Trotz skandinavischen Dimensionen: Velofahrer kommen ins Strampeln
Zug hat eine neue Fussgänger- und Velobrücke. Zwischen Baar und Inwil überquert ein 66 Meter langer Brückenschlag die zukünftige Tangente. Wo früher eine Unterführung war, gehts nun himmelan. Wir haben das millionenteure Bauwerk auf Herz und Nieren geprüft.
1. Viel Platz für alle
Selten hat man eine derart breite Velo- und Fussgängerbrücke im Kanton Zug gebaut. Mit 4,50 Breite bietet die 66 Meter lange Stahlbrücke wirklich genügend Platz für alle: Mütter mit Kinderwägen, Joggern, Velofahrern mit und ohne Kinderanhänger, Inline-Skatern.
Wer sich auf der 5,50 Meter hohen Brücke befindet, den befällt keine Furcht, mit seinem Lenker jemanden beim Vorbeifahren zu touchieren. Im Gegenteil: Man fühlt sich regelrecht eingeladen, oben angekommen, abzusteigen oder sich an die genügend hohe Balustrade zu lehnen und die Aussicht zu geniessen. Note: 6.
2. Edel und solide gebaut
Da wackelt und schwingt nichts beim Drüberfahren. Die Stahlbrückenkonstruktion wiegt allein satte 172 Tonnen. Hinzu kommt als Belag ein solider Gussasphalt mit 53 Tonnen Gewicht, der in den zentralen Abschnitten noch speziell aufgerauht ist, um rutschfeste Bedingungen zu garantieren.
Die Dämme aus Kiessand plus Widerlager und Betonstützen summieren sich nochmals zu einem Gesamtgewicht von sage und schreibe 15’300 Tonnen. Da sitzt also alles felsenfest. Super! Wahrscheinlich könnten im militärischen Ernstfall sogar kleine Schützenpanzer die Brücke passieren. Irre stabil alles! Note 6: plus plus.
3. Nicht ganz billig
Die Totalkosten für die Brücke samt der beiden Dämme auf Baarer und Inwiler Seite beträgt 3,6 Millionen Franken. Die Stahlbrücke, die aus drei Teilen besteht, kostet allein 1,1 Millionen Franken, wie Bruno Christen, stellvertretender Abteilungsleiter des kantonalen Tiefbauamts vorrechnet.
Das ist zwar im Vergleich zu den 201 Millionen Franken, welche die gesamte Umfahrung Baar/Zug kostet, ein Kleckerbetrag. Angesichts der ständig neuen Sparpakete, die den Kanton Zug jagen und immer mehr zusammengestrcihen wird, wirken die 3,6 Millionen Franken Gesamtkosten doch etwas luxuriös. Es hätte sicher auch eine etwas günstigere 1b-Variante gegeben. Note: 4
4. Es muss ordentlich gestrampelt werden
Die Steigung der Dämme an beiden Seiten der Brücke beträgt sechs Prozent. Das ist happig und grenzwertig. Man darf jetzt schon gespannt sein, wie die Brücke im Winter gesalzen ist, um Unfälle beim Runterfahren zu verhindern. Zwar schafft man als normal trainierter Zeitgenosse diese Steigung auf dem Velo, ohne ins Schwitzen zu geraten.
Wer sich allerdings auf die Brücke stellt und beobachtet, wie die einzelnen Velofahrer die Auffahrt meistern, dem fällt auf: Die meisten schaffen es nur im ersten Gang mit viel Treten. Und es gibt leider auch die einen und anderen, denen die Steigung einfach zu anstrengend ist und die deshalb absteigen. Das wirkt irgendwie demotivierend an der neuen, schönen Brücke. Gut, es gibt dafür die Belohnung einer schwungvollen Abfahrt, aber das führt uns gleich zum nächsten Punkt… Note: 4
5. Die gefährliche Kurve am Ende der Brücke
… wer nämlich die «Alpe d’Huez-Steigung en miniature» die Brücke hinauf erklommen hat (ok, das ist ein bisschen übertrieben!), den erwartet auf der Inwiler Seite der Brücke zwar auch eine schwungvolle Abfahrt. Doch muss man hier höllisch aufpassen. Zum einen, weil am Ende der Brücke die Velofahrer eine scharfe Kurve erwartet. Runterbremsen ist deshalb oberstes Gebot.
Zum anderen verengt sich dort die Fahrbahn, und es kommen hier noch Fussgänger vom Zebrastreifen der Inwilerriedstrasse auf die Brücke zu. Kollisionen scheinen hier vorprogammiert. Im Endausbau der Brücke sollte das deutlich entflochtener und ungefährlicher organisiert sein. Auf der Baarer Seite der Brücke indes hat man schön viel Auslauf. So sollte es sein. Note: 3
6. Die gefährlichen Trittbrettfahrer
Das blaue Schild am Beginn der Brücke sagt klar, wer diese überqueren darf und wer nicht: Velofahrer und Fussgänger. Was gar nicht geht, sind jene dreisten jugendlichen Mofafahrer, die rücksichtslos mit 30 Sachen über die Brücke preschen und dabei alle anderen nicht nur durch ihre Abgase vollstinken, sondern vor allem gefährden. Rennvelo-Fahrer dürfen die Brücke dagegen befahren.
Allerdings wäre es auch ein Gebot der Höflichkeit all solcher sportlich Ambitionierten, die Brücke nicht gerade als Startrampe für die private Zeitfahr-Simulation zu benützen. Mütter mit Kleinkindern und andere Passanten würden es ihnen danken. Note: 4
Fazit:
Die Zuger Bürger, insbesondere die Baarer und Inwiler, können sich über eine tolle Velo- und Fussgängerbrücke freuen, die dänische Ausmasse besitzt. Allerdings geht es in Dänemark deutlich flacher zu, und es gibt grundsätzlich noch einige Kinderkrankheiten auszumerzen. Gesamtnotenschnitt: 4,5
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