Besuch im Streicher-Paradies in der Zuger Altstadt

Das Zuger Glücksspiel mit der ersten Geige

Carlos Scheurenberg und Philippe Pasquier, die Geigenbauer verstehen sich auch privat gut.

Ein Besuch im «il violino» kann schon mal 200’000 Franken kosten: Kein Pelz, Edelstein und auch keine Immobilie, sondern ein Musikinstrument ist hier das Objekt der Begierde. In der Altstadt arbeiten die einzigen Geigenbauer im Kanton Zug.

Beim Eintreten dringt sanft Radio SRF 2 durch den Äther. «Seit einiger Zeit läuft bei dem Sender leider auch World Music», kommentiert Mitinhaber Philippe Pasquier etwas ernüchtert sein arbeitsbegleitendes Programm. Er und Carlos Scheurenberg gehören zu den wenigen Geigenbauern in der Schweiz mit einem solch breiten Angebot: «Wir machen alles, von Reparaturen und Restaurationen bis hin zu Neubau, wir kaufen und verkaufen», unterstreicht Scheurenberg seine Armbewegungen zu den dicht mit Geigen behangenen Wänden.

«Wir sind keine Grossstadttypen.»

Carlos Scheurenberg, Geigenbauer

Es sind einige Schmuckstücke dabei, aus der Mitte des 18. Jahrhunderts bis heute. Falsche Instrumente seien relativ einfach zu erkennen, weiss Geigenbauer Scheurenberg: «Viele erkennt man von Weitem, bei anderen wird man es wohl nie genau in Erfahrung bringen können.» Wie bei den Autobauern gäbe es Geigenbauer, die über Epochen hinweg ihre typischen Formen beibehalten.

Von Buenos Aires aufs Land

Es sei schön, wenn Resonanz nicht nur von den Instrumenten, sondern auch von den Kunden käme. «Heute vor zwölf Jahren sind wir nach Zug gekommen», sagt Scheurenberg. Und seither sei ihre Kundschaft stetig gewachsen und mit ihnen die Zahl der wertvollen Streicher an den Wänden des Ateliers. Werbung würden sie kaum machen. Er selbst kam aus Buenos Aires und kennt das Leben in der Grossstadt. Er bevorzugte aber das Leben auf dem Land und fand dieses im ruhigen Luzerner Seetal.

«Da wusste man schon, welches Tempo man anschlagen müsse. Wo es brennt, da löschen wir das Feuer.»

Carlos Scheurenberg, Geigenbauer

Die ruhige Zuger Altstadt scheint mit ihrer idyllischen Kulisse prädestiniert zu sein für den Bau der filigranen Instrumente: «Wir haben in der Oberaltstadt in Zug ganz klein angefangen. Weil es uns hier in der Nähe des Sees so gefiel», sagt Scheurenberg. «Jeder braucht etwas anderes. Wir sind keine Grossstadttypen», fährt er fort. «Zug ist total international, was es in der Kombination zu einem guten Standort macht. Unsere Kunden kommen schon mal aus Südamerika, aus dem Mittleren Osten oder von sonstwo in Europa. Hier im Laden sprechen eben alle nur eine Sprache: Musik.»

Im oberen Stock können auch Bratschen getestet werden.

Im oberen Stock können auch Bratschen getestet werden.

Glück und Feuerlöschen

Bis zu einem Jahr kann sich der Bau eines Instruments hinziehen. Zeitdruck sei in diesem Atelier kein Problem mehr: Die Inhaber lernten sich schliesslich in Bern kennen, wo sie ihre Arbeitsweise bei Geigenbauer Otto Karl Schenk perfektionierten: «Wir arbeiten schnell und effizient.» Die Schnelligkeit in der Routine käme ausgerechnet von der Arbeit in der sonst eher gemächlichen Bundesstadt. «Da wusste man schon, welches Tempo man anschlagen müsse. Wo es brennt, da löschen wir das Feuer», so Scheuenberg, der daran erinnert, dass bald das Musikschulsemester für Schüler wieder anfängt. Eine ganze Palette Miet-Instrumente hängt dafür direkt neben ihm an der Wand.

Die Instrumente, die sie ankaufen, gewinnen auch durch die Restauration erst richtig an Wert. Nicht umsonst hängt draussen vor der Türe ein Zeitungsartikel: Geigen seien ein lukrativeres Geschäft als andere Anleihen, wird dort zitiert. Seit den 1960er-Jahren sind die Preise für historische Geigen, Bratschen und Celli gestiegen, die teuerste verkaufte sich für 16 Millionen US-Dollar, eine alte «Lady Blunt», Stradivari. «Es gehört aber auch eine grosse Portion Glück dazu, damit eine selbstgebaute Geige gut klingt», spricht Scheuenberg aus Erfahrung.

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