Täglich treffen sich Zeitungsleser zum Ritual

Stammgast – nicht in der Beiz, sondern in der Zuger Bibliothek

Leben heisst lesen: Heinz Hackl ist einer der Stammgäste in der Bibliothek Zug – wo er fast jeden Morgen die Zeitung liest.

(Bild: woz)

Der Mensch liebt seine Rituale: Heinz Hackl liest fast jeden Morgen zur gleichen Zeit die Zeitung in der Bibliothek Zug. Er geniesst diesen Service public sehr. Nicht nur, weil er die Zugehörigkeit zum unausgesprochenen Klub der Leseratten schätzt.  

Es ist kurz nach neun. Die vier runden Tische im Zeitschriftensaal der Bibliothek Zug sind alle besetzt. Es herrscht eine Atmosphäre der entspannten Konzentration. Nur das Rascheln der Zeitungen beim Umblättern ist zu hören.

«Ich komme fast jeden Morgen hierher», sagt Heinz Hackl. Für den 74-jährigen Zuger beginnt nach dem Frühstück zuhause hier quasi zum zweiten Mal, nein, eigentlich erst richtig der Tag. Der puristische Lesegenuss.

Stammgäste kennen sich

Man kenne sich natürlich untereinander, so der von Melk an der Donau stammende Österreicher. Man nicke den anderen Stammgästen im Lesesaal zu. Man wechsle auf der Strasse, wenn man sich zufällig begegne, auch mal ein paar Worte. Einmal habe er sich mit einem griechischen Arzt ausserhalb der Bibliothek sogar getroffen. «Aber hierher kommen wir natürlich nicht in erster Linie, um miteinander zu reden – sondern um in aller Ruhe zu lesen.»

«Die Mitarbeiter hier sind alle immer sehr freundlich, kompetent und hilfsbereit.»

Heinz Hackl, Stammgast in der Bibliothek Zug

Und Heinz Hackl liest viel und schnell. «Ich bin normalerweise so eine halbe Stunde hier und fange an mit der NZZ und der Zuger Zeitung, um mich generell zu informieren», beschreibt er seinen Weg durch die papierene Lektüre.

Dann gönnt sich der ehemalige Finanzvorstand einer Zuger Rohstoffhandelsfirma einen Blick in die «Financial Times». Oder in den «Herald Tribune». Oder in die «Zeit». Wobei er zugibt, dass er manch interessanten Artikel zuhause online in aller Ruhe nochmals nachliest.

Der Stammtisch der anderen Art: Der Zeitschriften-Lesesaal in der Bibliothek Zug. Heinz Hackl geniesst hier jeden Tag seine Morgenlektüre.

Der Stammtisch der anderen Art: Der Zeitschriften-Lesesaal in der Bibliothek Zug. Heinz Hackl geniesst hier jeden Tag seine Morgenlektüre.

(Bild: woz)

«Ich habe dem Bibliothekspersonal vorgeschlagen, dass man auch den «New Yorker», jenes legendäre amerikanische Literaturmagazin, anschaffen könnte», sagt Hackl. Und lobt im gleichen Atemzug die Mitarbeiter der Bibliothek Zug. «Die sind alle immer sehr freundlich, kompetent und hilfsbereit». Als er neulich einen englischen Krimi nicht gefunden habe, sei ein Mitarbeiter der städtischen Bücherei sofort mit ihm zum Regal gegangen und habe ihm das Buch aufgestöbert.

Seit 40 Jahren schon in Zug

Apropos. Der mittlerweile seit 40 Jahren in Zug wohnende Österreicher liest nämlich nicht nur gerne Zeitungen und Zeitschriften, er schmökert auch gerne Bücher. Krimis oder aktuelle Neuerscheinungen haben es ihm ebenfalls angetan – wie etwa der neue Roman von seinem Landsmann Robert Menasse: «Hauptstadt».

Aber warum geht er nicht einfach in ein Zuger Café und gönnt sich diese Leselust bei einer Schale oder einem Gipfeli? «Ich schätze sehr dieses Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Stammgästen in der Bibliothek Zug», versichert er.

«Egal, wie wir Flüchtlingen gegenüber eingestellt sind, das Flüchtlingsproblem wird uns in Zukunft weiterbeschäftigen.»

Heinz Hackl

Eine verschworene, klassenlose Gemeinschaft des Intellekts quasi. In der Bibliothek sei er inzwischen bekannt wie ein bunter Hund, sagt Hackl. Ein Bibliotheksmitarbeiter, angesprochen auf die Stammgäste in der Bücherei, deutet sofort auf ihn im Lesesaal.

Wobei Heinz Hackl nicht nur gerne in Gesellschaft liest. Sondern auch sonst ein geselliger, ja sozial eingestellter Zeitgenosse ist. «Einen Teil meiner Freizeit widme ich dem Freiwilligenverein FRW Interkultureller Dialog», sagt er. Dieser kümmere sich um die Integration von Flüchtlingen.

«Denn, egal, wie wir Flüchtlingen gegenüber eingestellt sind, das Flüchtlingsproblem wird uns in Zukunft weiterbeschäftigen». Er wolle dabei Asylsuchenden helfen, die Sprache des fremden Lands zu lernen und sich integrieren zu lernen. «Andererseits sollen auch die Schweizer die Flüchtlinge kennen lernen, die zu ihnen ins Land kommen.»

Hackl fährt auch Tixi-Taxi in Zug

An einem Vormittag in der Woche fährt er zusätzlich Tixi-Taxi in Zug. «Das ist eine Sache, die mir persönlich viel gibt. Denn wenn ich sehe, wie Behinderte in der Laqe sind, fröhlich zu sein, relativiert dies die kleinen Alltagswehwehchen, die einen so plagen, doch sehr.»

Doch zurück zu den Bücherregalen. «Ich habe Bibliotheken immer sehr geliebt», sagt Heinz Hackl, der früher in Wien Jura und an der Diplomatenakademie studierte. Zudem sei die Bibiliothek in Zug exzellent ausgestattet und sehr grosszügig gegenüber ihren Nutzern, lobt er.

«Man muss nichts bezahlen, man kann die Bücher problemlos verlängern, auch online, und meiner geschiedenen Frau, die derzeit ein Augenleiden hat und nicht viel lesen kann, hilft die grosse Auswhl an Hörbüchern dort», berichtet er.

«Ich lese schnell und viel», sagt der aus Niederösterreich stammende Heinz Hackl. Der 74-Jährige lebt schon seit 40 Jahren in Zug.

«Ich lese schnell und viel», sagt der aus Niederösterreich stammende Heinz Hackl. Der 74-Jährige lebt schon seit 40 Jahren in Zug.

(Bild: woz)

Nicht zuletzt sorgt der sympathische Austrianer und Vater von drei erwachsenen Kindern dafür, dass der Bibliothek Zug auch Lese-Nachwuchs heranwächst. «Seitdem mein Sohn mit seinen beiden Kindern aus Hongkong nach Zug zurückgezogen ist, gehe ich mit meinen beiden Enkeln öfters in die Bibliothek – damit sie ebenfalls zu solchen Leseratten werden wie ich.»

«Zug ist kosmopolitisch und doch ruhig»

Lesen ist Leben. Dennoch hat Heinz Hackl auch noch andere Hobbys. «Ich höre sehr gerne klassische Musik und bin ein Bruckner-Fan.» Ausserdem verreise er gerne – nach Marokko, Venedig. Wohin es ihn eben gerade verschlägt.

Dabei kehrt der frühere Banker, der schon in Frankfurt, New York, München und Bahrein gearbeitet hat, immer wieder gerne nach Zug zurück. «Weil es hier so kosmopolitisch und gleichzeitig so ruhig ist.» Fast so ruhig wie in der Bibliothek.

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