Über die Psychologie des Schnäppchen-Kaufens

Rot-weisse Sale-Schilder dominieren die Luzerner Altstadt

Nicht jeder lässt sich vom Rot treiben.

(Bild: ida)

Spaziergänger sehen bei einem Bummel durch die Luzerner Altstadt seit einigen Tagen wieder Rot. Bereits vor Weihnachten sind viele Läden mitten im Ausverkauf. Käufer werden von allen Seiten her mit den rot-weissen Schildern konfrontiert. Doch was lösen diese in den Köpfen der Konsumenten aus? Und: Schadet sich der Detailhandel in Hauptverkaufszeiten damit nicht selbst?

Feuerrote Schilder, Banner und Plakate en masse. Teils aggressiv, teils zurückhaltend. In einigen Läden wird man beinahe von den gewaltigen Schildern erschlagen. An jedem Preisschild ein Extra-Kleber, an jedem Kleiderständer ein Verweis angebracht. Mit weissen Grossbuchstaben geschrieben: SALE. 

In der Altstadt Luzern preisen die Detailhänder bereits schon vor Weihnachten entsprechende Rabatte an. Schnäppchenjäger sind unterwegs – vielleicht auf der Suche nach dem passenden Weihnachtsgeschenk, denn davon gibt’s jetzt viele bereits schon reduziert.

Doch was lösen die rot-weissen Schildern und Prozentzahlen effektiv bei den Konsumenten aus?

Glücksgefühle und Erfolgserlebnisse durch Rabatte

Die Konsumgesellschaft, erklärt Dorothea Schaffner, Dozentin an der Hochschule Luzern und Expertin für Konsumentenpsychologie, konzentriere sich beim Kauf zumeist auf die Beurteilung von Transaktionen. Die Frage «Habe ich einen guten Deal gemacht?» beziehungsweise «Werde ich einen guten Deal machen?» seien vordergründig. «Rabatte geben einem dabei das Gefühl, einen besonders guten Deal zu machen», so Schaffner.

«Rabatte beeinflussen Konsumenten besonders stark, weil sie ein Glücksgefühl auslösen», fährt Schaffner fort. So könne die Auflistung des alten sowie des neuen, reduzierten Preises zu einem Kauf führen, weil dadurch ein Erfolgserlebnis entstehe. Durch die Angabe dieses Referenzpreises könne der Konsument besser beurteilen, wie hoch sein Gewinn effektiv sei.

Den Sale vor Augen – unübersehbar.

Den Sale vor Augen – unübersehbar.

(Bild: ida)

«Käufer können zu Schnäppchen-Jäger mutieren», sagt die Expertin für Konsumentenpsychologie. Das Produkt selbst müsse den Kauf selbst gar nicht auslösen. Entscheidender wäre es, ein gutes Geschäft abwickeln zu können: «Wenn ich ein paar Stiefel für 150 statt 300 Franken kaufe, so ist das ein guter Kauf und ich fühle mich gut. Ob ich die Stiefel brauche oder nicht, ist zweitrangig.»

Wörter wie «Letzte Tage», «Es hat solange es hat» rufen bei Konsumenten eine Stresssituation hervor, sodass sie in einem kürzeren Zeitraum Entscheidungen fällen, erklärt Schaffner. Entscheidet man sich beispielsweise gegen den Kauf des um 50 Prozent reduzierten Mantels, löse das im Nachhinein ein Bedauern aus. Und diese negativen Emotionen möchte man vermeiden.

«Rabatte machen uns glücklich, erleichtern unsere Entscheidung.»

Dorothea Schaffner, Expertin für Konsumentenpsychologie

Und zu guter Letzt: Nicht umsonst wird Rot – die Farbe des Feuers und des Blutes – für die Anpreisung von lukrativen Angeboten verwendet. Rot hat eine Signalwirkung – sie wirkt stimulierend und lenkt die Aufmerksamkeit auf sich. «Rabatte wirken stark», schlussfolgert Schaffner. «Sie machen uns glücklich, erleichtern unsere Entscheidung und dies ganz besonders, wenn wir unter Zeitdruck stehen oder im Stress sind.»

Online-Kultur führt zu dauerhaften Ausverkaufsaktionen

André Bachmann, Präsident der City Vereinigung, erklärt, dass die «Online-Kultur» dazu beitragen würde, dass Ausverkaufsaktionen das ganze Jahr über anzutreffen seien. Konsumenten seien sich bewusst, dass Preise stationär wie auch online ändern. «Diese Entwicklung ist sicherlich nicht gewünscht, aber unumstössliche Realität», so Bachmann. Ausverkaufszeiten seien heutzutage nicht mehr gesetzlich geregelt: «Im Zeitalter des Online-Handels und des Ausland-Shoppings wären solche lokalen Einschränkungen auch nicht mehr haltbar», erklärt er.

Luzerner Altstadt Bummler im Kaufrausch oder auf der Flucht?

Und was meinen Passanten vor Ort? «Manchmal ist man schon ein wenig geblendet, wenn man in den Laden kommt und nur überall Sale stehen sieht und alles vollgestopft ist», meint eine junge Passantin. Eine andere erklärt, dass sie zwar vielfach fündig werde, jedoch die ganzen Umstände unerträglich seien: «Ich hasse es, wenn in den Läden ein Chaos herrscht und die Menschen scheinbar von Furien getrieben werden.»

Nicht immer stossen also die tiefen Preise auf grosse Freude von Kunden. «Gewisse Läden übertreibens aber auch wirklich. Sale, Sale, Sale. Ja wir haben’s kappiert», schüttelt eine ältere Dame den Kopf. Und in der Tat: In einigen Läden sieht man beinahe nur noch Rot.

«Meistens kauft man ja dann halt einfach jeden Seich», bedenkt ein älterer Herr: «Aber das ist ja nicht weiter tragisch, wenn man nur fünf Stutz dafür ausgegeben hat.» Die Meinungen der Passanten könnten facettenreicher nicht ausfallen – aber die rot-weissen Sale-Schilder sind in ihrer Wirkung wohl nicht zu unterschätzen.

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