Kapellbrücke-Brand 1993: Der Wiederaufbauer

So kam Ex-«Stadtvater» Franz Kurzmeyer von der Krise zum Erfolg

Der Macher und das Wahrzeichen: Ex-Stadtpräsident Franz Kurzmeyer vor der Kapellbrücke.

(Bild: hae)

Franz Kurzmeyer war von 1984 bis 1996 Luzerns Stadtpräsident. Als Polizeidirektor erlebte er den Brand der Kapellbrücke vor 25 Jahren. Schlafend, dann aber schnell reagierend. Er erinnert sich an den Jahrhundertbrand des Luzerner Wahrzeichens – die grösste Aufgabe des politischen Schwergewichts.

«Ciao Franz, schön, dich in der Stadt zu sehen!» «Herr Kurzmeyer, danke fürs KKL.» «Franz, was meinst zu den Chinesenhorden?» – Wer mit dem ehemaligen Stapi durch Luzern schlendert, darf sich auf ein angenehmes Spiessrutenlaufen gefasst machen: Von allen Seiten wird Franz Kurzmeyer gegrüsst, hier ein Händeschütteln oder ein kurzer Schwatz, dort ein Dankeschön.

Ja, dem liberal-freisinnigen «Stadtvater» von 1984 bis 1996 haben viele in dieser Stadt etwas zu verdanken: die Hochkultur und der Tourismus blicken stolz auf das KKL, die Alternativkultur auf die ehemalige Boa, die Schüür sowie das Bourbaki. Von den Drogensüchtigen auf der Strasse ganz zu schweigen. Und dann wäre da ja vor allem auch der fixe Wiederaufbau der Kapellbrücke nach dem schrecklichen Brand vor 25 Jahren: Kurzmeyers Werk.

Franz Kurzmeyer wird Ende August 83 und ist langsam zu Fuss, ist er doch in den letzten Monaten zweimal hingefallen. Und er entschuldigt sich für allfällige «Gedankenaussetzer» schon im Vornherein, doch Franz Kurzmeyer hat immer noch das charmante Lächeln von einst, mit dem er selbst seine Feinde für sich einnahm. Und er bedankt sich am Schluss, dass man ihn noch einmal angehört hat. Alte Schule.

Schwimmen im Lido

Der früher füllige Kurzmeyer ist heute von schlanker Gestalt. «Ich wiege 17 Kilo weniger als in meinen schönsten Jahren. Vielleicht auch, weil ich heute viel Zeit zum Schwimmen im Lido habe?» Schwimmen musste er auch vor 25 Jahren, als in der Nacht vom 18. August die Kapellbrücke lichterloh brannte (zentralplus berichtete). Aber nicht lange. Vollblutpolitiker Franz Kurzmeyer, dessen Vater Werner einst im Nationalrat sass, erwies sich auch in seiner grössten Aufgabe als politisches Schwergewicht.

Kapellbrücke-Brand vor 25 Jahren

In der Nacht auf den 18. August 1993 zerstörte ein Brand das Wahrzeichen von Luzern. zentralplus widmet dem Ereignis eine Artikelserie:

  • Der Rückblick: Wieso brannte die Kapellbrücke vor 25 Jahren?
  • Der Wiederaufbauer: Wie «Stadtvater» Franz Kurzmeyer die Krise in einen Erfolg umwandelte.
  • Die Lehren daraus: Wieso ein Feuer heute keine Chance mehr hätte.
  • Die grössten Feuer: Welche Brände in Luzerns Geschichte wüteten.

zentralplus: Franz Kurzmeyer, als der langjährige Stadtschreiber Luzerns, Toni Göpfert, nach 27 Jahren im Amt in Pension ging, antwortete er auf die Frage, welche Höhepunkte er in seiner Karriere erlebte: «Der Entscheid fürs KKL und der prächtige Bau. Sowie der Brand der Kapellbrücke, und wie man dann entschied, sie möglichst schnell wieder aufzubauen.» Sie waren bei Göpferts «einschneidenden Erlebnissen» der starke Mann der Stadt.

Franz Kurzmeyer: Ja, das waren beides aufregende Zeiten. Aber in Tat und Wahrheit habe ich den Brand vorerst förmlich «verschlafen». Ich hatte zwar als Polizeidirektor und Stapi zwei Telefone – aber das Polizeitelefon hatte ich in dieser Nacht abgestellt.

zentralplus: Wie erfuhren Sie vom Brand?

Kurzmeyer: Meine Frau kam nach den Morgennachrichten am Radio ins Schlafzimmer gerannt mit der traurigen Nachricht. Ich sagte nur: «Das kann ja nicht sein.» Wir hatten am selben Morgen Stadtratssitzung und keine anderen Pendenzen.

zentralplus: Gab das Stress, auch wenn Sie damals schon zehn Jahre lang Stapi waren und somit ein Routinier?

«Wir waren vorerst alle schockiert. Unser Wahrzeichen brennt!»

Kurzmeyer: Naja, wir waren vorerst alle schockiert. Unser Wahrzeichen brennt! Wir sind aber sehr schnell und strukturiert vorgegangen. Offenbar so vorbildlich, dass sogar Hans Ruedi Meyer, ein ehemaliger Luzerner Stadtpräsident, der immer viel über mein Team geschimpft hatte, angenehm überrascht war über unser schnelles Entscheiden. Innert einer Stunde Sitzung war uns klar, wie wir agieren wollten.

zentralplus: Nämlich wie?

Kurzmeyer: Wir entschieden, dass wir die Brücke wieder aufbauen würden, obwohl auch viele andere Meinungen um die Welt gingen: etwa, dass man die Brücke gleich ganz abreissen solle, oder sie mit einem schützenden Plexiglasmantel umgeben. Einige meinten gar, wir sollten ein europäisches Konzept abwarten – aber hallo, wir konnten doch nicht runde zehn Jahre auf einen Entscheid warten … Zumal die Brücke ja gar nicht so alt war.

zentralplus: Wie meinen Sie das?

Kurzmeyer: Kurz nach der Sitzung traf ich einen Baufachmann, der mich fragte, warum wir denn so traurig seien, die Brückensubstanz sei ja gar nicht mehr aus dem 13. Jahrhundert. Sein Unternehmen hatte die Kapellbrücke in den Jahren 1968 und 1969 komplett erneuert. Somit lagen die detaillierten Pläne der Brücke bereits vor. Welche Erleichterung! So war der Wiederaufbau sofort in Angriff zu nehmen.

Der Ex-«Stadtvater» in der Ahnengalerie der Stadtpräsidenten: hinten ein historisches Porträt von Franz Kurzmeyer.

Der Ex-«Stadtvater» in der Ahnengalerie der Stadtpräsidenten: hinten ein historisches Porträt von Franz Kurzmeyer.

(Bild: hae)

zentralplus: Die Anteilnahme war weltweit gross, es gab Schlagzeilen rund um die Welt. Man wollte von überall sofort good news aus Luzern hören.

«Aus Argentinien kamen Spenden in 5-Dollar-Noten. Bundespräsident Ogi wollte uns finanzielle Unterstützung anbieten.»

Kurzmeyer: Ja, es kamen Journalisten aus aller Welt. Und auch viele Zuschriften. Aus Argentinien beispielsweise kamen Spenden in 5-Dollar-Noten, aber die durften wir gar nicht annehmen. Am Tag nach dem Brand gastierte Bundespräsident Adolf Ogi traditionellerweise zur Eröffnung der Musikfestwochen im Hotel Schweizerhof. Auch er war schockiert und wollte uns finanzielle Unterstützung anbieten.

zentralplus: Das ging ja auch nicht, denn der Brand war ja finanziell durch die Versicherung gedeckt, oder?

Kurzmeyer: Genau, aber wir waren schlau und sagten Ogi, er solle das Geld doch viel allgemeiner formuliert als «Spenden für allgemeine Schäden» anbieten.

zentralplus: Nicht einmal ein Jahr später wurde der Neubau eröffnet.

Kurzmeyer: Tourismusdirektor Kurt H. Illi und dem damaligen Verkehrsverein gelang es, bereits die Brandkatastrophe den Medien in aller Welt gut zu verkaufen: medienwirksam mit Tränen in den Augen. Das war für Luzern eine ausgezeichnete Werbung. Die Eröffnung des Neubaus am 14. April 1994 – also nicht einmal ein Jahr später – wollten die Touristiker mit einem grossen Drum und Dran feiern, dabei dachten wir zuerst nur an ein Fest für Luzern.

15'000mal am Tag überquert und von aller Welt besucht: Touristenmagnet Kapellbrücke.

15’000mal am Tag überquert und von aller Welt besucht: Touristenmagnet Kapellbrücke.

(Bild: hae)

 

zentralplus: Was haben Sie heute für Gefühle, wenn Sie über die Kapellbrücke gehen?

«Ich bahne mir den Weg mit ausgestrecktem Arm durch die Chinesenmenge.»

Kurzmeyer: Ich laufe eher selten über die Brücke, denn man kommt ja wegen der vielen Gäste nicht schnell vorwärts (lacht). Aber ich mag die Touristen, denn sie tun der Stadt gut. Und ich habe Freude, wenn was läuft in unserer Stadt. Ich bahne mir den Weg mit ausgestrecktem Arm durch die Chinesenmenge. Ich finde, man muss ihnen lächelnd begegnen, einem Lächeln können sie nicht widerstehen.

zentralplus: Schon damals nahm die asiatische Welt grosse Anteilnahme am Luzerner Wahrzeichen.

Kurzmeyer: Ja, wir haben Tourismusdirektor Illi viel zu verdanken. Er weibelte im Ausland, und wir kamen gut aneinander vorbei.

zentralplus: Er war ja dafür an jeder Hundsverlochete dabei. Was war Ihr Erfolgsrezept?

Kurzmeyer: Wir zwei haben einander nicht dreingeredet, das machte uns gemeinsam stark. Und ich selber war nicht überall dabei, denn ich hielt mich an die Tipps meines Vorvorgängers Hans Ruedi Meyer …

zentralplus: … dem Stapi von 1967 bis 1979 …

«Nimm bei Einladungen immer deine Frau mit, mit der kannst du reden, falls dein Gegenüber langweilt.»

Kurzmeyer: … er gab mir zwei Ratschläge mit auf den Weg: «Nimm bei Einladungen immer deine Frau mit, mit der kannst du reden, falls dein Gegenüber langweilt.» Und: «Geh wenn möglich nur an die Apéros, grosse Festmähler gilt es zu meiden, denn dafür braucht man zu viel Zeit.»

zentralplus: Zeit nehmen Sie sich heute lieber für Lektüre. Sie sind ja grosser Fan des englischen Königshauses.

Kurzmeyer: Und wie! Letzthin sah ich am TV ein Interview mit der 93-jährigen Monarchin. Die Queen referierte liebevoll über ihre Gärten. So möchte ich auch mal alt werden.

zentralplus: Bis dahin haben Sie ja noch zehn Jahre vor sich! Was würden Sie sich dafür wünschen?

Kurzmeyer: Ich hoffe, dass meine Familie gesund zusammenbleibt, dass ich Freunde wie Peter Studer …

zentralplus: … den grossen Journalisten (zentralplus berichtete) …

Kurzmeyer: … pflegen kann. Und vor allem hoffe ich, dass die Stadt Luzern ihren Charakter nicht einbüsst. Wir können doch zufrieden sein, sind wir in einer so schönen Stadt zu Hause, mit lieben Menschen.

Stadtvater Kurzmeyer

Auf die Frage, warum er Stadtpräsident werden wolle, antwortete Franz Kurzmeyer 1984: «Weil ich die Menschen gerne habe.» Damals rückte er nach dem plötzlichen Tod des Stapis Matthias Luchsinger nach, obwohl er gar nicht geplant hatte, das höchste Amt je zu bekleiden. Der Jurist kam in Luzern zur Welt, wo er heute noch mit seiner Frau Annemarie Christ (83) lebt, die er im zweiten Gymi kennenlernte.

Kurzmeyer ist dreifacher Vater und hat fünf Enkelkinder. Als sein grösstes Verdienst gilt es, dass er, zusammen mit Manager Thomas Held, die Luzerner Bevölkerung an der Urne dazu brachte, für das KKL 97 Millionen mit einer Wahlzustimmung von 67,7 Prozent durchzuboxen. Wegen seiner positiven, fast väterlichen Art ging Franz Kurzmeyer als «Stadtvater» in die Geschichte ein.

Distanz zum Wahrzeichen: Franz Kurzmeyer mag die Touristen, aber nicht das Gedränge auf der Kapellbrücke.

Distanz zum Wahrzeichen: Franz Kurzmeyer mag die Touristen, aber nicht das Gedränge auf der Kapellbrücke.

(Bild: hae)

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