FCL-Trainer Markus Babbel im Interview

«Ich bin nicht beim erstbesten Angebot weg»

FCL-Trainer Markus Babbel blickt optimistisch in die Zukunft. (Bild: Martin Meienberger)

(Bild: Martin Meienberger)

Markus Babbel hat aus einer Krisenmannschaft im Abstiegskampf einen Anwärter für das europäische Geschäft getrimmt. zentral+ sprach mit dem deutschen Europameister, dem der Verein im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut geht, über das Kader, die sportlichen Perspektiven und seine persönliche Zukunft.

Seit letzter Woche ist es ein Jahr her, dass Markus Babbel sein Debüt in der obersten Schweizer Fussballliga gab. Der FC Luzern ist seine erste Auslandsstation als Trainer. Dieser Ort wird ihm immer in Erinnerung bleiben: Auf seinen rechten Oberarm hat er sich das Vereinslogo tätowieren lassen. Er möchte es nicht in die Kamera halten, das sei ihm zu persönlich. Dafür öffnet er im Interview seine Gedankenwelt zum Innerschweizer Fussballclub, der mit Babbel wieder von grossen Erfolgen träumen darf.

zentral+: Herr Babbel, Sie sind nun seit gut einem Jahr Trainer beim FC Luzern. Wie fällt Ihr bisheriges Fazit aus, sind Sie zufrieden mit den Ergebnissen?

Markus Babbel: Ja. Ich denke, dass wir einen guten Weg eingeschlagen haben. Wenn man von aussen kommt und eine neue Mannschaft vorfindet, die in einer Ergebniskrise steckt, muss man sich natürlich erst mal aneinander gewöhnen. Wir haben relativ schnell zusammengefunden, sonst wäre es auch nicht möglich gewesen, schnell aus dieser Situation herauszukommen und phasenweise recht ordentlich Fussball zu spielen. Wichtig ist die Art und Weise, wie die Jungs versuchen, unter der Woche zu arbeiten. Unglaublich viel Freude bereitet mir, dass wir eine Mannschaft haben, die will. Sie versucht das umzusetzen, was man vorgibt. Und sie hat Vertrauen in meine Arbeit und ist stets mit grossem Engagement dabei. Deshalb komme ich jeden Tag unglaublich gern hierher, um mit den Jungs zu arbeiten.

«Wir können jeden schlagen, wenn wir unsere Performance an den Tag legen. Wenn nicht, können wir auch gegen jeden verlieren.»

zentral+: Als Sie vor einem Jahr hier ankamen, war der FC Luzern auf dem letzten Tabellenplatz. Sie haben eine sehr erfolgreiche Rückrunde gespielt. An welchen Schrauben haben Sie gedreht?

Babbel: Die Jungs mussten den inneren Schweinehund überwinden, und das haben sie klasse getan. Wir können jetzt bis zur 90. Minute ein hohes Tempo vorgeben, können dadurch auch jeden schlagen, wenn wir unsere Performance an den Tag legen. Wenn wir das nicht machen, können wir auch gegen jeden verlieren. Ich habe das grosse Glück, mit sehr guten Leuten zusammen zu arbeiten, ob im Fitnessteam oder mit Co-Trainer Roland Vrabec. Dadurch bin ich in der Position, in der ich mehr beobachten kann. Ich habe ein ganz gutes Auge für jemanden, der gut drauf ist oder vielleicht mal eine Pause braucht.

zentral+: Sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Verlauf der Saison?

Babbel: Ja. Wir müssen realistisch sein. Was die finanziellen Möglichkeiten angeht, bewegen wir uns normalerweise in der Region von Platz fünf bis sieben. Aktuell sind wir auf dem vierten Platz. Sprich: Wir konnten einen Verein hinter uns lassen, der mehr Spielraum hat. Wir wollen in jedem Spiel das Maximum aus uns herausholen. Was am Ende dabei herauskommt, das wird sich zeigen.

zentral+: Ihr Vertrag endet im kommenden Sommer. Gab es schon Gespräche über eine Zusammenarbeit über diesen Zeitraum hinaus?

Babbel: Nein. Das ist jetzt auch verfrüht. Man muss verstehen, dass der FC Luzern mir nicht einfach mal so locker flockig einen Dreijahresvertrag geben kann. Ich denke, wir haben in der Rückrunde ein Zeichen gesetzt. Und auch in dieser Vorrunde sind wir auf einem sehr, sehr guten Weg. Anfang Rückrunde sollte man sich zusammensetzen, um darüber zu diskutieren: Was ist möglich? Wenn es dann heisst: Es geht nur darum, dass wir nicht absteigen, dann weiss ich nicht, ob ich der richtige Mann für hier bin.

«Was die finanziellen Möglichkeiten angeht, bewegen wir uns normalerweise in der Region von Platz fünf bis sieben.»

zentral+: Sie bleiben also nur, wenn es auch Möglichkeiten gibt, Verstärkungen zu holen?

Babbel: Im Moment macht es unglaublich viel Spass. Wir haben einen sehr guten Mix aus erfahrenen und jungen Spielern, die man weiter ausbilden muss. Bei denen man es schaffen will, sie zu festen Grössen zu machen, damit sich die Leute im Stadion mit den Jungs identifizieren können. Trotzdem muss ein Stück weit die sportliche Perspektive stimmen. Was nicht heisst, dass ich viel Geld brauche, aber eine gewisse Perspektive muss da sein.

zentral+: Würden Sie gehen, wenn ein entsprechendes Angebot aus der Bundesliga oder einer anderen Topliga käme?

Babbel: Schwer zu sagen. Es sind viele Menschen da, mit denen es mir einfach Freude macht, zusammen zu arbeiten. Deswegen muss das schon passen, wenn aus einer «grösseren Liga» ein Angebot kommt. Das muss man sich genau anschauen. Ich schliesse es nicht kategorisch aus, aber das heisst nicht, dass ich beim erstbesten Angebot weg bin.

«Man muss verstehen, dass der FC Luzern mir nicht einfach mal so locker-flockig einen Dreijahresvertrag geben kann.»

zentral+: Welche wesentlichen Unterschiede nehmen Sie wahr zwischen der Deutschen Bundesliga und der Schweizer Super League? Ist es hier einfacher, Fussballtrainer zu sein?

Babbel: Nein, von der Arbeit her ist es absolut identisch. Auch was am Wochenende passiert. Du kriegst genauso kritische Fragen gestellt – teilweise böse, wie in der Bundesliga. Trotzdem ist es ein Stück weit ruhiger, weil man nicht diese enorme Medienpräsenz hat.

zentral+: Nach Ihrer Übernahme letztes Jahr kam bald darauf Rolf Fringer als neuer Sportchef. Letzten Winter schien er bei den Transfers federführend gewesen zu sein. Im Sommer, als viele Spieler mit einem deutschen Hintergrund kamen, schienen sie zu dominieren. Wie sieht das kommenden Winter aus?

Babbel: Wir setzen uns zusammen und diskutieren, wo Bedarf herrscht. Wir sind sehr an Schweizer Spielern interessiert oder solchen, die zumindest die Schweizer Liga sehr gut kennen. Es ist für die Mannschaft von Vorteil, wenn die neuen Spieler deutsch sprechen. Aber das ist unglaublich schwer. Die Topspieler, die uns weiterbringen würden, sind meistens bei Basel, YB, Zürich, Grasshoppers oder Sion, weil sie da mehr Geld verdienen können. Dadurch, dass wir aus Deutschland kommen, kennen wir uns im deutschen Markt sehr gut aus. Und der deutsche Markt ist etwas einfacher.

Coach Markus Babbel und Konditionstrainer Norbert Fischer verfolgen das FCL-Training.

Coach Markus Babbel und Konditionstrainer Norbert Fischer verfolgen das FCL-Training.

zentral+: Wieso das?

Babbel: Das Leistungsniveau ist dichter. Das ist nicht so wie in der Challenge League, wo die Diskrepanz zur Super League grösser ist als etwa zwischen der 1. und 2. Bundesliga. Auch der österreichische Markt ist für uns interessant.

zentral+: Sie setzen diese Saison deutlich mehr junge Spieler ein als letzte Saison. War die verstärkte Einbindung der Jugendspieler eine Vorgabe der FCL-Führung?

Babbel: Es ist unser Ziel, ja. Letztes Jahr war allgemein die Qualität im Kader nicht so gross wie dieses Jahr. Was ich zur Freude festgestellt habe, ist, dass die jungen Spieler, seit sie mit uns zusammenarbeiten, unglaubliche Fortschritte gemacht haben. Die jungen Spieler drücken. Die etablierten dürfen sich nicht ausruhen, sondern müssen weiterhin Gas geben. Wenn zwei gleich gut sind, ist bei mir die Chance für einen jungen Spieler unglaublich gross.

«Letztes Jahr hat sich die Mannschaft oft von selber aufgestellt. Als wir dann ausgewechselt haben, sind wir schlechter geworden.»

zentral+: Nach Remo Arnolds erstem Super-League-Einsatz über 90 Minuten sagte Tomislav Puljic über ihn, er werde Luzerns nächster Sergio Busquets. Sehen Sie auch solch grosses Potenzial?

Coach mit europäischer Erfahrung

Markus Babbel bestritt als Spieler 355 Fussballmatches in den obersten Profi-Ligen Deutschlands und Englands für Bayern München, den Hamburger SV und den VfB Stuttgart, sowie für den Liverpool FC und die Blackburn Rovers. In München und Liverpool wurde der Innenverteidiger als Stammspieler UEFA-Pokal-Sieger (heute Europa League). Zwischen 1994 bis 2000 wurde er dreimal deutscher Meister und zweimal Pokalsieger mit Bayern München und am Ende seiner aktiven Karriere 2007 nochmals deutscher Meister mit Stuttgart. Für die deutsche Nationalmannschaft spielte Babbel 51-mal und wurde 1996 Europameister. Gleich nach seiner Spielerkarriere wurde Markus Babbel Co-Trainer beim VfB Stuttgart, den er ab November 2008 als Cheftrainer übernahm. Nach 48 Spielen wurde Babbel bei Stuttgart im Dezember 2009 entlassen. Zur Saison 2010/11 wurde der Bayer Cheftrainer in der 2. Bundesliga bei Hertha BSC Berlin. Mit der «alten Dame» stieg Babbel in die erste Bundesliga auf, trennte sich im Dezember 2012 jedoch im Unfrieden nach sechs sieglosen Spielen und einem Unentschieden gegen TSG 1899 Hoffenheim. Bei den Sinsheimern unterschrieb Babbel im darauffolgenden Februar dann auch seinen bisher letzten Vertrag in der Bundesliga. Bevor Markus Babbel im Oktober 2014 Trainer des FC Luzern wurde, war er zwei Jahre lang ohne Verein.

Babbel: Lacht. Da müssen wir die Kirche im Dorf lassen. Er braucht noch ein bisschen Zeit. Die geben wir ihm auch. Wichtig ist, dass er gezeigt hat, wie schnell er dazulernen kann. Er hat sich schnell an den Profifussball gewöhnt und macht trotzdem unglaublich fleissig und hungrig weiter. Das ist schön zu sehen. Letztes Jahr hat sich die Mannschaft oft von selber aufgestellt. Als wir dann ausgewechselt haben, sind wir teilweise schlechter geworden. Jetzt hat es sich gedreht. Wenn wir Auswechslungen vornehmen, kommt Druck. Das zeigt die Leistungsdichte bei uns. Keiner kann sich ausruhen, weil schon der Nächste bereit ist und unbedingt spielen will.

zentral+: Wo sehen Sie Bedarf für Verstärkungen?

Babbel: Im Moment haben wir uns noch nicht damit auseinandergesetzt, weil wir mit dem Personal grundlegend zufrieden sind. Ich denke, dass in der Winterpause nicht viel passieren wird. Eher dann zum Sommer hin kommt alles wieder auf den Prüfstand. Normalerweise tut ein bisschen frisches Blut nicht schlecht.

zentral+: Hat der FCL das Potenzial für einen Titel in dieser Saison?

Babbel: Die Meisterschaft ist unglaublich schwer. Da muss viel zusammen kommen. Beim Klassenprimus Basel muss unglaublich viel schief laufen, damit er mal nicht Erster wird. Darüber hinaus haben die Young Boys, Sion, der FC Zürich und sogar die Grasshoppers einfach mehr Möglichkeiten. Nichtsdestotrotz bin ich sehr zufrieden mit der Truppe, die ich habe. Im Pokal haben wir diesen Mittwoch auswärts in St. Gallen einen extrem schwierigen Brocken vor uns. Wir treten aber an, um eine Runde weiterzukommen. Aber da brauchst du auch das Quäntchen Glück, um als FC Luzern etwas zu holen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Peache60
    Peache60, 28.10.2015, 13:41 Uhr

    Herr Babel macht eine seriöse Arbeit. Ich als Fan,bin nicht immer mit den Personal, Auswechsel oder Taktik Entscheidungen einverstanden. Das sehe ich aber durch mein Fan Brille. Was mir gefällt, das er mit einer geraden Linie seine Entscheidungen vertritt. Er hat eine Struktur im Spiel und auch einen Plan. Ich z.b war auch einer der nach dem Vaduz Spiel enttäuscht war. ( ohne zu pfeifen) Erinnere mich aber auch wo der Verein vor 1 Jahr stand. Zu hoffen ist, dass sich Klub, Management und Trainer Staff bald finden, damit man endlich Kontinuität findet. Aber auch, dass der Verein bei evt schlechteren Resultaten Geduld zeigt.

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