Von Windhunden, Einhörnern und der verschwundenen Gaga-Taube
Luzerner Gemeindewappen punkten nicht nur mit Burgen und Löwen. Wer genau hinschaut, findet ein Einhorn und – kein Scherz! – einen Windhund. Ein amüsanter Ausflug in die Heraldik.
Vor einem Jahr hatten wir uns verrannt in den Slogans der Luzerner Gemeinden. Und wir fanden heraus, was alle 83 Luzerner Gemeinden verbindet: Sie liegen «mittendrin», «im Herzen» oder «vor den Toren». Sie sind eine «Idylle» und eine «Perle» oder zumindest ein «Stern» (zentralplus berichtete).
Und wir bemerkten schon früh, dass Gemeinden nicht nur mit Metaphern und gefälligen Adjektiven punkten, sondern auch mit Burgen, Seerosen, einer Wildsau oder Armbrust in den Wappen.
Und jetzt das: Die Gemeinde Kriens legt ihrem Gallus ein neues Brot in die Finger und montiert dem Bären ein feuerrotes Schnäbi. Über das richtige Brot und wie wild der Bär denn neu dreinschauen darf, ist eine regelrechte Debatte entbrannt. Im März muss sich zur Causa Wappenbär das Krienser Volk an die Urne bemühen. Ach, Chriens!
Wer hätte gedacht, dass sich die Heraldik eines solch grossen Interesses erfreut? Es ist jedenfalls eine willkommene Einladung, uns nach den Slogans auch in der Wappenkunde auszutoben.
Flugs haben wir die Luzerner Gemeindewappen einer Stilkunde unterzogen. Hier also alle 83 Wappen und der Versuch einer Kategorisierung. Die zitierten Stellen haben wir aus dem Staatsarchiv, alles andere dazu ist frei erfunden.
1. Die Naheliegenden
Welches Tier soll ins Wappen von Fischbach? Und was für ein Gebäude bei Rothenburg? Eich und Hasle – nicht zu weit überlegen! Die damalige Wappendebatte muss in diesen Gemeinden sehr effizient verlaufen sein. Der Zeichner konnte sich alsbald dran machen, den Fisch, die rote Burg, die vier Haselblätter und die lustige Eiche mit vier übergrossen rotleuchtenden Eicheln auf eine Fahne zu malen. Auch die Buche für die Wappen von «Bueri» und «Äntlibuech» kann man in dieser Kategorie nennen. Wir mögen pragmatische Wappendebatten.
2. Die Stolzen
Sie verlassen sich nicht auf ein paar Blätter, Fische oder sonstige Gadgets. Hier müssen stolze Tier her: Löwen (5), Bären (2) oder Pferde (2) und sogar 1 Einhorn (High Five, Ballwil!). Wobei die Tiere nicht immer zweifelsfrei voneinander unterscheidbar sind, es ist ein schmaler Grat zwischen Löwe und Bär.
Auch Vögel können recht stolz auftreten, etwa im Falle von Meggen (gelber Habicht auf Burg) oder Schongau (böser Schwan!). Und auch das Pferd von Altwis ist in seiner Coolness schwer zu überbieten.
3. Die Verwechslungsgefahren
Wieso um Gottes Willen so viele rote Burgen? Neben Rothenburg tragen tatsächlich auch Alberswil, Escholzmatt-Marbach, Geuensee, Grosswangen, Hohenrain und Wolhusen rote Häuser in ihren Wappen. Und im Fall von «Roteborg» und «Göiesee» ist die Verwechslungsgefahr frappant: Beide Burgen haben goldene Irgendwas zwischen den Türmen. Die Erklärung: Das Wappen soll an die Herrschaft der Rothenburger erinnern.
Auch Fische kommen mitunter redundant daher. Aber netterweise haben sich die Fischgemeinden Egolzwil, Fischbach, Horw, Rickenbach und Weggis abgesprochen und unterscheiden sich farblich deutlich. Und der Hecht im Vitznauer Wappen grinst so schelmisch.
4. Die Herzigen
Haben wir schon erwähnt, dass wir totaaal Fan von der Wildsau im Eberseckschen Wappen sind? In der Staatsarchiv-Sprache tönt das so: «Gespalten von Blau und Weiss, überdeckt von schreitendem schwarzem, weissbewehrtem Eber.» Aber jööööh!
Recht pittoresk finden wir auch Flühli, mit dem tipptopp schlanken Haus, farblich ausgewogen bei schönem Wetter. Auch Doppleschwand schafft es noch knapp in diese Kategorie mit ihrem linksgewendeten, rotbewehrten grünen Falken. Er schaut leicht mürrisch in die Gegend, aber das rote Halsband verleiht ihm Grazie.
Und beim fahnentragenden Osterlamm im Hergiswiler Wappen sind wir nun komplett unschlüssig, ob es eher verkrampft, herzig oder stolz dreinblickt. So ein bisschen wie die Mona Lisa unter den Wappen-Lämmern. Auch der «Uedliger» Windhund würde hier passen, zu dem kommen wir jedoch noch.
5. Die Minimalisten
Also bitte, liebe Ettiswiler: Einfach das Luzerner Wappen in Schwarz-Weiss kopieren? Seriously? Oder Sursee – dasselbe Spiel in Rot-Weiss? Auch Gettnau und Knutwil sind nicht viel besser: Erstere hat sich bei Äthiopien bedient (oder war es umgekehrt?) und Zweitere bei den Niederlanden. Hitzkirch hat sich zumindest die Mühe gemacht, aus dem Weiss im Luzerner Wappen ein Kirchenfenster zu basteln.
Ebenfalls zu den Minimalisten müssen wir Beromünster, Büron, Buttisholz, Inwil, Menznau, Roggliswil, Schlierbach, Schenkon und Werthenstein zählen. Eigentlich positiv, dass sich hier so viele Kommunen in der einfachen, zurückhaltenden Grafik üben.
Ah und Rain, eine Frage? Wieso ein rot durchgestrichenes Luzerner Wappen? Ist das eine versteckte Botschaft?
6. Die Überladenen
Das Gegenteil zur vorherigen Kategorie: Sie packen alles Mögliche in ihr kleines Wappen. Altishofen etwa ist so überladen wie rätselhaft – brrrr. Da ist irgendeine Spitze zu sehen, Sterne, ein A und alles wirkt wie zufällig hingestreut.
Oder Dierikon: Pflanzen sollten abstrahiert sein, aber deine «Dieriker Rose» – die «Geissblattblüte mit gelben Staubfäden und grünen Blättern» könnte aus einem Pflanzenkundelexikon stammen. Besser macht’s das Nachbardorf Ebikon mit seiner Seerose.
Im gleichen Topf: Eschenbach («Gelb schwarze Burg mit zwei Zinnentürmen und durchbrochenen Fenstern, belegt mit schwarzem kreuzförmigem Schildbeschlag»), Luthern («In Blau erniedrigter weisser Wellenbalken, belegt mit ausgerissenem schwarzem Apfelbaum mit fünf gelben Früchten in der geschlossenen grünen Krone»), Ruswil («Gelb auf grünem Schildfuss der goldnimbierte heilige Mauritius in blauer römischer Rüstung, in der Rechten eine Fahne, in der Linken einen Schild haltend, beide von Rot mit weissem Kreuz») oder Zell («In Rot grüne, mit Gold und Silber verzierte Mitra mit blauen Bändern über schräglinks gestelltem gelbem Bischofsstab»).
7. Die Rätselhaften
Echt jetzt, ein Windhund? Wir sind baff, das ist so cool! «Uedlige» trägt einen «schwarzen, rotgezungten Windhund mit beringtem gelbem Halsband» auf der Fahne. Verfolgt von einem schwarzen Stern. Das ist ja mal ein originelles Wappentier! Auch bei Mauensee wurden wir nicht auf Anhieb schlau. Erst bei genauerem Hinsehen entpuppte sich der vermeintliche Engel als gemeiner Fisch mit riesigen Flügeln.
Und Dagmersellen, was ist das für ein Ding links im Wappen? Ein Baumstamm mit drei Schwänzen? Und wieso ein T, «Dagmersöue»?
Das Triengen-Wappen haben wir fälschlicherweise kurz mit japanischen Zeichen verwechselt (es ist ein Gitterrost). Und Emmen, wie sollen wir das verstehen? So viele Fische, und du kommst mit Angelhaken daher? Ist das Provokation oder steckt mehr dahinter?
Und was ist eigentlich mit den zugehörigen Vögeln zu den drei Flügeln im Wappen von Schüpfheim Tragisches passiert?
8. Sonstiges Grünzeugs, Gebäudeähnliches und Grafisches
Man könnte sie langweilig nennen, vielleicht sind sie einfach gelungen und stimmen in sich, sodass sie es in keine der oben genannten Kategorien geschafft haben.
Aber es sind halt einfach Wappen – die man sieht und wieder vergisst: Altbüron, Ebikon, Ermensee, Gisikon, Greppen, Grossdietwil, Hildisrieden, Hochdorf, Honau, Malters, Meierskappel, Nebikon, Neuenkirch, Nottwil, Oberkirch, Pfaffnau, Reiden, Römerswil, Root, Schötz, Schwarzenberg, Ufhusen und Wauwil.
9. Die Verschwundenen
Aus ehemals 107 Gemeinden sind bis heute deren 83 geworden. Und mit den Fusionen sind ein paar interessante Wappen und einige Löwen verloren gegangen. Einiger wollen wir hier gedenken: tote Fische im schwarzen Bach, rote Löwen mit blauem Kopf (Herlisberg und Retschwil), Gaga-Taube mit grünen Riesenpupillen (Kulmerau), blaue Sicheln und Wahrsagerkugel (Richenthal), Strohhütte (Kottwil), weisse Muscheln – oder vielleicht auch Gespenster (Uffikon), ein abstrahiertes Zirkuszelt (Gunzwil) oder Donald-Duck-ähnliche Fische (Marbach).
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