Luzerner nehmen Energiewende selbst in die Hand

Alles in Eigenregie: 56 Eigentümer bauen gemeinsam Solaranlage

Im Rotseepark werden auf allen vier Gebäuden Solarpanels installiert.

(Bild: pze)

Im Luzerner Rotseepark wird eine Solaranlage gebaut, obwohl dort 56 verschiedene Stockwerkeigentümer wohnen. Diese davon zu überzeugen, 200’000 Franken in die Hand zu nehmen: ein fast unmögliches Unterfangen. Initiant Ewald Krieg hat’s dennoch geschafft – mit viel Engangement, Schweiss und Überzeugungskunst.

Die Sonne brennt auf das Flachdach des Wohnhauses des Rotseeparks am Libellenrain 19. Die Arbeiter in den kurzen orangen Hosen vermessen die Fläche, verlegen ein Flies. Es muss alles genau passen, denn hier soll der Strom bald dank einer neuen Solarpanel-Anlage fliessen.

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft entdecken langsam die Vorteile der hauseigenen Stromproduktion: Privatpersonen werden beim Bau einer solchen finanziell unterstützt. Künftig sollen auch Unternehmen mit Anreizen belohnt werden, so will es die Energiestrategie 2050.

Das Beispiel am Libellenrain ist speziell. Und zwar, weil der Rotseepark aus vier Hochhäusern in Stockwerkeigentum besteht. Will heissen: 56 Parteien unterschiedlichster Art – Rentner, Familien, Singles, Pärchen –  sie alle mussten vom 222’000-Franken-Projekt überzeugt werden. Initiiert wurde das alles in Eigeninitiative vom ehemaligen Elektro-Projektleiter und Rentner Ewald Krieg und seinem Nachbarn Roberto Frei.

Diese Immobilien am Libellenrain eignen sich laut Ewad Krieg aus zwei Gründen für eine Photovoltaik-Anlage: Einerseits sei laut dem Kataster des Kantons Luzerns die Exposition der Dächer ideal, und andererseits rechtfertige der hohe Eigenverbrauch der Wärmepumpe diese Investition.

Arbeit mit Solarpanels ist faszinierend

Ewald Krieg tritt entschlossen voran; hin zur Baustelle, wo die ersten Schritte der Bauarbeiten unternommen werden. «Der Arbeitsort ist zum Geniessen, wir haben die schönste Aussicht der Stadt», sagt er mit einem verschmitzten Lachen.

Ewald Krieg freut sich sichtlich, dass es endlich losgeht – als ehemaliger Elektriker kennt er die Arbeiten auf dem Bau. Die Arbeit mit den Solarpanels fasziniert ihn. Der 66-Jährige packte das Projekt der Solar-Panels trotz fehlendem Know-how an, wie er sagt: «Am Anfang war die Idee, doch wir hatten keine Kenntnisse der Materie. Wir mussten uns da gänzlich ins Thema einlesen.»

«Die Interessen und Prioritäten von jedem, der hier wohnt, sind anders»

Ewald Krieg, Initiant Solarsystem Rotseepark

Wir, das heisst, Ewald Krieg und sein Nachbar Roberto Frei. Gemeinsam machten sie sich bei den Miteigentümern für die Solaranlage stark. Die zwei Initianten machten alles selber: Sie holten Offerten von Anlagenbauern ein, besuchten Messen für Solaranlagen, führten Gespräche und holten Ratschläge bei der Hausverwaltung und bei Energie Wasser Luzern (EWL). «Ich habe den anderen Eigentümern versprochen, dass ich ihnen Vorschläge unterbreiten werde – wie diese genau aussehen sollten, wusste ich vor einem Jahr noch nicht», sagt Ewald Krieg lachend.

Rund ein Viertel der Kosten subventioniert

Dass es schwierig ist, 56 Eigentümer von einem Projekt zu überzeugen, liegt auf der Hand. «Die Interessen und Prioritäten von jedem, der hier wohnt, sind anders. Da will nicht jeder sein Geld für eine Solaranlage ausgeben.»

Bei der Eigentümerversammlung brauchten sie für ihr Projekt mindestens das qualifizierte Mehr – die Mehrheit der anwesenden und vertretenen Stockwerkeigentümer. Aber selbst, wenn sie dies erreichten: Auch einzelne, hartnäckige Gegner der Solarpanels hätten das Projekt durch Protest und Einsprachen um Jahre verzögern können, erklärt Krieg. «Und wir wissen nicht, wie sich die Subventionierung in den nächsten Jahren verändert.» 

Die Bauarbeiter verlegen die Basis für die neue Anlage.

Die Bauarbeiter verlegen die Basis für die neue Anlage.

(Bild: pze)

Zurzeit gibt’s noch eine ziemliche Stange Geld vom Staat: «Wir rechnen mit rund 14’800 Franken Subventionen für jedes der vier Häuser», sagt Ewald Krieg. Das entspricht rund einem Viertel der Gesamtkosten, also rund 59’000 Franken. Ausbezahlt wird das Geld erst nach der Abnahme durch die verantwortlichen Stellen.

Projekt ohne Gegenstimme angenommen

Geld war denn auch ein heisses Diskussionsthema bei den Eigentümern. Das Problem war, dass von den sechs Firmen, die Ewald Krieg und Roberto Frei zwecks Offerten anschrieben, nur eine geantwortet hatte: Helion Solar. «Die Stockwerkeigentümer bedauerten, dass sie keine wirklichen Optionen hatten, aus denen sie auswählen konnten», erinnert sich Ewald Krieg.

Das Unternehmen schaffte es dennoch, die Eigentümer zu überzeugen. «Ihr Vertreter kam einmal zu einer Informationsversammlung für die Eigentümer und dann noch zur Stockwerkversammlung. «Er hat mit viel Geduld das Projekt erklärt und ist auf die Sorgen der Bewohner eingegangen», lobt Ewald Krieg. So habe man Unglaubliches geschafft: Das Solarprojekt am Libellenrain wurde ohne Gegenstimme angenommen.

2’500 Franken pro Eigentümer

Dabei ist das Projekt nicht gerade günstig: 2’500 Franken kostet die neue Energie-Anlage jeden Eigentümer. «Damit haben wir etwas Luft nach oben, falls Zusatzkosten aufkommen», erklärt Ewald Krieg. Ihm ist bewusst, dass dieser Betrag nicht von allen einfach so gestemmt werden könne: «Es gibt junge Familien hier und da sind die Prioritäten anders gesetzt.»

 «Bei den Behörden scheint die Umstellung auf Solarstrom angekommen zu sein.»

Ewald Krieg, Initiant Solarsystem Rotseepark

Doch wer glaubt, mit der Zustimmung der Eigentümer seien die Schwierigkeiten erledigt, der irrt. Projektleiter Dominic Barmettler von der Helion Solar erklärt, dass auch beim Aufbau einer solchen Anlage einige Steine im Weg liegen können, wie zum Beispiel: Terminfindung, Materialtransporte auf die Dächer, Stromkabelführung, oder die Zusammenarbeit mit dritten Unternehmen.

In einem Monat gibt’s Solarstrom

Unkompliziert sei die Zusammenarbeit mit EWL und dem Kanton Luzern gewesen, erklärt Ewald Krieg. «Bei den Behörden scheint die Umstellung auf Solarstrom angekommen zu sein. Da werden einem keine Steine in den Weg gelegt, im Gegenteil.» So sei für eine 30-Kilowatt-Anlage, wie sie im Rotseepark verbaut wird, kein Baugesuch nötig. «Da hätte unser Projekt mit bürokratischen Regulationen um einige Zeit hinausgezögert werden können – doch da hat der Kanton wirklich vorwärts gearbeitet.»

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