Das erste Mal am Schwert: Reportage aus Sursee

Klingen kreuzen wie bei Game of Thrones

Den Gegner tödlich angreifen ist genauso wichtig wie Attacken erfolgreich abzuwehren.

(Bild: pgu)

Wer sich für historische Hieb- und Stichwaffen interessiert, wird momentan an einer Ausstellung in Sursee fündig. Eine prima Gelegenheit, selber einmal die Klingen zu kreuzen. Der Bericht darüber, wie es sich anfühlt, mit einem Rapier seinen Gegner elegant aufzuspiessen.

D’Artagnan und seine Musketiere – König Artus, der sein Schwert Excalibur als Einziger aus dem Felsen zu ziehen vermochte – duellierende Unsterbliche in den Highlander-Filmen – Lichtschwerter schwingende Jedi-Ritter – japanische Samurai – rivalisierende Herrscherhäuser in «Game of Thrones». Sie alle haben eines gemeinsam: die tief sitzende Faszination am Schwertkampf und an den vielfältigen Hieb- und Stichwaffen vergangener Zeiten.

Dieser Faszination muss auch der Surseer Carl Beck (1894–1982) erlegen sein, der über 200 solcher Waffen gesammelt hat. Seine Sammlung kann nicht nur online, sondern noch bis Ende Juli mit eigenen Augen im Sankturbanhof in Sursee bestaunt werden (siehe Box).

Über 200 Hieb-­ und Stichwaffen sind in Sursee zu sehen.

Über 200 Hieb-­ und Stichwaffen sind in Sursee zu sehen.

(Bild: pgu)

Die charmante und informative Ausstellung bietet nicht nur allerhand faszinierende und edel gefertigte Langschwerter, Dolche, Krummsäbel, Degen und Rapiere, sondern auch allerhand fundierte Informationen über die Herstellung dieser Waffen, ihre Handhabung und kulturelle Bedeutung sowie über den Sammler Carl Beck selbst.

Die Waffe als Kind seiner Zeit und Kultur

Zur Ausstellung gibt’s auch Workshops, Führungen und Diskussionen. Etwa über den Umgang mit Zweihandschwertern und Rapieren – das weckte unser Interesse, und wir machten uns zu einem Selbstversuch auf. Durchs Programm führt der Historiker Andreas J. Rub, er hat als Spezialist für historische Waffen bei der Ausstellung mitgearbeitet.

«Die meisten Waffen wurden nie im Kampf eingesetzt und fungierten als Statussymbol.»

Andreas Rub, Historiker

Andreas Rub erzählt, wie spannend es war, die Ausstellung mit Spezialisten aus ganz unterschiedlichen Teilgebieten zu realisieren. «Die jeweilige Waffe muss immer im Kontext ihrer Zeit betrachtet werden», erklärt er. «Welche Form von Waffe sich in einer bestimmten Epoche durchgesetzt hat, hing immer von verschiedenen Faktoren wie militärischem Nutzen, Machbarkeit, wirtschaftlicher Lage und nicht zuletzt kulturellen Einflüssen ab.»

Säbel, Degen und Schwerter: Im Sankturbanhof dreht sich alles um historische Griffwaffen.

Säbel, Degen und Schwerter: Im Sankturbanhof dreht sich alles um historische Griffwaffen.

(Bild: pgu)

Das erkennt man deutlich, wenn man durch die Ausstellung mit den Hieb- und Stichwaffen geht, die aus den unterschiedlichsten Epochen und Ländern stammen. «Meistens», erklärt uns Andreas Rub, «sind die Waffen, welche sich in solchen Sammlungen befinden, nie im Kampf eingesetzt worden. Oft handelt es sich um Waffen, die schon damals als Statussymbol fungierten.» So etwa der prunkvolle Säbel, den der Offizier zu offiziellen Anlässen mit sich nahm.

Die Gentleman-Waffe: das Rapier

Als einer, der als Kind von all den Mantel- und Degenfilmen fasziniert war und immer so kämpfen wollte wie D’Artagnan, Zorro oder Westley in «Die Braut des Prinzen», habe ich mich für den Rapier-Workshop angemeldet.

Ausstellung in Sursee

Die Ausstellung «Klingenspiel & Säbelrasseln» ist noch bis 30. Juli 2017 im Sankturbanhof Sursee zu sehen. Historische Hieb- und Stichwaffen aus der Sammlung des Surseers Carl Beck.

Die Mitglieder der Ecole Lémanique d’Arts et d’Actions (kurz: ELAA) führen uns im Innenhof in die Fechtkunst ein. Als Erstes fällt mir auf, dass so ein Rapier viel leichter ist, als ich es mir vorgestellt hatte. Überhaupt, so erzählt mir Andreas Rub später, hätten viele Leute falsche Vorstellungen vom Gewicht historischer Schwerter. Insbesondere die mittelalterlichen Einhänder hätten meist nur rund ein Kilogramm gewogen. Ein neuzeitlicher Kavalleriesäbel war im Vergleich viel schwerer.

Das Rapier kam in einer Zeit auf, als das Tragen schwerer Rüstungen abnahm. «In Schwertfilmen haben die Leute ihre Langschwerter dauernd bei sich», so Andreas Rub. «Aber diese grossen mittelalterlichen Schwerter wurden in der Realität nur dann getragen, wenn der Kämpfer wusste, dass er sich in eine Schlacht begibt.» Anders das Rapier: Dieses trug man durchaus auch ausserhalb des Schlachtfelds im Alltag bei sich. «Im 17. Jahrhundert war das Rapier in weiten Teilen, wenn auch nicht ausschliesslich, eine Gentlemanwaffe, die nicht allen und nicht überall erlaubt war.»

Die Kunst der verlorenen Finger

Simon Favre von ELAA erklärt, dass er uns einen stark von der italienischen Schule beeinflussten Fechtstil zeige, da die italienische Technik besonders variantenreich und dynamisch ist. Die Italiener waren sich nicht zu schade, auch mal die freie Hand einzusetzen, um die eigene Klinge zu stützen oder die gegnerische Klinge abzuwehren. Das hat dazu geführt, dass die Franzosen spotteten, italienische Fechter erkenne man daran, dass ihnen einige Finger fehlten.

Simon Favre führt draussen in die Künste des Fechtens ein.

Simon Favre führt draussen in die Künste des Fechtens ein.

(Bild: pgu)

Favre führt uns mit Unterstützung von Maria Sisto, Benjamin Wolf und Mouna Cheraka einige elegante und tödliche Manöver vor. Dabei kommen neben dem Rapier auch Dolche, kleine Schilde und sogar ein Stoffumhang zum Einsatz. Bei Letzterem zweifle ich allerdings immer noch, ob dessen Einsatz in einem Duell auf Leben und Tod wirklich vielversprechend war und nicht höchstens als letzte Verzweiflungstat zum Einsatz kam. Simon Favre nutzt den Umhang sowohl zur Abwehr von Schlägen als auch ganz einfach, um seinen Gegner darunter zu begraben.

Endlich selber Hand anlegen

Dann wird es für alle in meinem Umfeld gefährlich! Denn wir dürfen uns eines der Rapiere auswählen. Zuerst lernen wir, wie wir es zu halten haben, und stellen uns dann in einer Reihe auf, um die standesgemässe Begrüssung auszuführen. Schnell wird klar: Für die Musketiergarde reicht es noch nicht.

In den folgenden Minuten lernen wir mit den richtigen Schritten und Armbewegungen sowohl den Gegner tödlich anzugreifen, als auch dessen Attacken kunstvoll abzuwehren und in nicht minder mörderische Gegenmanöver umzuwandeln.

Wenn alles nichts mehr nützt, kommt auch ein Stoffumhang zum Einsatz.

Wenn alles nichts mehr nützt, kommt auch ein Stoffumhang zum Einsatz.

(Bild: pgu)

Im Geiste höre ich D’Artagnan, Athos, Porthos und Aramis lauthals über mich lachen, wenn ich wieder mal mit der Klinge abrutsche oder zur falschen Seite hin pariere. Spass macht es nichtsdestotrotz – und zwar eine Menge.

Nach der etwa 30-minütigen Einführung habe ich zwar weder jemanden im Duell getötet noch schwer verwundet, trotzdem fühle ich mich mit meiner Fechtwaffe schon ziemlich vertraut und bin vor allem vom Variantenreichtum beeindruckt. Schliesslich kommt der Moment, in dem ich mich von meiner lieb gewonnen Klinge loseisen muss. 

Am Ende des Tages bleibt mir nur die frisch erwachte Faszination an der Schwertkunst und kehre unbewaffnet und wehrlos in meinen schnöden Alltag zurück.

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