Sempachersee: Kampf gegen Kitesurf-Verbot

«Chilbi-Betrieb»? Kitesurfer kontern Vorwürfe

Da war die Welt noch in Ordnung: Ein Kitesurfer flitzt über den Sempachersee. Das Bild entstand vor 2011, als das Verbot noch nicht galt. (Bild: zVg)

Schlecht für die Fische, schlecht für den See: Der Luzerner Fischereiverband warnt mit markigen Worten vor negativen Folgen, falls die Regierung den Kitesurfern die Nutzung des Sempachersees doch noch erlauben würde. Das stösst der Kitesurfer-Gemeinde sauer auf – dafür freut sie sich über den Support von FDP, SVP, SP und allen Gemeinden rund um den Sempachersee.

«Gönnen wir unseren Seen auch mal Ruhe!» So lautet die Überschrift einer Medienmitteilung des Fischereiverbandes Kanton Luzern (FKL). Der FKL bestätigt darin seine Haltung, dass er auf dem Sempachersee auch weiterhin keine Kitesurfer sehen will. «Die Uferverbauungen und der reduzierte Schilfbestand am Sempachersee beeinträchtigen schon heute den Fischbestand stark, insbesondere die Hechtpopulation ist eingebrochen», begründet der FKL. Man müsse nicht jedem neuen Trend Tür und Tor öffnen. Dem Druck der Freizeit- und Spassgesellschaft solle widerstanden werden, man wolle keinen «Chilbi-Betrieb» auf dem See. Diese Mitteilung des Fischereiverbandes könnte ein Zeichen für wachsende Nervosität bei den Verbotsbefürwortern sein. Denn die Gegenseite hat zuletzt an Stärke gewonnen. Aber dazu später mehr.

Drei Parteien und Seegemeinden gegen Verbot

Bekanntlich ist der Sempachersee seit 2011 gemäss Regierungsratsbeschluss für Kitesurfer verbotene Zone. Zuvor allerdings durften die Wassersportler den See zehn Jahr lang nutzen – von einem neuen Trend zu sprechen, ist also falsch. Nun kommt seit ein paar Monaten bei den Sportlern Hoffnung auf eine Rückkehr auf den See auf. Denn der Bund gibt den Kitesurfern ab Anfang 2016 grünes Licht: Sofern die Kantone keine Verbote erlassen, ist das Surfen mit dem Lenkdrachen überall erlaubt.

Zwar hält die Luzerner Regierung weiterhin an ihrem Verbot auf dem Sempachersee (und Hallwilersee) fest. Aus Gründen des Natur- und Vogelschutzes sei dies angebracht. Zudem hätte die Kitesurfergemeinde genügend andere Seen für ihr Hobby zur Verfügung: Auf dem Vierwaldstättersee etwa darf überall ausser im Luzerner Seebecken und in der Horwer Bucht geksurft werden. Erlaubt ist diese Sportart unter anderem auch auf dem Zugersee sowie dem Sarnersee.

«Wir sind gegen ein Verbot, verlangen aber geordnete Zugänge über entsprechende Steganlagen zum Schutz der Natur.»

Robi Jost, Gemeinderat Eich

Doch die Luzerner Kitesurfer haben starke Rückendeckung erhalten. So haben sich FDP, SVP und SP im Rahmen der Vernehmlassung über die massgebende kantonale Schifffahrtsverordnung gegen das Verbot auf dem Sempachersee ausgesprochen. Begründung: Es sei während der Jahre 2001 bis 2011 auf dem Sempachersee zu keinen Zwischenfällen mit Kitesurfern gekommen; dieser See sei der einzige im Kanton, auf dem aufgrund der Windverhältnisse diese Sportart überhaupt ausgeführt werden könne; Tier und Umwelt würden deswegen nicht zu Schaden kommen.

Gewicht dürfte auch die Stimme aller sieben Gemeinden rund um den Sempachersee haben: Sie alle sind gegen das Verbot. «Das Kitesurfen unterscheidet sich aus unserer Sicht nicht gross von anderen Wassersportarten, die bereits zugelassen sind. Wir sind gegen ein Verbot, verlangen aber geordnete Zugänge über entsprechende Steganlagen zum Schutz der Natur», sagte kürzlich Robi Jost, Gemeinderat von Eich, gegenüber der «Neuen Luzerner Zeitung».

Da war die Welt noch in Ordnung: Kitesurfer flitzen über den Sempachersee. Das Bild entstand vor 2011, als das Verbot noch nicht galt.

Da war die Welt noch in Ordnung: Kitesurfer flitzen über den Sempachersee. Das Bild entstand vor 2011, als das Verbot noch nicht galt.

(Bild: zVg)

Schreckgespenst «Chilbi-Betrieb»

Die neuste Medienmitteilung des Luzerner Fischereiverbandes löst bei Ivo Kneubühler Kopfschütteln aus. Kneubühler steht der Luzerner Sektion des schweizerischen Kitesurf-Clubs vor. Zum einen könne, wie oben erwähnt, nun wirklich nicht von einem «neuen Trend» gesprochen werden.

«Pro Jahr gibt es durchschnittlich bloss etwa an fünf Tagen die Möglichkeit, auf dem Sempachersee zu kiten.»

Ivo Kneubühler, Kitesurf-Club Sektion Luzern

Zum anderen sei es fehl am Platz, wegen der Kitesurfer die Angst vor einem «Chilbi-Betrieb» zu schüren. «Pro Jahr gibt es durchschnittlich bloss etwa an fünf Tagen die Möglichkeit, auf dem 14,5 Quadratkilometer grossen Sempachersee zu kiten.» Denn dazu brauche es speziell stürmischen Westwind. Und im Schnitt würden sich an diesen Tagen bloss zwischen 5 und 20 Sportler auf den See wagen. «Wegen des schlechten Wetters ist während dieser Zeit meistens niemand sonst auf dem Wasser.»

Kneubühler ist aufgrund der geringen Nutzung des Sees durch die Kitesurfer auch überzeugt, dass deswegen der Fischbestand nicht negativ betroffen sein könne. «Das hat überhaupt nichts mit dem Fischbestand zu tun. Das alles sind vorgeschobene Begründungen des Fischereiverbandes», ist er überzeugt.

«Das kann ich auch nicht ändern»

Dass das Lager der Verbotsgegner nun gewachsen ist, freut Kneubühler natürlich. Allerdings bereut er es ein wenig, dass er bei den Parteien nicht intensiver für sein Anliegen geweibelt hat. Laut CVP hat sich das aktuelle Verbot für Kitesurfer auf dem Sempachersee bewährt, es gäbe genügend andere Plätze für diese Sportart. Die Grünen sind aus Gründen des Tier- und Umweltschutzes dafür.

Der perfekte Ansprechpartner, um auch noch die grösste Partei im Kantonsrat, die CVP, umzustimmen, wäre Kurt Bischof. Denn Bischof ist nicht nur Kommunikationschef des Schweizerischen Fischereiverbandes und hat in dieser Funktion die eingangs erwähnte Medienmitteilung des FKL verfasst. Bischof ist zudem CVP-Mitglied und hat als persönlicher Berater von Regierungsrat und Parteikollege Reto Wyss einen direkten Draht zur Exekutive. Er trägt also zwei Hüte.

«Die Kitesurfer sind nebst all den anderen Nutzern des Sees einfach ein weiteres Mosaik, das Einfluss auf den Fischbestand haben kann.»

Kurt Bischof, Kommunikationschef Schweizerischer Fischereiverband

Auf Anfrage von zentral+ bestreitet Bischof aber, in seiner Doppelfunktion Einfluss auf Wyss oder seine Partei, die CVP, genommen zu haben: «Ich habe keine entsprechenden Gespräche geführt.» In seiner Funktion als Sprecher des Fischereiverbandes ergänzt Bischof die Pro-Verbots-Haltung der Fischer wie folgt: «Der Sempachersee ist ein Juwel, das wir vor übermässiger Nutzung schützen möchten. Dafür setzen wir uns ein.»

Einige der Aussagen in der FKL-Mitteilung, etwa den drohenden «Chilbi-Betrieb» oder den schädlichen Einfluss der Kitesurfer auf den Fischbestand, relativiert Bischof im Nachhinein etwas: «Wir behaupten ja nicht, dass der Fischbestand nur wegen der Kitesurfer Schaden nimmt. Die Kitesurfer sind nebst all den anderen Nutzern des Sees einfach ein weiteres Mosaik, das Einfluss darauf haben kann.»  Das habe man auch mit dem «Chilbi-Betrieb» gemeint – nur die Surfer würden diesen nicht herbeiführen. «Aber Kitesurfen ist eine Trendsportart mit Potenzial nach oben. Wenn wir den See wieder freigeben, könnte es sein, dass neu auch Kitesurfer aus anderen Kantonen den Sempachersee nutzen wollten», mahnt Bischof. Er weist auch darauf hin, dass dieser Sportart weiterhin 70 Prozent der Luzerner Gewässer zur Verfügung stehen. Auf die Aussage der Kitesurfer, dass sich für ihr Hobby aber nur der Sempachersee eigne, sagt Bischof: «Die optimale Lösung gibt es nun mal nicht, das kann ich auch nicht ändern.»

Bereit zu Kompromissen

Die Luzerner Regierung will die angepasste Verordnung Mitte Februar in Kraft setzen. Zum Stand der Dinge war diese Woche beim federführenden Justiz- und Sicherheitsdepartement niemand zu erreichen. Für Ivo Kneubühler ist allerdings klar: «Nachdem sich nun drei Parteien sowie alle Seegemeinden hinter uns gestellt haben, bin ich sehr zuversichtlich, dass das Verbot fallen wird.» Man sei auch bereit, Kompromisse einzugehen und eventuell nur einen beschränkten Teil des Sempachersees zu nutzen. Auch könne er sich eine Testphase von ein, zwei Jahren vorstellen, um der Regierung zu beweisen, dass das Kitesurfen keine Probleme verursache. «Wenn die Regierung aber am Verbot festhält, werden wir weiterhin für unser Anliegen kämpfen.» Auf welche Weise, lässt Kneubühler noch offen.

Der Sempachersee weist eine Fläche von 14,5 Quadratkilometern auf, sein Wasserspiegel liegt auf 504 m ü. M. und ist an der tiefsten Stelle 87 Meter tief. Seine Länge beträgt 7,5 Kilometer.

Der Sempachersee weist eine Fläche von 14,5 Quadratkilometern auf, sein Wasserspiegel liegt auf 504 m ü. M. und ist an der tiefsten Stelle 87 Meter tief. Seine Länge beträgt 7,5 Kilometer.

(Bild: google.com)

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1 Kommentar
  • Profilfoto von matt
    matt, 31.12.2015, 14:50 Uhr

    Guten Tag,

    vielen Dank für den Artikel! Bitte korrigieren sie doch die Einheit bei der Angabe der Seefläche auf QuadratKILOmeter, ansonsten wird es wirklich noch eng auf dem See 😉

    Gruss Matthias Schibli

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