Interview mit dem verletzten FCL-Verteidiger

Tomi kämpft sich zurück

Puljic beim Training in der Swissporarena. (Bild: Elia Saeed)

Tomislav Puljic verhalf dem FC Luzern in der vergangenen Saison zur sportlichen Wende. Im Interview mit zentral+ erzählt der kroatische Familienvater, wie er von Alex Frei abserviert wurde, was alles an Blödsinn über ihn erzählt wird, wie er sich nach seiner Verletzung wieder zurückkämpfen will – und wie er die schwierige vereinslose Zeit erlebt hat.

«In 30 Sekunden war gesagt, weshalb ich keinen neuen Vertrag erhalte», erinnert sich Tomislav Puljic an das Gespräch mit Sportchef Alex Frei. Das war im ersten Halbjahr 2014. «Er hat mir gesagt, dass das Budget verkleinert wird und dass sie die Mannschaft verjüngen wollen.» Der Innenverteidiger des FC Luzern spielte davor eine durchwachsene Rückrunde, in der die gesamte Mannschaft nicht mehr an den Erfolg der Hinrunde anknüpfen konnte. Der damalige Trainer Carlos Bernegger habe ihn behalten wollen, sagt Puljic, aber der Sportchef wollte das nicht. «Für mich persönlich war es unfair, aber wenn er das so entschieden hat, muss man das annehmen und respektieren. Das ist Fussball und jeder trägt die Verantwortung für seine Entscheidungen.»

Vier Jahre lang war der gross gewachsene Kroate bis dahin Stammspieler und 2013 sogar kurz davor, für die Nationalmannschaft zu spielen. Mit seinem konsequenten Abwehrverhalten und seinen gefährlichen Kopfbällen ebnete der gelernte Strassenverkehrstechniker dem FCL schon manchen Weg zum Punktgewinn.

«Das ist alles Blödsinn und gelogen. Wer auch immer das gesagt hat, kann sich dafür schämen.»

Tomislav Puljic zu den Gerüchten, er habe mehr Lohn verlangt

Gerüchte, wonach er eine Gehaltserhöhung verlangt habe, dementiert Puljic: «Das ist alles Blödsinn und gelogen. Wer auch immer das gesagt hat, kann sich dafür schämen. Über Geld haben wir nie gesprochen. Da ich gar kein Angebot erhalten habe, konnte ich auch gar keinen Lohn verlangen.» Ohne Vertrag, aber mit einer Frau und zwei kleinen Kindern ging es für Tomislav Puljic zurück nach Kroatien. Dorthin, wo seine Laufbahn als Profifussballer begann.

Kellergeschichten

«Im ersten Moment war es natürlich hart», gesteht Puljic, der mit seiner Familie zuerst einmal in die Ferien ging und Zeit bei seinen Eltern in Zadar verbrachte. Das Küstenstädtchen zwischen Rijeka und Split bedeutet für ihn Heimat. Dort verbrachte Tomi, wie ihn Kollegen nennen, seine gesamte Jugend. Auch als der Bürgerkrieg im ehemaligen Jugoslawien wütete, blieb er mit seinen Eltern und Geschwistern in Zadar. «Wir haben hauptsächlich im Keller des Nachbarn geschlafen, weil unser Haus von zwei Granaten getroffen wurde.»

«Wir haben hauptsächlich im Keller des Nachbarn geschlafen, weil unser Haus von zwei Granaten getroffen wurde.»

Tomislav Puljic über seine Jugendzeit im Krieg in Kroatien

Während Puljics Abwesenheit rutschte auch der FC Luzern in den Keller – den Tabellenkeller der Super League. Für die Innerschweizer wurde die Relegation in die Challenge League plötzlich zum Thema. Tomislav Puljic hat in dieser Hinsicht Erfahrung. Bevor er zum FCL kam, war er praktisch sein ganzes Fussballerleben lang in den unteren Ligen Kroatiens beschäftigt und das hauptsächlich im Umland von Zagreb, dem Zentrum des Landes.

Seine einzige Saison in der obersten kroatischen Liga spielte er 2009/10 mit Lokomotiva Zagreb, einer Filiale des mächtigen Dinamo Zagreb. Hinter Dinamo steht der berüchtigte Mamic-Clan, zu dem Puljic ein wohlwollendes Verhältnis hat. «Es war sogar Thema, dass ich von Lokomotiva zu Dinamo wechsle, jedoch hat sich dann der Wechsel nach Luzern ergeben.» Der  Abwehrspieler hat seinen Entscheid nie bereut, denn Luzern war «ein Volltreffer».

«Alles ist besser in der Schweiz, in jedem Bereich, der den Fussball angeht.»

Tomislav Puljic über die Unterschiede zu Kroatien

Der Krieg habe Kroatien in jeder Hinsicht getroffen, «sodass wir in allen Bereichen im Rückstand sind», erzählt Puljic und lobt die Bedingungen hierzulande: «Alles ist besser in der Schweiz, in jedem Bereich, der den Fussball angeht. Die kroatische Nationalmannschaft an sich ist stark, aber der Fussball auf Klubebene ist sehr schwach.»

Mit Gottes Wille

Für keinen anderen Klub hat Tomislav Puljic mehr Profispiele bestritten als für den FC Luzern. In Luzern hat er mit seiner Ehefrau Anna eine Familie gegründet, hier sind alle seine Kinder zur Welt gekommen. Bei ihrem Aufenthalt in Kroatien haben die Puljics erfahren, dass ein drittes Kind auf dem Weg ist. «In dieser Zeit hatte ich Angebote aus Ländern wie Azerbaijan, Kasachstan oder Iran. Ich konnte nicht gehen und meine schwangere Frau mit den zwei Kindern alleine lassen, noch dazu hatte sie Schmerzen. Ich habe mich dazu entschieden, auf ein besseres Angebot aus Europa zu warten, wohin ich auch meine Familie mitnehmen kann.»

Währenddessen drehte sich die Abwärtsspirale beim FC Luzern weiter. Trainer Bernegger wurde nach dem 11. Spieltag entlassen und durch Markus Babbel ersetzt. Sportchef Frei räumte zwei Monate später ebenfalls seinen Platz. Sein Nachfolger wurde ein Altbekannter, der ehemalige Trainer Rolf Fringer. Er war es, der Tomislav Puljic 2010 einen Stammplatz in der Innenverteidigung des FC Luzern gab, indem eine seiner ersten Amtshandlungen als neuer Sportchef war, den Kopfballspezialisten zurückzuholen. Dafür ist ihm Puljic bis heute sehr dankbar. «Irgendwie musste es so kommen», sinniert der Hüne aus Zadar: «Ich würde sagen, dass Gott es so gewollt hat, dass ich zurückkehre.»

Remo Freuler (von links), Jahmir Hyka, Tomislav Puljic und Cristian Ianu im Einsatz auswärts gegen den FC Sion anfangs März (Bild: Dominik Stegemann).

Remo Freuler (von links), Jahmir Hyka, Tomislav Puljic und Cristian Ianu im Einsatz auswärts gegen den FC Sion anfangs März (Bild: Dominik Stegemann).

Aus der Erfahrung heraus

In seiner arbeitslosen Zeit hielt sich Puljic mit der hiesigen Profimannschaft und dem Personaltrainer Mate Bulic fit. «Er hat mir wirklich sehr geholfen, dafür muss ich mich bei ihm bedanken. Er hat meine motorischen Fähigkeiten auf das Maximum gehoben, meine Aggressivität wiederhergestellt und was mir bei der Beweglichkeit gefehlt hat, verbessert.» In diesem halben Jahr sei er noch besser geworden, sagt Puljic. «Als ich in der vergangenen Rückrunde zurückgekehrt bin, da habe ich mit meinen Toren und mit meinem Spiel gezeigt, dass ich stärker bin, psychisch stabiler.»

In besonders guter Erinnerung ist ihm dabei sein Debüt gegen die Young Boys, als er zwei Minuten nach der Berner Führung eine Freistossvorlage von Jakob Jantscher mit dem Kopf ins Tor wuchtete. «Das war sehr wichtig, vor allem für die Mannschaft, denn wenn wir dieses Spiel verloren hätten, wäre es wahrscheinlich auch psychologisch bergab gegangen. So haben wir immerhin ein Unentschieden erreicht und uns damit aufgerichtet.»

«Er erfreut mich als Mensch. Ein Spieler mit so einem grossen Namen, aber ein normaler und höflicher Mensch auf dem Platz und ausserhalb. Wirklich, Hut ab vor seinem Verhalten.»

Tomislav Puljic über seinen Trainer Markus Babbel

Mit Trainer Markus Babbel habe die Chemie sofort gestimmt. «Wir haben uns vom ersten Tag an gefunden. Er erfreut mich als Mensch. Ein Spieler mit so einem grossen Namen, aber ein normaler und höflicher Mensch auf dem Platz und ausserhalb. Wirklich, Hut ab vor seinem Verhalten.» Von Babbel spürt Puljic Vertrauen. «Er verlangt von mir, dass ich die Mannschaft mitführe als älterer Spieler und dass ich auch mal laut werde, wenn es sein muss. Ich spiele mehr aus meiner Erfahrung heraus als mit irgendwelchen spielerischen Mitteln.»

Verletzungspech als Premiere

Der 1,92 Meter grosse Abwehrrecke war sofort nach seiner Rückkehr wieder Stammspieler, bis er sich am 27. Spieltag auf dem Thuner Kunstrasen verletzte. Diagnose: Syndemosebandanriss. Das Spiel gegen den FC Thun ging verloren, aber der Aufschwung beim FCL hielt an –  trotz des Ausfalls von Puljic. Das Team sammelte daraufhin sogar mehr Punkte ohne ihn als mit ihm. «Ich wäre am glücklichsten, wenn Luzern Meister wird und ich dafür auf der Bank sitze. Ich wäre glücklich, das wäre nicht das Problem.»

«Vielleicht bin ich sehr wichtig für die Atmosphäre in der Mannschaft.»

Tomislav Puljic über seine Funktion innerhalb des Teams

Seine Stärken sieht Puljic denn auch mehr im Zwischenmenschlichen: «Vielleicht bin ich sehr wichtig für die Atmosphäre in der Mannschaft.» Nach den Urgesteinen David Zibung und Claudio Lustenberger ist Tomislav Puljic der Spieler im derzeitigen Kader des FC Luzern, der am meisten Partien für Blau-Weiss bestritten hat. Trotz seiner Erfahrung gibt es aber immer noch Dinge, die der 32-Jährige lernen kann. «Ich war noch nie in meinem Leben verletzt, das war das erste Mal. Ein Syndemosebandanriss ist wirklich mühsam. Dadurch, dass ich zwei Monate lang nicht trainieren konnte, bin ich zu schnell zurückgekommen und der Muskelkater hat mich in beiden Beinen ziemlich stark erwischt.»

Zurzeit trainiert Puljic noch reduziert, aber in zwei bis vier Wochen will er spätestens wieder bereit sein. Die Verletzung ist ihm fast ein wenig unheimlich: «Ich habe keine Erfahrung damit, sodass ich am Anfang verloren war, nicht wusste, was ich tun soll. Es war komisch für mich, nicht zu trainieren, weil ich sonst immer im Training bin und immer bereit. Deswegen habe ich jetzt wahrscheinlich auch diese Entzündungen, weil ich sofort wieder bei 100 Prozent einsteigen wollte. Aber das war nicht klug, ich hätte es leichter angehen sollen.»

Ziel: Pokal gewinnen oder in Top 3

Tomislav Puljic, der sich als geselligen Menschen beschreibt und immer für einen Spass zu haben sei, ist zuversichtlich, dass der FCL in der kommenden Saison die ganze Liga überraschen kann. Eine Platzierung in den Top 3 hält er für möglich. Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren in einer Mannschaft gehört für ihn die Atmosphäre. Und die sei beim FCL derzeit sehr gut, super, oder wie er auf kroatisch sagt: extra.

«Mein Ziel ist es, dass wir einen Pokal gewinnen können. Und wenn sich das ergibt, bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt.»

Tomislav Puljic über seine Ambitionen

«Mein Ziel ist es, dass wir einen Pokal gewinnen können. Und wenn sich das ergibt, bin ich der glücklichste Mensch auf der Welt.» Für sich selbst wünscht er sich, gesund zu bleiben und zu der Form zurückzukehren, die er zu Beginn der letzten Rückrunde hatte. «In der Rückrunde war wirklich alles auf einem hohen Niveau. Wir müssen einfach so weiterspielen und dann wird alles gut.»

Über seine fernere Zukunft denkt der Verteidiger nicht gross nach. «Solange ich gesund bleibe und das Gefühl habe, dass ich mithalten kann, will ich spielen.» Der Mann, dem unter den markanten Augenbrauen der Schalk aus der Iris glänzt, kann sich vorstellen, seine Spielerkarriere in Luzern zu beenden und auch darüber hinaus hier sesshaft zu werden. «Meine Familie hat bestimmt nichts dagegen, hier ist es schön. Aber man weiss nie, was das Leben bringt.»

Puljics Vertrag beim FCL läuft noch bis zum Sommer 2016 mit Option auf automatische Verlängerung, falls der Innenverteidiger genügend Spiele absolviert. Sein Kontrakt verlängert sich demnach von selbst, wenn er einfach da weitermacht, wo er aufgehört hat.

Hinweis I: Unser freier Mitarbeiter Elia Saeed hat das Interview auf kroatisch geführt.

Hinweis II: Diesen Sonntag feiert der FCL auf der Allmend die Saisoneröffnung.

15 Tore hat Puljic schon für den FCL geschossen. Keine schlechte Ausbeute für einen Verteidiger (Quelle: fcl.ch).

15 Tore hat Puljic schon für den FCL geschossen. Keine schlechte Ausbeute für einen Verteidiger (Quelle: fcl.ch).

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