Politischer Vorstoss verlangt Plan für die Zukunft

Wegen Klimastreik? Zuger ÖV soll klimaneutral werden

So sieht der eCitaro in neutraler Lackierung aus.

(Bild: zvg)

Und sie bewegt sich doch: Obwohl die Zuger Politik jüngst Kürzungen beim öffentlichen Verkehr vorgenommen hat, stehen die Zeichen nun auf Umweltbewusstsein und Ausgaben für Elektromobilität. Das würde man auch bei den Zugerland Verkehrsbetrieben begrüssen.

Dies sind die Schlagzeilen des laufenden Jahres: Luzern eliminiert die Diesel-Hilfsmotoren in den Trolleybussen, elektrifiziert Linien und verlegt neue Fahrleitungen. Zürich kauft acht neue Batterietrolleybusse und rüstet eine Linie von Diesel- auf Trolleybetrieb um. Zug hingegen, respektive die Zugerland Verkehrsbetriebe kaufen Dutzende von neuen Dieselbussen. Gerade mal einen einzigen Elektrobus hat man hier bestellt. Es wird der allererste sein, der in Zug keine Abgase mehr ausstösst – und natürlich ist er bis dato noch nicht geliefert worden (zentralplus berichtete).

Doch nun zeichnet sich ein Umdenken ab: Die Fraktion der CVP – zu der auch die Abgeordneten der GLP gehören –  hat an der letzten Kantonsratssitzung, als das Parlament auch den Klimanotstand ausrufen liess, einen Vorstoss lanciert. Dieser verlangt von der Zuger Regierung einen Plan, wie man den öffentlichen Verkehr im Kanton Zug klimaneutral machen könnte.

Gespräche mit Klimabewegten

Dasselbe Parlament, welches in der letzten Legislatur noch regierungsrätliche Sparmassnahmen bei den Zugerland Verkehrsbetrieben guthiess, überwies das Postulat anstandslos. Sogar die Zuger Freisinnigen, die bisher immer gegen den «Aktionismus» der Klimabewegung Front machten, fanden die Idee gut. Der Oberägerer FDP-Kantonsrat Peter Letter fand ausnehmend warme und lobende Worte für die Initiative. Bei SP und ALG rannte die CVP ohnehin offene Türen ein.

Der Vorstoss ist das Ergebnis von Gesprächen mit Vertretern der Zuger Klimabewegung, zu denen sich die CVP nach der letzten Zuger Klimademo entschlossen hatte. Diese haben die Christdemokraten zum Nachdenken gebracht. CVP-Fraktionschef Thomas Meierhans aus Steinhausen erzählt von einem Theaterbesuch in Luzern, bei dem er sich gefragt habe, warum man etwa die Einführung von Trolleybussen nicht auch im Kanton Zug prüfen solle.

Wie viel zusätzliches Geld braucht es?

Nun also muss die Regierung in einem Massnahmenkatalog aufzeigen, wie die Klimaneutralität im öffentlichen Verkehr im Kanton Zug erreicht werden kann und welche finanziellen Mittel dafür nötig sind. Auf jeden Fall aber soll sich die Regierung  dafür einsetzen, dass die Zielvorstellung in 20 Jahren erreicht wird, und der CO2-Ausstoss auch wirklich verringert oder «sogar die CO2-Neutralität erreicht wird». Denn Klimaneutralität kann man bekanntlich auch mit Kompensationszahlungen erreichen – also einer Art Ablasshandel.

«Die Finanzierung muss tragbar und politisch auch durchsetzbar sein.»

Thomas Meierhans, CVP-Fraktionschef

In 20 Jahren freilich werden die neugekauften ZVB-Dieselbusse schon wieder ausgemustert sein. Stapelt die CVP also mit der Frist zu tief? «Wir nehmen das Anliegen sehr ernst und geben deshalb einen realistischen Zeithorizont vor», entgegnet Thomas Meierhans. Man sei bereit, zusätzliches Geld zu investieren. Aber die Finanzierung müsse über eine längere Zeit hinweg stattfinden. «Nur so ist sie tragbar und politisch auch durchsetzbar», sagt er.

Für Trolleys braucht es grosse Anstrengungen

«Bei den Zugerland Vekehrsbetrieben ist der Grundsatzentscheid, in die Elektromobilität einzusteigen, schon vor längerer Zeit gefallen», sagt Unternehmenssprecherin Karin Fröhlich. Zu den erwartbaren Mehrkosten durch die Anschaffung von Elektrobussen meint sie: Es sei richtig, dass diese deutlich teurer als Dieselbusse sind. «Berücksichtigt man aber die Vollkostenrechnung, betragen die Mehrkosten beim momentanen Stand der Technik noch 20 bis 30 Prozent.»

Die ZVB hat sich länger mit Grundsatzfragen auseinandergesetzt. Trolleybusse hält man für wenig geeignet, da die Neuinstallation eines ganzen Fahrleitungsnetzes zu aufwändig ist. Die ganzen Verhandlungen mit privaten Liegenschaftsbesitzern müssten durch die öffentliche Hand geführt werden. «Die Aufrüstung von Trolleybussen ist heutzutage nur dort realistisch, wo bereits Oberleitungen bestehen», so Fröhlich.

Erster Depotlader

Bleiben also Elektrobusse. Dafür gibts zwei Systeme: solche, welche ihre Batterien fortlaufend an Ladestationen aufladen, die etwa an Busendstationen stationiert sind. Diese müssten die ZVB wiederum auf Grund installieren, der ihnen nicht gehört. Ausserdem brauchen Busse nach Ägeri und in die Berggemeinden wegen der Strassensteigung eine hohe Leistung, das System würde an Grenzen stossen.

«Beim ‹e-Citaro› bestehen Lieferfristen von derzeit eineinhalb Jahren.»

Karin Fröhlich, Zugerland Verkehrsbetriebe

Also setzt man bei den ZVB auf sogenannte «Depotlader». Busse, die in der Garage aufgeladen werden und dann den ganzen Tag im Einsatz stehen. Die Technologie ist noch relativ jung. «Der ‹e-Citaro› ist der erste Bus dieses Modells, der in der Schweiz verkehrt», sagt Fröhlich. «Wir stehen also durchaus mit an der Spitze der technologischen Entwicklung.»

Altes Depot ungeeignet

Neben den knappen Finanzen haben die ZVB noch ein anderes Problem: die Infrastruktur. Elektrobusse haben ihre tonnenschweren Batterien auf dem Dach verstaut. Zur Wartung muss man von oben ran – und dafür ist der alte Hauptstützpunkt nicht ausgelegt. Um im grossen Stil Elektrobusse zu kaufen, braucht es den neuen geplanten Hauptstützpunkt an der Aa – und der ist selbst im günstigsten Fall erst in 10 Jahren bezugsreif.

Das Taxigesetz ist durch. Und zwar ohne finanzielle Anreize für 24-Stunden-Service oder umweltfreundliche Autos.

Auch die Taxis in Zug sollen klimaneutral werden.

(Bild: fam)

Ohnehin erhält man die nicht einfach so von einem Tag auf den anderen. «Es besteht momentan ein grosser Run auf diese Busse», sagt Fröhlich. Beim e-Citaro bestünden Liefer- respektive Wartefristen von derzeit eineinhalb Jahren.

Also werde man erst Erfahrungen mit dem ersten Elektrobus sammeln. Sobald es technisch machbar und finanziell tragbar werde, wolle die ZVB in neue E-Busse investieren. «Dazu braucht es ein politisches Statement und eine finanzielle Zusage», sagt Fröhlich.

Auch die Schiffe sollen klimaneutral werden

Die ZVB habe lediglich die Kaufoption für die Dieselbusse zu einem festgelegten Preis erworben, ein Abnahmepflicht bestehe nicht. «Die Flotte wird rollierend erneuert», sagt Fröhlich.

«Die Grundlagen für ein Mobilitätskonzept sind erarbeitet.»

Florian Weber, Baudirektor (FDP)

Übrigens fordert das Postulat nicht nur eine Veränderung der Busflotte – die Regierung soll auch bei den SBB Einfluss nehmen und zusehen, dass die Taxiflotte umgebaut wird. Ausserdem soll die Standseilbahn auf den Zugerberg klimaneutral operieren – und ebenso die Schiffe auf dem Ägeri- und Zugersee.

Vorreiter auf dem Vierwaldstättersee

Letzteres freilich wird ein noch grösserer Schritt sein – denn Schiffe fahren mit leistungsstarken Motoren. Auf hoher See wird oftmals noch mit Schweröl gefeuert, als Ersatzbrennstoff zeichnet sich dort Flüssiggas ab. In der Binnenschifffahrt ist der Dieselmotor noch unangefochten.

Als erstes Binnenschiff der Schweiz operiert zwar das neue Vierwaldstättersee-Schiff MS Diamant klimaneutral. Doch der Kahn hat lediglich einen Hybridantrieb, die Klimaneutralität wird nur dank Kompensationszahlungen erreicht.

Norwegen machts vor

Meierhans bleibt dennoch optimistisch und verweist auf Norwegen. Dort will man bis 2026 alle Fähren über die Fjorde auf Elektroantrieb umrüsten. Eine 400-Personen-Fähre namens «Future of the Fjords» ging vergangenes Jahr in Betrieb.

Seit letztem Jahr in Betrieb: Elektrofähre «Future of the Fjords».

Seit letztem Jahr in Betrieb: Elektrofähre «Future of the Fjords».

(Bild: zvg)

Sie ist mit 42 Metern etwas kürzer als das grösste Zugersee-Schiff «Zug» – aber breiter und mit rund 30 Stundenkilometern Höchstgeschwindigkeit auch schneller. Sie hat eine Reichweite von 55 Kilometern und kann ihre Batterien in 20 Minuten aufladen.

Ein Jahr Zeit

Angesicht dieser Zukunftsmusik interessiert, was nun konkret passiert – und wann. Der Regierungsrat hat sich mit dem Thema noch nicht befasst, wie eine Nachfrage beim zuständigen Baudirektor Florian Weber (FDP) ergab. «Er muss innert Jahresfrist dem Kantonsrat Bericht erstatten und Antrag stellen», sagt er.

«Schön wäre, wenn der öffentliche Verkehr ausgebaut wird.»

Andreas Lustenberger, Präsident ALG

Nützlicherweise sollte der Plan des Regierungsrates aber in das Mobiltätskonzept einfliessen, welches er den Kantonsräten seit längerem versprochen hat und das via Richtplan verbindlich werden soll. «Das Anliegen eines CO2-neutralen ÖV muss darin unbedingt berücksichtigt werden», findet CVP-Fraktionschef Thomas Meierhans. «Es soll auch neue Mobilitätsformen miteinbeziehen.»

Motorisierter Verkehr nimmt zu

Gleiches fordert etwa auch Andreas Lustenberger, Präsident der Alternativen – die Grünen des Kantons Zug. «Schön wäre ausserdem, wenn der öffentliche Verkehr nicht nur klimaneutral würde, sondern auch ausgebaut wird.» Schliesslich nehme der motorisierte Individualverkehr im Kanton Zug immer noch zu.

Bis das Mobilitätskonzept verabschiedet ist, dauert es aber noch eine Weile. «Die Grundlagen sind erarbeitet», sagt Baudirektor Florian Weber. Derzeit sei die Konzeptphase mit verschiedenen Expertengesprächen am Laufen.

Vernehmlassung beginnt Ende 2020

In der Folge werde der Regierungsrat «einen ersten Entwurf des Mobilitätskonzepts voraussichtlich in der zweiten Hälfte des nächsten Jahres für die öffentliche Mitwirkung freigeben», so Weber.

Nach Eingang und Auswertung der externen Vernehmlassungen werde der Regierungsrat das Mobilitätskonzept beschliessen «und schliesslich eine Richtplananpassung im ordentlichen Verfahren einleiten».

 

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