Hubert Erni testet für uns das Essen in der Chamer Andreas-Klinik
Wie gut ist die Kost im Krankenhaus? Nachdem «Kaiser Franz» sich im Zuger Kantonsspital verköstigen liess, hat Zugs Edelgastronom Hubert Erni das Essen in der Chamer Andreas-Klinik für zentralplus unter die Lupe genommen. Es hat ihm nicht alles geschmeckt.
Es ist ein interessanter Ansatz: Jeder Patient in der Andreas-Klinik – egal, ob allgemein versichert oder privat versichert – bekommt das gleiche Essen auf den Tisch. Demokratischer und egalitärer geht es fast gar nicht.
Klar, es gibt auch noch eine à-la-Carte-Menükarte nur für Privatversicherte. Aber diese beinhaltet letztlich nur eine grössere Auswahl an Essen, falls einem die vorgeschlagenen Mittags- oder Abendmenüs auf der Tageskarte nicht zusagen. Ansonsten kommt alles aus einer Küche.
Gastronom Hubert Erni, 63 Jahre alt und früherer Rathauskeller-Chef, kennt die Andreas-Klinik gut. «Ich bin hier schon dreimal an der Bandscheibe operiert worden, jetzt geht es mir viel besser.» Nun besucht er das Chamer Spital, das zur Hirslanden-Gruppe gehört und 75 Betten aufweist, um mit zentralplus das Essen zu testen. Der «Blinker»-Wirt, der im nächsten Jahr in Zug aufhört (zentralplus berichtete), hat eine klare Vorstellung davon, was für ihn gutes Essen ist.
«Ich bin allergisch auf schlechtes Essen.»
Hubert Erni, «The Blinker», Cham
«Essen muss gesund und reduziert sein», sagt Erni. Will heissen: Essen sollte gemäss dem gebürtigen Luzerner, der als Wirtssohn mitten vom Land stammt, total «back to the roots» sein. So bodenständig und authentisch wie möglich. «Randen sollten beispielsweise nach Randen schmecken und nicht nach etwas anderem.» Er mag es deshalb auch nicht, wenn etwas zu stark gewürzt ist.» Andererseits ist er fremdländischen Kochkünsten, wie etwa der japanischen Küche, nicht abgeneigt. «Ich bin einfach grundsätzlich allergisch auf schlechtes Essen», stellt er klar.
Hubert Erni ist ein geniesserischer, aber auch sehr bewusster Zeitgenosse. Das merkt man sofort, als er den ersten Biss vom Garnelen-Falafel-Spiess mit Zimt-Entenbrüstchen zu sich nimmt – eines der drei Gerichte, die an diesem Tag wahlweise als Vorspeise auf dem Mittagsmenu figurieren.
Nach wenigen Sekunden steht sein Verdikt fest: «Also, ich hätte lieber zwei Garnelen und dafür eine grosse Falafel-Kugel gehabt. Das Zimt-Entenbrüstchen ist herrlich saignant gebraten, es könnte allerdings etwas mehr nach Zimt schmecken.» Sagts und bringt sein kulinarisches Urteil auf den Punkt: «Die Proportionen des Spiesses habe ich nicht so sexy gefunden.»
Die Kürbis-Sellerie-Terrine sowie die Tomaten-Basilikum-Crèmesuppe findet Erni dagegen sehr fein. «Vor allem der Apfelsalat hat einen schönen Biss und ist gesund.»
300 bis 400 Essen pro Tag
In der Andreas-Klinik wird täglich eine grosse Menge an Speisen zubereitet, wie Wolfram Beduhn, Leiter der Hotellerie im Spital, erklärt. Der gebürtige Düsseldorfer ist schon seit zwölf Jahren in Cham und fühlt sich in seinem Job hier sehr wohl.
«In unserer Küche werden 300 bis 400 Essen pro Tag gekocht, wobei wir auch noch das benachbarte Pflegezentrum Ennetsee mitversorgen», sagt der 47-Jährige. Ausserdem bestücke man Apéros und Caterings von der Spitalsküche aus. Eine Menge Arbeit. 21 Mitarbeiter sind in der Küche beschäftigt, darunter zehn diplomierte Köche – neben Küchenchef Sarino Serratore. «Punkt elf Uhr muss jeden Tag das Band laufen», sagt Beduhn. Die Zufriedenheit unter den Patienten liege bei 5,4 Punkten. Angelehnt ans Schulnotensystem von 1 bis 6 heisst das soviel wie: zwischen gut und sehr gut.
«Gemüsesynfonie»
Inzwischen sind die drei Varianten der Hauptgerichte des heutigen Mittagsmenus aufgetischt worden. Eine asiatische Rindfleisch-Gemüse-Pfanne mit Glasnudeln. Gefüllte Riesenchampignons auf Wirz-Kartoffel-Gratin. Und ein Kalbscordonbleu, goldbraun gebacken, mit Zitronenstern, Kartoffel-Fritters und einer herbstlichen «Gemüsesynfonie» (sic!). So steht es auf der Menükarte. Hubert Ernis kulinarisches Urteil tönt allerdings nicht so symphonisch.
Das Wirz-Kartoffel-Gratin findet er geschmacklich sehr frisch und ausgewogen. «Der Gratin dürfte aber heisser sein, und ich fände es besser, mehrere kleinere Champignons als einen Riesenchampignon zu verwenden.»
Bei der asiatischen Gemüse-Pfanne kaut er eine Weile, bevor er Tacheles redet: «Also, die ist wirklich sehr, sehr fad, viel zu wenig gewürzt, es hat zu wenig Gemüse drin, und das Rindfleisch ist zu zäh». Und die Glasnudeln würden nicht sehr ästhetisch aussehen. Peng! Dabei stösst bei ihm die Idee eines asiatischen Gerichts grundsätzlich auf grosse Gegenliebe.
Das Kalbs-Cordonbleu stimmt seine Geschmacksnerven dagegen wieder sehr gütlich. «Das ist wirklich sehr fein. Das Fleisch ist nicht zu gross, das Gemüse gut, nicht zu knackig, und die Pommes sehr appetitlich und schön cross.» Aber auch hier findet der Maitre de cuisine ein Haar in der Suppe. «Die Panade ist nicht durchgehend knusprig, und die Zitrone viel zu gross – da würde ein Schnitz völlig ausreichen.»
Illustrer Totenkopf-Ring am Finger und lackierter Daumennagel
Erni lässt während der Degustation des Essens väterlichen Service walten. Er teilt nämlich jedes Gericht brüderlich jeweils in drei Teile, bevor er zentralplus als auch Wolfram Beduhn die entsprechende Portion auf den Teller legt. «Ich wäre ein guter Vater», ist er überzeugt.
Sicher ist auf jeden Fall, dass der 63-Jährige ein sehr modischer Zeitgenosse ist. «Den Totenkopf-Ring habe ich vor sechs Jahren in New York gekauft. Und meinen Daumennagel, den ich mal eingequetscht habe und der lange sehr wüst aussah, lasse ich nun alle drei, vier Wochen maniküren.»
Zeit fürs Dessert. Aufgetischt werden «Jogurt-Mousse mit Mangomark» oder wahlweise eine Biskuittorte mit Holunderbuttercrème. «Das Joghurt-Mousse ist für mich perfekt», sagt Erni. «Es ist ist leicht und locker und hat sogar noch frische Mangostücke drin», lobt der Chamer Cuisinier.
«Biskuittorte ist sehr mastig»
Dann braut sich wieder etwas in ihm zusammen. Wolfram Beduhn ahnt, was kommt, versucht aber noch gut Wetter zu machen. «Also, ich finde, die Biskuittorte kommt eigentlich relativ leicht daher.»
Doch das Urteil von Erni steht fest. Durch nichts zu erschüttern. «Die Torte ist zu gross und sehr mastig.» Eine Etage tiefer, mit weniger Buttercrème, und etwas feiner, würde seiner Meinung vollkommen ausreichen. Es gehe ja um den Gesundheitsaspekt des Ganzen. «Und in Kombination mit den anderen kleinen Süssigkeiten, die da noch zusätzlich auf den Desserttellern gereicht wird, ist das doch sehr gut gemeint.»
Ein strenges Resümee. Und doch hat es ihm auch geschmeckt. Erni: «Ich bin halt gerne etwas provokativ.» Sagts und lächelt väterlich.
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