Luzerner Polizei weibelt um Nachwuchs

Widrigkeiten zum Trotz: Interesse an Polizeiberuf ist ungebrochen

Stefan Achermann informiert sich bei Polizist Sandro Stamm.

(Bild: pze)

Polizist ist ein Knochenjob: Man riskiert seine eigene Sicherheit und ist Buhmann oder Ventil frustrierter Bürger. Dazu kommt in Luzern der Spardruck – Überstunden gehören zum Alltag. Dennoch bewerben sich jedes Jahr über hundert Leute für die Polizeischule. Was treibt sie an? 

«Normalerweise beginnen wir bei der Polizei pünktlich», vermeldete Adi Achermann, Kommandant der Luzerner Polizei, um Punkt neunzehn Uhr über das Saalmikrophon. Scheinbar seien die Parkplätze vor dem Verkehrshaus rar und gewisse Leute verspäteten sich, also mache man eine Ausnahme und warte noch ein paar Minuten.

So begann am Montagabend der Informationstag über den Polizistenberuf. Die verschiedenen Facetten des Berufs eines Ordnungshüters wurden den rund 400 Interessierten vor Ort vorgestellt. Das Ziel des Abends: die Polizeischule schmackhaft machen. Denn sich gnadenlos anhäufende Überstunden, Nachtschichten und das stete Risiko von Beleidigungen oder Schlimmerem machen den Polizistenberuf zu einem Knochenjob (zentralplus berichtete). Dennoch sagt Achermann: «Die Attraktivität des Polizeiberufs ist ungebrochen.» 

Polizist – «ein Kindheitstraum»

Da möchte man wissen: Aus welchem Grund wollen sich auch heute noch junge Menschen die Polizeiuniform überstreifen? «Polizist zu werden, ist ein Kindheitstraum», sagt Besucher Stefan Achermann, der zufällig den gleichen Nachnamen wie der Kommandant höchstpersönlich trägt. «Die Kollegialität im Korps sagt mir zu. Ausserdem fasziniert mich die Verbindung zu den Leuten – man ist mit der Bevölkerung in Kontakt.»

Das Interesse am Polizeiberuf ist nach wie vor hoch.

Das Interesse am Polizeiberuf ist nach wie vor hoch.

(Bild: pze)

«Es ist wichtig, dass ehrliche Leute sich für diesen Beruf interessieren», findet Basil Wirz. Er kam mit seiner Mutter an den Informationstag. «In anderen Ländern hört man von korrupten Polizisten. Deshalb ist es wichtig, dass kompetente und motivierte Leute die Ausbildung machen.» Seine Mutter Sandra Wirz ist indes stolz auf ihren Sohn. «Ich habe volles Vertrauen in ihn und seine Entscheidung», sagt sie zum Berufswunsch ihres Sohns.

Besucherin Agnesa hat der Informationstag sehr überzeugt. «Ich habe mich vorgängig schon eingehend informiert und heute wurden die letzten Fragen beantwortet.» Immer wenn sie Sirenen höre, frage sie sich, was wohl passiert sei. «Man kann den Menschen Sicherheit schenken, das ist sehr wertvoll», resümiert sie.

Angriffe auf Beamte schrecken nicht ab

Das Image des Polizistenberufs bröckelte in den letzten Jahren. Vor allem hat die Achtung vor der Uniform abgenommen: Die Kriminalstatistiken weisen mehr Übergriffe gegen Beamte auf. Polizisten werden bespuckt, mit Fluchwörtern eingedeckt oder mit Gegenständen und Steinen beworfen. Dies führte dazu, dass vor rund eineinhalb Jahren sogenannte Spuckhauben angeschafft werden mussten (zentralplus berichtete). Schreckt das junge Aspiranten nicht ab?

Basil findet, Ehrlichkeit und Respekt seien im Polizeiberuf wichtig.

Basil findet, Ehrlichkeit und Respekt seien im Polizeiberuf wichtig.

(Bild: pze)

«Nein», meint Interessent Basil. «So wie man den Menschen begegnet, so kommt es immer auch zurück.» Gehe man korrekt mit den Menschen um, so antworten diese mit Respekt, ist sich der junge Mann sicher.

Fall Malters kaum ein Thema

Mit einem Imageverlust kämpft die Luzerner Polizei aber nicht nur aufgrund äusserer Einflüsse. Der Fall Malters schlug im letzten Jahr hohe Wellen, bei einem missglückten Einsatz beging eine psychisch kranke Frau Suizid. Daraufhin musste sich die Polizeispitze wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten, wurde jedoch freigesprochen (zentralplus berichtete). Doch von angeschlagenem Ruf könne keine Rede sein: «Das Publikum hat heftig zu unseren Gunsten reagiert», sagt Kommandant Achermann, der selber angeklagt wurde. «Der Fall Malters hat den Rückhalt in der Bevölkerung eher noch gestärkt.»

«Ich habe zwar vom Fall Malters gehört, aber meine Entscheidung, ob ich mich für die Polizeischule bewerbe, beeinflusst das nicht.»

Stefan, interessiert am Polizeiberuf

Tatsächlich, die Interessierten im Verkehrshaus hegten trotz des laufenden Verfahrens gegen den Luzerner Kommandanten kaum Zweifel gegenüber dem Polizistenberuf. «Ich habe zwar vom Fall Malters gehört», sagt Besucher Stefan Achermann, «aber meine Entscheidung, ob ich mich für die Polizeischule bewerbe, beeinflusst das nicht.» Andere haben sich auch schlicht nicht mit dem Thema auseinandergesetzt.

Ist der Job weniger sicher als auch schon?

Dann bleibt der dritte Punkt: die Sparmassnahmen. Im verkorksten Finanzjahr 2017 wurde bei der Polizei die Order erlassen, die angestauten Überstunden abzubauen. Dies führte zu einer Ressourcenknappheit – und viel Sorge um die Sicherheit im Kanton Luzern. So wurde die Patrouillentätigkeit massiv zurückgeschraubt und die Polizei konnte bei gewissen Einsätzen gar nicht mehr ausrücken (zentralplus berichtete).

Agnesa will stets wissen, was passiert ist, wenn sie Sirenen hört.

Agnesa will stets wissen, was passiert ist, wenn sie Sirenen hört.

(Bild: pze)

Urs Wigger, Mediensprecher der Luzerner Polizei, sagt auf Anfrage: «Wir stellen auch fest, dass die Sparmassnahmen und das Image des Kantons Luzern bei den Bewerbenden für den Polizeiberuf selten ein Thema sind.» Sein Eindruck bestätigt sich. Die befragten Interessenten kümmert die Finanzpolitik des Kantons wenig. Der Beruf sei attraktiv und interessant, daran änderte auch der Sparkurs im letzten Jahr wenig. «Polizisten hat es immer gebraucht – und wird es immer brauchen», sagt Stefan Achermann lakonisch.

Erfolgreich – wenn man reinkommt 

Der Weg bis in die Polizeischule ist lange. Zuerst gibt es zahlreiche Tests, psychisch wie physisch, ein ausführliches Bewerbungsdossier und persönliche Gespräche. Dabei gibt es diverse Ausschlusskriterien (siehe Box). Kommandant Achermann persönlich segnet ab, wer schlussendlich den Sprung an die Interkantonale Polizeischule in Hitzkirch (IPH) schafft. Das ist nur rund ein Viertel aller Bewerber – im letzten Jahr waren das 28 Personen aus 130 Anmeldungen. Der Frauenanteil variiere dabei stark: Im letzten Jahr waren es zwar nur vier Frauen, also ein Siebtel. Dagegen wurden beispielsweise 2015 mehr Frauen als Männer vereidigt. Im Polizeikorps liegt der Anteil bei rund 20 Prozent, so Polizeisprecher Urs Wigger.

Wer sollte sich nicht als Polizist bewerben?

Der Polizistenberuf bringt einige Anforderungen mit sich. Gar nicht erst bewerben müssen sich Personen, die:

  • über keine Ausbildung mit Eidgenössischem Fähigkeitszeugnis oder Matura verfügen;
  • über keinen einwandfreien Leumund verfügen. Aber: Kleinere «Jugendsünden» würden individuell bewertet, so die Verantwortlichen;
  • keinen Schweizer Pass haben;
  • nicht mindestens 20 oder bereits über 34 Jahre alt sind bei Eingabe der Bewerbung;
  • kleiner sind als 1,62 Meter;
  • sich nicht gut ausdrücken können;
  • einen Computer nur vom Hörensagen kennen;
  • mit zwei Fingern auf der Tastatur tippen;
  • nicht Auto fahren können;
  • körperlich und geistig nicht fit sind;
  • die polizeiliche Anforderungsprüfung PAP an der Interkantonalen Polizeischule Hitzkirch nicht bestehen.

Der Grund für die starke Selektion: Man will von Anfang an nur Leute an der Polizeischule, welche den Ansprüchen genügen. Das Konzept scheint aufzugehen. «Es haben in den letzten zwölf Polizeischul-Jahrgängen immer alle Aspiranten der Luzerner Polizei die eidgenössische Berufsprüfung bestanden und sind im Korps aufgenommen worden», sagt Polizeisprecher Urs Wigger. So konnten im letzten Jahr 23 Polizisten vereidigt und ins rund 870 Mitarbeiter zählende Luzerner Polizeikorps aufgenommen werden (zentralplus berichtete).

Lohn im Nachbarkanton deutlich besser

Nach Absolvierung der Schule verpflichtet man sich, drei Jahre im Kanton Luzern zu arbeiten. Der Lohn beträgt zwischen 5’200 und 5’600 Franken monatlich. Im Schnitt verdient ein Luzerner Polizist rund 10’000 Franken weniger pro Jahr als im Nachbarkanton Zug. «Die Anstellungsbedingungen sind in Luzern nicht so schlecht, wie man immer meint», sagt Kommandant Achermann. Man habe die Möglichkeit auf eine interne Fach- oder Führungskarriere. «Das ist beispielsweise bei einer Lehrperson viel schwieriger», so Achermann. Ausserdem sei man sehr frei in der Gestaltung seines Arbeitsalltags. «Das ist nicht selbstverständlich», so Achermann.

Adi Achermann, Kommandant der Luzerner Polizei. (Bild: bra)

Adi Achermann, Kommandant der Luzerner Polizei. (Bild: bra)

Sandro Stamm, nun seit rund zehn Jahren Polizist, stimmt seinem Kommandanten zu: «Als Luzerner kenne ich viele Situationen persönlich: So kenne ich beispielsweise die Fasnacht, das Treiben ist mir nicht fremd.» So könne er in heiklen Situationen richtig reagieren. Zwar verdiene man weniger, aber man arbeite, wo man den Lebensmittelpunkt und die Familie habe. «Das ist es wert.»

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