Serie, Teil 7: Silvio Arpagaus, Kantonschemiker

Mein Kühlschrank: Cremen, Wein und verschimmelte Experimente

Der Luzerner Kantonschemiker Silvio Arpagaus kocht – anders als im Labor – zuhause oft improvisiert.

(Bild: jal)

Ist der Kühlschrank des Luzerner Kantonschemikers ultrasauber? Silvio Arpagaus ermöglicht zentralplus einen Augenschein. Der Biologe verrät dabei, was jeder über den Kühlschrank wissen muss und in welchem Fall ein abgelaufenes Joghurt noch essbar ist. Teil 7 unserer Serie.

«Das Herz meiner Frau habe ich mit Kochen erobert. Ich habe schon während des Studiums in meiner damaligen Wohngemeinschaft gerne und oft gekocht. Essen und Kochen ist mir bis heute immer noch sehr wichtig und viel mehr als nur Nahrungsaufnahme. Deshalb haben wir auch eine recht grosse und offene Küche. 

Wenn ich koche, improvisiere ich meist. Im Labor muss man genau arbeiten – 100 Milligramm von diesem Stoff, zehn Milliliter von jenem –, doch zuhause koche ich nie streng nach Kochbuch. Ich verfolge eine Idee, schaue, was im Kühlschrank ist und lasse mich von Aromen und Gerüchen leiten. Ich bin denn auch, anders als man meinen könnte, nicht der Molekularküche verfallen, gar nicht. Ich verzichte auf Showeinlagen mit flüssigem Stickstoff. Auch wenn ich die chemischen und physikalischen Grundprinzipen der molekularen Küche, wie beispielsweise das Extrahieren von Aromen, spannend finde und diese auch in meiner Küche einsetze.

Wein und Creme fehlen nie

An Déformation professionelle leide ich definitiv nicht. Das Lebensmittelrecht gilt ja nicht für private Haushalte. Was aber sicher von meinem Beruf her rührt: Mich nimmt stets wunder, was in den Produkten drinnen ist. Deshalb lese ich auch gerne das Kleingedruckte auf der Etikette.

«Nur weil ich Kantonschemiker bin, putze ich meinen Kühlschrank nicht öfters als andere.»

Üblicherweise bin ich es, der einkauft. Bevor ich unseren Sohn in der Krippe abhole, besorge ich im Laden alles, was wir fürs Abendessen brauchen. Was immer im Kühlschrank zu finden ist und als meine persönliche Schwäche ausgelegt werden könnte, sind Dessert-Cremen, Flans und Puddings in allen Formen. Ebenfalls zur Standard-Ausrüstung gehört eine Flasche Wein. Gerne Pinot noir, Nebbiolo oder Zweigelt. Allerdings ausschliesslich europäischen – Wein aus Amerika, Australien oder Südafrika kaufe ich aus Prinzip nicht. Ausserdem immer viel Gemüse. Wir haben einen eigenen Garten, in dem wir Küchengewürze ziehen, zurzeit haben wir auch Tomaten, Zucchetti, Gurken und Kürbisse.

Die Kühlschrank-Reihe von zentralplus

Du bist, was du isst: In diesem Sinne steckt zentralplus seine neugierige Nase in die Kühlschränke von Zuger und Luzerner Persönlichkeiten. In einer losen Reihe fragen wir nach kulinarischen Vorlieben und Abgründen. Dabei ist Authentizität Ehrensache: Vor unserem Besuch ist Aufräumen tabu.

Was man in meinem Kühlschrank hingegen nie findet, ist Poulet. Das bereite ich nicht gerne zu – die Hühner sollen Eier legen und im Garten bleiben. Auch hochverarbeitete Fertigprodukte sind in unserem Haushalt kaum vorhanden. Schokolade im Kühlschrank ist ein «No go» – das Kakaofett kristallisiert und kann auf der Oberfläche als weisser Reif einen unschönen Belag bilden.

So sollte man den Kühlschrank einräumen, sagt Kantonschemiker Silvio Arpagaus.

So sollte man den Kühlschrank einräumen, sagt Kantonschemiker Silvio Arpagaus.

(Bild: zvg)

Was viele nicht wissen: Es gibt im Kühlschrank unterschiedliche Temperaturen. Die Regale haben also nicht nur eine ordnende Funktion, sondern helfen auch, die Qualität und Sicherheit der Produkte zu erhalten. Zuunterst in die Fächer gehört das Gemüse hin, das nicht allzu kalt haben darf. Darüber, auf der ersten offenen Etage, ist es am kältesten. Dorthin kommen Fleisch und Fisch. Und dann wird es gegen oben hin immer wärmer. Die Eier kommen eher weiter oben, auch Milchprodukte brauchen nicht gleichermassen kalt wie Fleisch. Die Lebensmittel sollten zudem die hintere Wand nicht berühren, sonst können sie anfrieren.

Kann man Schimmel wegschneiden?

Nur weil ich Kantonschemiker bin, putze ich meinen Kühlschrank nicht öfters als andere. Da muss man gesunden Menschenverstand walten lassen.

Leider kommt es auch bei uns vor, dass Lebensmittel im Kühlschrank verderben. Wir sind beide berufstätig, und das ist halt Realität. Mit regelmässigem und gezieltem Einkaufen konnten wir die Abfälle aber deutlich vermindern. Wenn etwas verschimmelt, rechtfertige ich mich bei meiner Frau, dass es ein wissenschafltiches Experiment sei. Das ist bei uns zwischenzeitlich ein «running gag».

«Wenn etwas verschimmelt, sage ich meiner Frau, dass es ein wissenschaftliches Experiment sei.»

Nein im Ernst: Wenn ein Käse Schimmel ansetzt, reicht es manchmal nicht, diesen einfach wegzuschneiden. Denn der Schimmel ist nur der sichtbare Teil des Pilzes. Der grösste Teil ist unsichtbar im Lebensmittel drinnen. Und diese Pilze produzieren Gifte, die vielfach stark krebserregend sind. Da fällt man nicht sofort vom Stuhl, aber zahlt die Rechnung womöglich in einigen Jahren. Also: Bei einem Hartkäse, wo der Pilz kaum nach innen wächst, kann man den Schimmel noch eher grosszügig abschneiden, aber sehr weiche oder flüssige Lebensmittel gehören in den Abfalleimer.

Der Anti-Tipp des Experten

Grundsätzlich muss man allerdings nicht gleich alles wegwerfen. Es gibt von Gesetzes wegen zwei Daten auf den Produkten. Ist das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten, ist der Zwieback vielleicht nicht mehr besonders knusprig oder das Joghurt nicht mehr gleich farbig, aber gesundheitlich meist unbedenklich. Auch hier sind gesunder Menschenverstand und alle Sinne gefragt. Nur wenn das Verbrauchsdatum überschritten ist, gilt das Produkt nicht mehr als sicher und sollte entsorgt werden. Doch wenn man sich diese Frage stellen muss, hat man bereits vorher etwas falsch gemacht, nämlich zu viel oder das Falsche eingekauft.

Cremen, wie den Klassiker von Stalder, findet man bei Silvio Arpagaus immer.

Cremen, wie den Klassiker von Stalder, findet man bei Silvio Arpagaus immer.

(Bild: jal)

Zum Schluss noch ein Anti-Tipp, auf was man gut verzichten kann: Es gibt immer mehr Reinigungsmittel, welche versprechen, alles zu 100 Prozent und keimfrei zu desinfizieren. Diese Mittelchen sind im Haushalt unnötig. Der Kühlschrank muss keine sterile Zone sein wie der Operationssaal im Spital.»

Er kümmert sich um die Gesundheit der Luzerner

Silvio Arpagaus ist seit 2012 Kantonschemiker im Kanton Luzern und Leiter der Dienststelle Lebensmittelkontrolle und Verbraucherschutz. 1998 schloss er sein Biologiestudium ab, drei Jahre später erlangte er die Dissertation. Anschliessend arbeitete der gebürtige Rätoromane als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Lehrbeauftragter an der Universität Bern. 2010 hat er das eidgenössische Lebensmittelchemikerdiplom erlangt.

Zuerst im Kanton Graubünden in der Lebensmittelanalytik tätig, wechselte er 2008 zum Kanton Luzern, wo er 2011 die Leitung ad interim, 2012 offiziell übernahm. Eine Stelle übrigens, die es seit über 140 Jahren gibt: Der Kanton Luzern wählte 1876 den ersten Kantonschemiker der Schweiz. Arpagaus sitzt in der eidgenössischen Kommission für Konsumentenfragen. Der 44-Jährige wohnt mit seiner Familie in der Stadt Luzern.

In unserem Dossier finden Sie all bisher publizierten Teile der Kühlschrank-Serie von zentralplus.

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