Nebel, öV, tote Hose, Doppelspurausbau…

Expats mäkeln am Zuger Paradies herum

Wolken über dem Paradies? Mit so Manchem sind Zuger Expats nicht so ganz zufrieden.

Eigentlich leben sie wie Gott in Zug: Expats, die aus aller Welt hierher kommen, um ein paar nette Jahre zu erleben. Da sind die schöne Natur, die tiefen Steuern, die romantischen Sonnenuntergänge, die luxuriösen Wohnungen – um nur einige der vielen Zuger Trümpfe zu nennen. Doch Expats werden immer anspruchsvoller – wie ein Blick in Chats zeigt.

«Die Schweizer leben wie Geister», schreibt ein Franzose, der in Zug lebt, in einem Chat für Expats. «Sie beachten sich nicht. Sie schauen sich nicht an. Und mit der Zeit wurde ich auch so. Ich wurde in der Schweiz zum Geist.»

Oh là là! Da hat ein Expat offenbar eine spirituelle Erfahrung der anderen Art gemacht. Und das im doch so weltoffenen Zug. Doch scheinbar ist er nicht allein.

Zug und Zürich: «Wenig beliebte Destinationen»

Denn wie Edelfeder Sacha Batthyany jüngst in einem Artikel in der «NZZ am Sonntag» über seine frustrierende Rückkehr in die Schweiz nach zehn Jahren Aufenthalt in den USA schildert, geht es dem Schweizer Journalisten anscheinend wie vielen desillusionierten Expats in Zug und Zürich.

«Wer das nicht glaubt, muss sich nur die vielen Umfragen unter Expats zu Gemüte führen, die unserem Land unteriridische Noten bescheinigen.»

Sacha Batthyany, Journalist der «NZZ am Sonntag»

In der Schweiz sei der Umgang viel rauer als in den USA, schreibt Batthyany. «Wer das nicht glaubt, muss sich nur die vielen Umfragen unter Expats zu Gemüte führen, die unserem Land unteriridische Noten bescheinigen», so der Star-Journalist. Und das nicht zuletzt in solchen Expat-Zentren wie Zürich und Zug.

Dies trotz hervorragender Lebensqualität und Sicherheit – Städte wie Zürich und Zug würden nämlich unter Expats «als wenig beliebte Destinationen gelten», so Sacha Batthyany. Grund: Man müsse hier eben nicht nur arbeiten, sondern auch leben. Und das Leben hier empfinden sieben von zehn Expats angeblich als mühselig. Sie hätten Schwierigkeiten, Freunde zu finden. Sie würden sich nicht willkommen fühlen, und die Schweizer seien unnahbar bis unfreundlich. Dazu komme der komplizierte Dialekt.

«Anybody live in Walchwil?»

Wirkt diese Generalkritik an der Schweizer Mentalität schon fast klischeeartig, gibt es tatsächlich auch konkretere Kritik von Zuger Expats an ihrer vorübergehenden neuen Heimat – wie man an zahlreichen Beiträgen in Chats wie englishforum.ch und expatica.ch ablesen kann.

In einem Chat, in dem sich ein Expat, der von Zürich nach Zug umziehen will, danach erkundigt, wie es sich in Walchwil lebt («Anybody live in Walchwil?»), kommt so manch schwelender Frust an die Oberfläche.

Kaum Infrastruktur

Da ist die Rede von der Tatsache, dass in Walchwil ein «lack of amenities compared to the city» bestehe. Auf gut Deutsch: Im noblen Walchwil ist quasi der Hund begraben. Was ja nicht ganz unrichtig ist – schliesslich gibt es in dem Villen-Schlafdorf ausser einem Spar-Markt nicht gerade viel an Infrastruktur. Immerhin kann man neuerdings ins hübsche Café neben der Kirche gehen.

Ein anderer Expat beklagt sich darüber, dass man in Walchwil nicht gross auswählen könne, wenn man ein Haus oder eine Wohnung suche («property was in short supply»). Auch gebe es in Walchwil keine «viewing list». Also keinen Katalog im Internet.

Auch der geplante Doppelspurausbau der SBB in Walchwil schreckt jetzt so manchen Expat im Schlaf auf – aus Furcht vor mehr Lärm und quietschenden Zügen.

Auch der geplante Doppelspurausbau der SBB in Walchwil schreckt jetzt so manchen Expat im Schlaf auf – aus Furcht vor mehr Lärm und quietschenden Zügen.

(Bild: PD)

Aber auch die Angst vor dem nun fixen Doppelspur-Ausbau der SBB bereitet so manchem Walchwiler Expat in Sachen Lärm, bedingt durch künftig mehr Züge, schon jetzt viel Kopfzerbrechen. Ein anderer Brite beruhigt seinen lärmempfindlichen Landsmann, indem er ihn darauf hinweist, dass die Züge ja heutzutage immer quietschfreier unterwegs seien.

Der Nebel schlägt so manchen Expats aufs Gemüt

Ein anderes Thema, das viele Zuger Expats offensichtlich beschäftigt, ist die Tatsache, dass es rund um den Zugersee neblig sein kann.

«Zug and the lower areas round the lake can be notoriously cloudy and foggy. We often leave home in Ägeri where it’s bright and sunny, and drive down the hill through the clouds into Zug where it’s grey and a little murky», schreibt ein Expat.

Sein generelles Erfolgsrezept gegen das «trübe» Zug ist hingegen ein altbekanntes – sprich: einfach höher am Hang zu wohnen. «Get a little bit higher and it’s much better», sagt er. Wobei «higher» im Kanton Zug eben im Prinzip eine Frage des Geldbeutels ist – auch wenn kein Kokain im Spiel ist.

«Nebel kann auch etwas Schönes haben – sometimes.»

Expat in einem Chat

Doch auch Expats verfügen über Humor. Einer, der anscheinend im winternebligen Rotkreuz sein Dasein fristet, relativiert die «Fog»-Sorgen seiner Landsleute. Wenn jemand das graue Grossbritannien im Winter überstehe, dann würde einem der Zuger Nebel sicher nichts ausmachen.

Wiederum ein anderer Expat bricht eine Lanze für Zürich: Die Stadt sei erwiesenermassen deutlich weniger nebelanfällig als Zug. Stimmt! Sagt’s und fügt hinzu, dass Nebel andererseits auch etwas Schönes haben könne – «sometimes»!

öV: «A bit too long» von Oberägeri nach Zürich

Ein anderes Thema, das die Gemüter der Expats bewegt, ist der Verkehr. Da gibt es den öffentlichen Nahverkehr, der für einen Pendler nach Zürich von Oberägeri aus doch «a bit too long» dauere. Ganz zu schweigen vom «Drive» mit dem Auto – wofür man noch länger brauche.

Auf der anderen Seite seien die «Highway»-Verbindungen etwa von Cham nach Zürich «pretty good» – wohlgemerkt «outside of rushhour.» Man brauche übrigens unbedingt ein Auto in Cham – sonst gehe es mit dem öV nach Zürich und nach Luzern deutlich länger.

Viele Expats lieben aber Zug

Die Mehrheit der Zuger Expats ist allerdings voll des Lobes über die paradiesischen Lebensverhältnisse in Zug.

Das gefällt Zuger Expats: Man kann in der «Männerbadi» zwischendurch schnell ins Wasser springen – zwischen zwei Geschäftsterminen etwa.

Das gefällt Zuger Expats: Man kann in der «Männerbadi» zwischendurch schnell ins Wasser springen – zwischen zwei Geschäftsterminen etwa.

(Bild: woz)

«I love that everything is so clean. I love it that I can live in the middle of the countryside, but still be only 30 minutes from not one but two cities, Zurich and Lucerne», schreibt eine Mutter stellvertretend für viele andere.

«Adventure weekends»

Und sie hat weitere Liebeserklärungen für Zug parat: dass man im Sommer schnell in den Zugersee springen könne, um zu schwimmen – und das sogar zwischen zwei Geschäftsterminen. Dass man im Winter in 45 Minuten im nächsten Skigebiet sei. Dass ihr Sohn sich draussen selbstständig aufhalten könne, ohne dass sie sich Sorgen um seine Sicherheit machen müsse. Last, but not least, sei es easy, sogenannte «adventure weekends» zu verbringen, indem man einfach einen Trip ins benachbarte Ausland unternehmen könne.

Eine «Expatriotin» aus Deutschland stimmt in diese generelle Lobeshymne mit ein. Nur eines stört sie offensichtlich wirklich in Zug.

«Gewisse Dinge lassen sich einfach nicht so schnell bewegen, wie man sie gerne bewegen würde.» Und konkretisiert: «Ich würde mir manchmal wirklich etwas weniger direkte Demokratie wünschen – weil das dann eben so lange dauert, bis sich was tut.»

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