Schutz der Kinder ist kein Grund für Aufschub

Luzerner Kantonsrat stützt schnelle Abschiebung eines Familienvaters

Symbolbild: Trotz Familie droht Ausländern nach einer Haft oft die Ausschaffung.

(Bild: Emanuel Ammon/Aura)

Kürzlich ist in Luzern ein Familienvater nach Nigeria ausgeschafft worden – die Leidtragenden sind die Kinder. Eine Beschwerde am europäischen Gerichtshof ist noch hängig. Das sei kein Grund, mit der Abschiebung zu warten, findet die Luzerner Regierung. Nun hat der Kantonsrat darüber abgestimmt.

Kürzlich wurde unter Protest ein nigerianischer Familienvater aus der Schweiz ausgeschafft: trotz Familie mit drei Kindern, trotz ausbleibendem Entscheid des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), trotz politischem Vorstoss (zentralplus berichtete).

Der 41-Jährige hatte vor einigen Jahren wiederholt gegen das Betäubungsmittelgesetz verstossen, darum hat das Amt für Migration 2017 entschieden, seinen Aufenthaltsstatus nicht zu verlängern. Das Bundesgericht hatte die Wegweisung als letzte Instanz gestützt.

«Wir sollten die Kinderrechtskonvention als zentrales Recht stark gewichten.»

Hans Stutz, Kantonsrat Grüne

Zurück bleiben seine Schweizer Frau und drei Kinder. Eine Petition des Vereins Asylnetz machte sich für die Betroffenen stark und reichte im Mai 600 Unterschriften ein. Die Forderung: Der Familienvater soll in der Schweiz bleiben dürfen bis zum definitiven Entscheid aus Strassburg.

Familie auseinandergerissen

Der grüne Kantonsrat Hans Stutz doppelte mit einem dringlichen Postulat nach und forderte, mit der Ausschaffung «im Sinne einer vorsorglichen Massnahme» bis zu einem Entscheid aus Strassburg zu warten (zentralplus berichtete). Das Recht auf Familie und die Uno-Kinderschutzkonvention müssten in diesen Fällen umgesetzt werden. Die Schäden für die Kinder könnten irreversibel sein, befürchtet Stutz.

Am Dienstag hat der Kantonsrat den dringlichen Vorstoss behandelt. Hans Stutz sagte: «Wir sollten die Kinderrechtskonvention als zentrales Recht für Kinder und Eltern stark gewichten.» Durch die Abschiebung eines Elternteils werde die Familie auseinandergerissen. Das Ziel der Beschwerde in Strassburg könne so nicht mehr erreicht werden.

Kantonsrat ist für schnelle Abschiebung

Alles vergeblich: Die Ausschaffung ist vollzogen und der Regierungsrat lehnt den Vorstoss von Hans Stutz ab. Wenn das Bundesgericht die Wegweisung bestätigt, so sei diese zu vollziehen. Das Amt für Migration habe «umgehend die dafür notwendigen Vorkehrungen zu treffen», begründet die Regierung die ablehnende Antwort.

Bundesgerichtsurteile seien sofort rechtskräftig, eine Beschwerde beim EGMR habe keine aufschiebende Wirkung. Die Regierung verweist auf die innerstaatlichen Instanzen, die für ihre Entscheidung eine Güterabwägung vorgenommen hätten: zwischen dem öffentlichen Interesse an einer Wegweisung und dem privaten Interesse des Betroffenen am Verbleib.

«Liegt ein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid vor, können keine vorsorglichen Massnahmen mehr verfügt werden.»

Luzerner Regierung

Auch der Kantonsrat war mehrheitlich gegen das Postulat aus den Reihen der Grünen, abgesehen von der SP gab’s keinen Support und das Ansinnen wurde mit 73 zu 31 Stimmen deutlich abgewiesen.

«Je schwerer die begangene Rechtsgutverletzung wiegt und je häufiger ein ausländischer Elternteil delinquiert hat, desto eher vermag das öffentliche Interesse an einer Ausschaffung des Straftäters selbst das Interesse der Kinder zu überwiegen», argumentiert die Regierung. Diesem Argument folgten die meisten Politiker im Rat.

Das Amt für Migration habe gar keine Möglichkeit für eine erneute Prüfung des Kindeswohls, wie vom Vorstoss verlangt. «Liegt ein rechtskräftiger Wegweisungsentscheid vor, können keine vorsorglichen Massnahmen mehr verfügt werden», so der Regierungsrat. Dies könne einzig der EGMR, doch dieser habe in diesem Fall auf vorsorgliche Massnahmen verzichtet.

Wie viel Spielraum hat der Kanton?

Hans Stutz widerspricht: Der Regierungsrat habe diese Gestaltungsmöglichkeiten, auch in anderen Fällen seien Freiheitsstrafen nicht vollzogen worden, wenn Betroffene das Urteil nach Strassburg weiterzogen. «Diesen Ermessensspielraum möchten wir dem Regierungsrat politisch geben.»

SVP-Kantonsrat Pirmin Müller sagte, dass vor der EGMR-Beschwerde sämtliche innerstaatlichen Instanzen anders entschieden und die Wegweisung bestätigt hätten. «Alle Gerichte haben die Verhältnismässigkeit seriös geprüft, darum gibt es keinen Anlass, die Ausweisung nicht zu vollstrecken.»

GLP-Politiker Markus Hess fügte noch an, dass allenfalls das Bundesgericht im Verfahrensrecht vorsorgliche Massnahmen hätte anordnen können. Darauf hat es jedoch verzichtet. «Darum müssen Entscheide des Bundesgerichts sofort umgesetzt werden.»

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Joseph de Mol
    Joseph de Mol, 18.06.2019, 18:47 Uhr

    Richtig so. Schliesslich wird hier nur geltendes Recht angewendet. Der Betroffene muss sich halt vorher überlegen, ob er straffällig werden will oder nicht. Die Konsequenzen, ob bewusst oder unbewusst, muss jede/r selber tragen. Auch nach dem Motto: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Es ist schlicht eine Güterabwägung, die hierzu zu treffen ist. Der Nigerianer hat falsch abgewogen! Da hilft auch nachträgliches lamentieren nicht!

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