. Weil der Jahresbeitrag nirgends hinreicht, sind wir auf zusätzliche Geldquellen angewiesen. Das Budget für das nächste Jahr beträgt 400’000 Franken. Wir müssen jede Gelegenheit wahrnehmen. So kam auch dieses Crowdfundingprojekt zustande.

zentralplus: Und wer 1000 Franken bezahlt, erhält eine Saisonkarte.

Egli: Lacht. Und wer 3000 Franken bezahlt, darf sogar mit mir essen gehen. Lacht laut.

Vor dem letzten Spiel bedankten sich die FCL-Frauen bei ihrem langjährigen Trainer «Bigi» Meyer:

zentralplus: Kann man Frauenfussball eigentlich mit anderen Randsportarten vergleichen? Etwa mit den Volley- und Basketballclubs in Luzern, die auch professionell Sport treiben, aber unter finanziellen Belastungen ächzen?

Egli: Selbstverständlich. Etwas gilt für alle diese Vereine, welche sich auf hohem Niveau bewegen. Es ist schlicht phänomenal, wie viel Herzblut, Leidenschaft und ehrenamtliche Arbeit in diese Vereine gesteckt wird. Ich erlebte dies auch an meinen eigenen Kindern. Meine Tochter war spitze in der Leichtathletik. Aber irgendwann musste sie resignieren, weil die Trainingsqualität nicht genügte. Es mangelte also nicht an Talent oder Willen, sondern an den Strukturen.

Aber die Leichtathletik ist ein gutes Beispiel, weil es die Sportart geschafft hat, viel mehr herauszuholen. Die Früchte der Anstrengungen sahen wir an den kürzlich ausgetragenen Europameisterschaften mit mehreren Medaillen. Viele dieser Athleten haben Migrationshintergrund und trainierten wegen der besseren Bedingungen zeitweise gar im Ausland.

«Talentierte Kickerinnen sind wie der Blitz weg.»

zentralplus: Der Schritt ins Ausland ist ja auch im Frauenfussball ein Thema. Eine talentierte Spielerin zieht es doch automatisch zu den grossen Clubs nach Deutschland wie Frankfurt oder Wolfsburg. Wie sieht der Wettbewerb hier aus?

Egli: Klar, talentierte Kickerinnen sind wie der Blitz weg. Unser grösstes Talent, Géraldine Reuteler, absolviert jetzt eine vierjährige Ausbildung. Nur dank dieser Struktur ist sie noch hier. Auch die Eltern spielen eine wichtige Rolle. In der Schweiz muss sich eine Spielerin ein zweites Standbein aufbauen. Und das kann sie bei uns. Aber fussballerisch ist klar, dass sie garantiert einen Vertrag im Ausland erhalten würde.

zentralplus: Wie geht eigentlich die Integration der Frauen in die FCL Innerschweiz AG voran?

Egli: Man ist auf Kurs, in einem Jahr soll es so weit sein. Die leide Geschichte ist die Finanzierung. Auch der FCL hat ein strukturelles Defizit von zwei Millionen. Dass wir da keine zusätzlichen Gelder erhalten, liegt auf der Hand. Obwohl: Nur schon aus gesellschaftspolitischen Überlegungen müsste der Club es machen. Wenn der Verein die Frauen unterstützen würde, wäre das beste Imagepflege – und würde garantiert auch mehr Frauen in die Swissporarena locken.

zentralplus: Wenn die Frauen plötzlich sportlich für Furore sorgen, nützt es doch der Marke FCL auch.

Egli: Absolut. Wolfsburg ist ein gutes Beispiel, wie die Frauen in einem Verein vorangehen können. Aber deren Budget liegt bei 5 Millionen Euro. Was sportlich möglich wäre, sahen wir im Trainingslager bei einem Testspiel gegen den früheren Champions-League-Sieger FSV Frankfurt. Das ist eine andere Welt – sie nahmen uns auseinander.

zentralplus: Um mehr Zuschauer an die Frauenspiele zu bringen, möchten Sie am liebsten Doppelveranstaltungen in der Swissporarena. Wie weit sind Sie mit dieser Vision?

Egli: Wir werden diese Versuche weiter unternehmen. Wir kennen jetzt den Spielplan für die neue Saison. Immer wenn der FCL ein Heimspiel hat, können wir nicht hinter dem Stadion spielen, weil alles abgesperrt ist. Dann kommt noch die U21-Mannschaft der Herren und dann kommen wir. Ideal wäre, im Anschluss an die Herren spielen zu können. Vorher ist’s ausgeschlossen, weil die Goalies bereits eine Stunde vor Spielbeginn auf dem Platz sind.

«Einen Kalender mit zwölf hübschen Damen, um irgendwie im Gespräch zu sein, finde ich total daneben.»

zentralplus: Die am besten verdienende Fussballerin ist wohl die amerikanische Torhüterin Hope Solo. Sie bringt einen grossen Glamourfaktor mit. Und sie verdient ihr Geld nicht nur im Sport, sondern auch im Modelbusiness. Braucht es das, um im Frauenfussball Geld zu verdienen? Im Männerfussball läuft es ja ähnlich. Die Marketingmaschine läuft nur dank Figuren wie David Beckham früher oder Cristiano Ronaldo heute.

Egli: Einen Kalender mit zwölf hübschen Damen, um irgendwie im Gespräch zu sein, finde ich total daneben. Aber klar ist: Selbstverständlich müssen sich die Frauen profilieren, sie müssen in positivem Sinne auf sich aufmerksam machen.

zentralplus: In Amerika gibt es eine Klage von fünf Fussballerinnen gegen den Verband unter dem Stichwort «Equal play, equal pay». Sie wollen, dass der Verband den Frauen genau die gleichen Honarare, Spesen etc. bezahlt wie den Männern. Was halten Sie davon?

Egli: Das ist das einzig Richtige. Alles andere ist Diskriminierung.

zentralplus: Das Gegenargument ist aber, dass die Männer mehr Wertschöpfung generieren.

Egli: In Amerika ist es aber sogar so, dass die Frauen mehr Geld eintreiben. Aber klar verstehe ich die ökonomische Seite. Man kann nur das Geld ausgeben, welches man auch reinbringt. Deshalb ist nachvollziehbar, dass die FCL-Herren mehr Geld zur Verfügung haben. Schlussendlich hängt dies aber auch mit den Einnahmen aus den TV-Rechten zusammen. Der Verband könnte hier ein fortschrittliches Zeichen setzen und den Frauenfussball stark fördern.

zentralplus: Mit Ramona Bachmann oder Lara Dickenmann kommen zwei Aushängeschilder des Schweizer Frauenfussballs aus Luzern. Inwiefern streben die FCL-Frauen mit diesen beiden eine Zusammenarbeit an? Es braucht ja schliesslich Aushängeschilder, und dieses sind derzeit in erster Linie Sie.

Egli: Im Moment ist es zu früh für die beiden. Aber der Punkt mit den Aushängeschildern ist entscheidend. Die Dynamik dieser Region und die Tatsache, dass wir Topspielerinnen entwickelt haben, müssen wir immer wieder mit Stolz zeigen. Diese Leute müssen unsere Leuchttürme werden. Nicht unbedingt als Spielerinnen, sondern als Trainerinnen oder Funktionärinnen. Sie müssen ihr Know-how und ihre Leidenschaft unseren Frauen, aber auch unseren Zuschauern, Sponsoren, Werbepartnern und den Medien weitergeben.

«Ich bin offiziell zu 30 Prozent angestellt, arbeite aber fast das Doppelte.»

zentralplus: Um an Geld für Ihr Projekt zu kommen, haben Sie nun mit Crowdfunding (siehe Box) einen innovativen Schritt gewagt. Ein Weg, den Sie weitergehen werden?

Egli: Alles ist auch eine Frage der Zeit, die zur Verfügung steht. Ich bin offiziell zu 30 Prozent angestellt, arbeite aber fast das Doppelte. Weiter sind wir momentan daran, eine Spielerin mit Administrationsaufgaben zu beauftragen. Die ganze Bewegung bei den FCL-Frauen ist in einem ständigen Prozess. Wir suchen noch einen Hauptsponsor. Und es gibt noch viele andere Bereiche, wo wir am Drücker sind. Eines verspreche ich: Sie werden noch positiv überrascht werden von den FCL-Frauen.

Hinweis: zentralplus ist Medienpartner der Crowdfunding-Plattform «Funders».

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