Eine Reportage von der Streethockey-WM

Wo die Krawatte zu den Bermudashorts passt

Mässig enthusiastisch schauen sich ein paar Gäste den Match an. (Bild: wia)

Die Streethockey-Weltmeisterschaft ist in Zug in vollem Gange. Eine Randsportart wird zum Grossanlass gepusht, und das Konzept scheint aufzugehen. Über 18’000 Menschen haben bisher den Weg in die Bossard-Arena gefunden. Und auch wenn die Ränge bei einigen Spielen fast leer bleiben, ist das laut den Organisatoren kein Grund zur Beunruhigung.

30 Sekunden nach Spielbeginn, und schon pfeffert ein schneller Kanadier den knallorangen Ball ins Netz. Es ist das erste von 15 Toren, das Kanada gegen die Bermudas innerhalb der 45-minütigen Spielzeit erzielen wird. Das passiert so unauffällig, dass man kaum mitzählen kann. Denn johlende Fans gibt es nicht sehr viele. Es sind etwa 100 Leute, die sich für das Spiel in die Bossard-Arena begeben haben.

Und wo sind denn die Schlittschuhe?

Das ist nicht verwunderlich, denn zum einen ist es Montagmittag und der Schweizer Normalbürger arbeitet, zum anderen ist Bermudas gegen Kanada wohl nicht der packendste Match, der hier in den kommenden Tagen gespielt wird. Überhaupt ist das Ganze ziemlich unspektakulär für das ungeübte Auge. Immer wieder drängt sich der Gedanke auf, dass den Spielern die Schlittschuhe abhandengekommen sind.

Die Regeln von Eishockey und Streethockey sind nämlich fast identisch. Die Ausrüstung gleicht sich, einzig der Puck wird hier durch einen Hartplastikball ersetzt. Das Feld ist gleich gross wie jenes beim Eishockey, entsprechend weit müssen die Sportler rennen. Nur die Offsideregel ist leicht anders. Zudem dauern die Spiele insgesamt nur 45 Minuten, dreigeteilt in 15-minütige Abschnitte.

Eher Surferverschnitt statt Hockeyspieler

Hier und da schwingt jemand eine Kanadaflagge, da und dort sitzen Nationalspieler anderer Länder, die gerade ihre Pause geniessen. So beispielsweise einige der Spieler der Cayman Islands, die den Match interessiert mitverfolgen und laut jubeln, als die Bermudas ihr einziges Tor schiessen. Weil es sich ebenfalls um ein karibisches Land handelt, hält man untereinander zusammen, erklärt einer der Spieler von den Cayman Islands. Seine Teamkollegen vom kleinen Inselstaat sehen allesamt mehr wie Surfer denn Hockeyspieler aus.

Den Kanadiern ist kein Manöver zu anstrengend, damit ein Goal erzielt werden kann.

Den Kanadiern ist kein Manöver zu anstrengend, damit ein Goal erzielt werden kann.

(Bild: wia)

Nach sechs Minuten Spielzeit steht es bereits 3:0 – ein Kantersieg zeichnet sich ab. Als Zuschauerin muss man sich konzentrieren, dass man am Ball bleibt. Wegen der fehlenden Euphorie in der Arena fällt es einem viel schwerer, sich auf das Spiel zu fokussieren.

Manche kommen aus pragmatischen Gründen

Zwei Kanadier sitzen ziemlich verloren in den Rängen. Durch ihre rot-weisse Kleidung sind sie ihrem Heimatland unverkennbar zuzuordnen. Ausserdem haben auch sie eine Flagge mitgebracht, welche sie über die vorderen Sitze legen. Sie sind aber eigentlich nicht für die Herrenmannschaft hier, erklären sie. «Unsere Tochter spielt bei den Damen.» Und selbst wenn das Herrenteam ihrem Land alle Ehre macht, scheinen sie sich nicht dafür begeistern zu können. Nach dem ersten Drittel der Spielzeit sind sie wieder weg.

Doch nicht nur Ausländer sind beim Spiel anzutreffen, sondern auch ein Lokalpromi lässt sich blicken. Der Zuger Regierungsrat Matthias Michel ist dabei, gemeinsam mit seinem Sohn. Und das hat pragmatische Gründe. Michel senior: «Ich wäre heute mit Kochen dran gewesen. Darum dachte ich mir, wir könnten gerade so gut hier etwas essen und gleichzeitig den Match schauen.»

«Sie scheinen hier genauso gut foulen zu können wie auf dem Eis.»

Eine Spielbesucherin

Eine ältere Dame ist alleine gekommen. «Ich habe heute gelesen, dass Bermuda spielt. Da ich schon sehr oft dort war und emotional mit dem Ort verbunden bin, wollte ich mir das Spiel ansehen.» Auch, wenn sie sonst nichts mit diesem Sport zu tun habe, erklärt die Frau weiter. «Ich war hingegen schon an einigen Eishockeyspielen, und das ist ja sehr ähnlich. Ausserdem scheinen sie hier genauso gut foulen zu können wie auf dem Eis.»

Nachdem sich die kanadischen Spieler ihre wohlverdiente Hymne zu Gemüte geführt haben, der beste Spieler eine Zuger Kirschtorte erhalten hat und sich die Sportler in die Kabinen zurückgezogen haben, bereiten sich schon die nächsten zwei Teams Finnland und Slowakei vor.

Eine erfolgreiche Niederlage, findet Bermuda.

Eine erfolgreiche Niederlage, findet Bermuda.

(Bild: wia)

1:15 – «eine gute Niederlage»

Eine 1:15-Niederlage, das muss man erst verkraften. Doch der Coach Dan Kirkpatrick und der Manager Ryan Sulley der bermudischen Mannschaft sehen das ganz anders. Die beiden Herren stehen nach dem Spiel in Krawatte und Bermudashorts bei den Garderoben an die Wand gelehnt und sehen völlig entspannt aus.

An Humor mangelt's ihnen nicht: Der Manager und der Coach des Team Bermuda.

An Humor mangelt’s ihnen nicht: Der Manager und der Coach des Team Bermuda.

(Bild: wia)

«Wir sind sehr zufrieden mit der Leistung unseres Teams», erklären sie. Denn Kanada sei nun mal ein sehr harter Gegner. «Und heute haben wir unserer erstes Goal im Turnier gemacht», erklärt der Coach stolz. Die Bermudas sind ein Inselstaat mit rund 60’000 Einwohnern. Das sind weniger Einwohner, als der Kanton Zug hat.

«Unser jüngster Spieler ist 29 Jahre alt, unser ältester ist 59.»

Ryan Sulley, Manager der bermudischen Streethockey-Nati

«Entsprechend klein ist die Auswahl, die wir an Spielern haben. Es sind nur 80 Leute, die Streethockey spielen auf den Bermudas. Unser jüngster Spieler ist 29 Jahre alt, unser ältester ist 59», sagt Sulley und lacht. Es sei nur logisch, dass ein grosses Land wie Kanada das bessere Team stellen könne. «Auch wenn es uns hauptsächlich darum geht, spielen zu können und dabei Spass zu haben, gibt es auch bei uns Rivalitäten.» Und er nennt auch gleich den grössten Konkurrenten: «Die Cayman Islands sind unsere grössten Gegner. Deshalb waren wir auch sehr positiv überrascht, dass sie uns heute beim Spiel gegen Kanada unterstützt haben.»

18’000 Gäste innerhalb von drei Tagen

Wenn man sich bei Spielern und Gästen umhört, ist das Feedback zum Anlass immer dasselbe. Alle rühmen den Event, der aus der WM gemacht wurde, freuen sich über die vielen Leute, die Konzerte und die Atmosphäre.

Wie sieht das OK-Präsident Maurus Schönenberger? «Genauso. Bis jetzt ist alles super. Wir hatten bisher null Probleme, die Stimmung war super, gestern hatten wir 6’000 Leute auf dem Platz, in den ersten drei Tagen waren es insgesamt 18’000 Gäste.» Ist man denn nicht enttäuscht, dass bei vielen Spielen nur wenige Zuschauer kommen? «Nein, es ist schliesslich Montagnachmittag, die Leute müssen arbeiten. Dafür ist es umso toller, dass beispielsweise am Sonntag, als die Slowakei gespielt hat, etwa 2’000 Gäste am Match waren.»

Auch bei den Konzerten sei bis jetzt alles erfolgreich verlaufen. So gut, dass man Gäste habe abweisen müssen. «Am Freitag spielen Lo & Leduc. So, wie es aussieht, werden dort Tausende von Leuten kommen. Das macht mir schon fast etwas Bauchweh.»

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