Luzernerin wurde bei Blitzeinschlag verletzt

Felsberg-Gewitter: So knapp entkam Silvia dem Tod

Schmerzen beim Treppensteigen: das Knie wurde ausgekratzt.

(Bild: hae)

Silvia hatte Glück im Unglück: Die junge Frau befand sich nur sechs Meter neben dem vom Blitz getroffenen Mammutbaum am Luzerner Felsberg. Ihre Ärzte sagten, dass sie genauso gut tot sein könnte. Einen Schock trug ihr Arbeitskollege davon, der Zeuge des heftigen Blitzeinschlags und ihrer Verletzungen war.

«Wäre ich nur einen Meter näher beim Baum gestanden – ich wäre ziemlich sicher mausetot», sagt die Luzernerin, die wir Silvia nennen wollen. Die 22-jährige Handwerkerin, die an diesem Morgen beruflich am Felsberg unterwegs war, möchte lieber anonym von ihrem Schicksalstag erzählen. Denn sie hat derzeit genug anderes um die Ohren.

Der Mittwoch, 8. August, wird ihr in Erinnerung bleiben: Als der Blitz nur sechs Meter neben ihr frühmorgens in einen Mammutbaum einschlug, warf es sie durch die Druckwelle sofort auf den Boden. «Dann zuckte die elektrische Ladung durch meinen Körper. Das war heftig!»

Ambulanz brauchte fast eine Stunde

Silvia hatte Angst, und sofort raffte sie sich auf – doch die splitternden Holzteile des 40 Meter hohen Baumes flogen überall herum. Die Äste prasselten auf sie nieder und verletzten ihren Rücken. «Das waren harte Schläge», erzählt sie im Schlafzimmer. Es ist ein sonniger Sommertag, doch Silvia muss das Bett hüten.

Beim Pfeil stand Silvia bwährend des Blitzeinschlags. Nur wenig näher beim Baum hätte sie der grosse Ast erschlagen.

Beim Pfeil stand Silvia bwährend des Blitzeinschlags. Nur wenig näher beim Baum hätte sie der grosse Ast erschlagen.

(Bild: zvg)

Sie versuchte zwei Schritte, doch die Schmerzen liessen sie wieder einbrechen. Also schleppte sich unter ein Dach und funktionierte danach sehr rational: Silvia gab dem Lehrling die Notfallnummer 144 durch, doch es dauerte fast eine Stunde, bis die Ambulanz da war. «Naja, es war ein grosses Unwetter, da befanden sich halt viele Menschen in Bedrängnis», zuckt sie die Schultern.

«Ich will nicht klagen: Ich hatte Riesenglück.»

Blitzopfer Silvia

Im Spital stellten die Ärzte nebst vielen Prellungen und Quetschungen zwei angebrochene Lendenwirbel fest. Das Knie musste aufgrund der vielen kleinen Steine im Fleisch ausgekratzt werden, weil Silvia mit voller Wucht auf den Kiesweg geschleudert wurde. Die ersten drei Tage nach dem grossen Unwetter und dem Blitzeinschlag (zentralplus berichtete) musste sie im Spital bleiben.

Jetzt, neun Tage nach dem Unglück, zeugen noch riesige blaue Flecken vom Unheil, das Silvia erlebte. «Aber ich will nicht klagen: Ich hatte Riesenglück.» Heute leidet sie immer noch unter starken Schmerzen, hat einen geschwollenen Lendenbereich, aber ihr Lachen doch schon wieder gefunden.

Zwei Lendenwirbel sind angebrochen: Glück im Unglück für Silvia.

Zwei Lendenwirbel sind angebrochen: Glück im Unglück für Silvia.

(Bild: hae)

Sie spricht von mehreren Schutzengeln, die ihr an jenem Mittwoch halfen. Silvia erzählt mit ruhiger Stimme, denn seit den letzten Tagen weiss die junge Frau, was es heisst, «in der Verlängerung» zu leben.

Aber: Was suchte Silvia, die in der Luzerner Peripherie auf einem Bauernhof lebt, denn um 7 Uhr in der Früh am Felsberg? Mit einem Handwerkerteam befand sie sich auf dem Weg zur Arbeit, es regnete wie beim Weltuntergang: «Wir hatten 30 Meter zu Fuss vor uns, wir hetzten ohne Regenschutz vom Parkplatz bis zum Schulhaus.»

Gruppenverantwortliche Silvia

Silvia, an diesem Morgen Gruppenverantwortliche eines Lehrlings (17) und eines syrischen Praktikanten (44) und auch den Camion chauffiert hatte, rief gerade ihren Kollegen zu, sich doch zu beeilen. In dem Moment schlug der Blitz zu.

150'000 Blitze jährlich

Eine Studie der ETH zusammen mit dem Schweizer Fernsehen ergab, dass rund 150'000 Blitze jährlich in der Schweiz niedergehen, alle zwei Jahre stirbt daran ein Mensch. Zum Vergleich: Durch «Mord und Totschlag» sterben etwa 50 Personen im Jahr, rund 230 Personen kommen im Strassenverkehr ums Leben.

«Ich hatte Riesenglück im Unglück: Wäre ich nur wenig näher beim Baum gewesen, wäre ein oberschenkeldicker Ast auf mich geknallt.» Silvia hatte Shorts, ein T-Shirt und immerhin gutes Schuhwerk an.

Sie schüttelt den Kopf, kann immer noch nicht glauben, was ihr da in wenigen Sekunden passierte. Immer wieder erlebt sie den Unfall in Gedanken. Ihre Eltern und ihr Freund sind Silvia derzeit eine grosse Stütze und sorgen für Ablenkung, im Schlafzimmer liegen viele Geschenke von Besuchern: Schokolade, DVDs und Blumen.

«Unsere Tochter ist hart im Nehmen.»

Mutter des Blitzopfers

Doch die Tage sind für die sonst sehr quirlige junge Frau sehr lang. Ihre Mutter sagt: «Unsere Tochter ist ein Springinsfeld, der auch schon vom Ross fiel – doch sie ist hart im Nehmen.» Mama ist froh, die beiden lächeln und halten sich die Hände, denn der erste Schock ist überstanden.

Zehn Minuten für 28 Treppenstufen

Einen grossen Schock erlebte auch der syrische Mitarbeiter, der mitanschauen musste, wie Silvia verletzt wurde. Da seien ihm wohl wieder die Kriegsbilder aus seiner Heimat hochgekommen, vermutet Silvia. «Er wollte mich möglichst schnell besuchen und wissen, dass ich auf dem Weg zur Besserung bin.» Jetzt sei er aber beruhigt und wieder an der Arbeit.

Viele Medikamente und ein Glückskäfer: Für die nächsten Wochen ist Silvia ausser Gefecht.

Viele Medikamente und ein Glückskäfer: Für die nächsten Wochen ist Silvia ausser Gefecht.

Derzeit geht es mit Silvias Heilung rasch voran, auch wenn sie oft nur zwei Stunden am Stück schlafen kann und dann wieder neue Morphinmittel gegen die Schmerzen nehmen muss. Und von der guten Stube in ihr Schlafzimmer unter dem Dach braucht sie zehn Minuten, um die 28 Treppenstufen zu erklimmen. Die Stunden fliessen zäh, doch abends kommt ihr Freund, mit dem sie zusammenwohnt.

«Meine Tante hat jemanden im Bekanntenkreis, der vom Blitz erschlagen wurde.»

Silvia

An die geplanten Ferien ist derzeit nicht zu denken, wollte sie doch mit ihrem Partner zwei Wochen nach England verreisen. «Aber ich bin dankbar: Meine Tante hat jemanden im Bekanntenkreis, der 30 Kilometer von einem heftigen Gewitter entfernt war und trotzdem vom Blitz erschlagen wurde.»

Rückhalt in der Familie: Silvias Mutter ist für die angeschlagene Tochter da. 

Rückhalt in der Familie: Silvias Mutter ist für die angeschlagene Tochter da. 

(Bild: hae)

Diese Wetterkapriolen seien unberechenbar, weiss die Bauerntochter, die oft draussen arbeitet. Immerhin hat Silvia gelernt, wie bei Gewitterdrohung zu reagieren sei: nicht in den Wald gehen, Bäume meiden und schon gar nicht auf Hügelkuppen steigen. «Vor allem Sommergewitter sind schlimm.»

Da mögen derzeit noch andere Blitze anstehen – Silvia bleibt nun gerne im Haus. Sie ist für mindestens sechs Wochen krankgeschrieben.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon