50 Fragen an ... Joachim Eder

Der Ständerat, der im Bademantel zum Briefkasten geht

FDP-Ständerat Joachim Eder legt im Herbst sein Amt nieder.

(Bild: ewy)

Der Zuger FDP-Ständerat Joachim Eder legt im Herbst sein Amt ab. Im 50-Fragen-Interview spricht er aber nicht nur über seine Zeit als Politiker, sondern auch darüber, was ihn in seinem Leben am meisten geprägt hat, weshalb er nicht am Frauenstreik teilnimmt und was er als erstes tut, wenn er am Morgen aufsteht.

Es ist ein Mittwochmorgen, kurz vor 9 Uhr, als wir FDP-Ständerat Joachim Eder ein paar Meter vor uns ins Café Glücklich in Zug am Bahnhof huschen sehen. Dort haben wir mit ihm abgemacht, dort soll er sich dem berüchtigten 50-Fragen-Format von zentralplus stellen. Säuberlich hängt er seine Jacke auf, wir setzen uns mit ihm an einen Fensterplatz. Er bestellt einen Tee und ein Gipfeli, wir Kaffee, woraufhin der Ständerat meint: «Dann gibt es also keine Gipfel(i)konferenz heute.»

1. Joachim Eder, was werden Sie am meisten vermissen, wenn Sie Ihre politische Karriere im Herbst an den Nagel hängen?

Das ist schwierig zu beantworten, weil ich noch mittendrin stecke. Ich kann jetzt politisch mitgestalten, verändern, bewegen und Impulse geben, das werde ich danach nicht mehr können. Aber ich bin ein Mensch, der nach vorne schaut und nicht zurück.

2. Sie hatten viele politische Ämter: In welcher Funktion war es Ihnen am wohlsten?

Landammann: Die Zuger Regierung, aber auch die Zuger Bevölkerung zu vertreten, war das Schönste in meiner gesamten Karriere.

3. Warum?

Es ist eine Ehre, diese Position einnehmen zu dürfen. So einen schönen Kanton und seine Bevölkerung zu vertreten, das ist etwas Einmaliges.

4. Sie blicken auf eine sehr erfolgreiche Zeit als Politiker zurück. Welches war Ihre grösste Niederlage?

Niederlagen gibt es immer wieder, sie bringen einen aber weiter. Meine grösste Niederlage im Ständerat war wohl, dass die Abschaffung der Übernachtungsentschädigung für jene, die keine Auslagen dafür haben, nicht angenommen wurde. Ich wollte, dass Parlamentarier nur noch entschädigt werden, wenn sie auch wirklich auswärts und nicht zuhause übernachten. Das fände ich dem Steuerzahler gegenüber nur fair und eigentlich selbstverständlich. Es hat mich getroffen, dass das nicht durchkam.

5. Worauf legen Sie Ihren Fokus im Rest Ihrer Amtszeit?

Eigentlich auf alle präsidialen Funktionen. Bei der Komission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) stehen beispielsweise noch wichtige Schwerpunktgeschäfte an (Invalidenversicherung und Tabakproduktegesetz).

6. Der «Beobachter» schreib einmal, «Eder wiederum steht für die typischen FDP-Vertreter im Ständerat». Ihnen wird vorgeworfen, Mandate anzuhäufen. Wie viele angebotene Mandate haben Sie abgelehnt?

Deutlich mehr, als ich angenommen habe. Ich besitze im Moment 31 Mandate. Davon sind 26 ehrenamtlich. Mir wurde beispielsweise das Präsidium beim Krankenkassenverband «Curafutura» angeboten, ich fand das aber nicht mit meiner früheren Tätigkeit als Gesundheitsdirektor vereinbar.

«Um die Gesundheitskosten zu senken, müssten mehr Spitäler geschlossen werden.»

7. Sie haben sehr viele ehrenamtliche Engagements, insbesondere im Bereich Gesundheit. Sind Sie der Meinung, die Schweiz ist hier gut unterwegs, wenn man die Kosten betrachtet?

Nein, es ist sehr teuer – aber qualitativ auch sehr hochstehend. Wir können uns weltweit messen. Die Gesundheit ist uns also etwas wert. Aber Umfragen zeigen: Die steigenden Gesundheitskosten sind die grösste Sorge der Schweizer Bevölkerung, und das nehme ich sehr ernst.

8. Was würden Sie in einem Satz ändern, um die Gesundheitskosten für die Bevölkerung erträglicher zu gestalten?

Mehr Spitäler schliessen.

9. Sie haben sich im Rahmen der Wiedergutmachungsinitiative für Verdingkinder starkgemacht. Hatten Sie auch Kontakt mit Opfern, wie haben Sie diese erlebt?

Die Wiedergutmachungsinitiative war einer meiner schönsten Erfolge. Ja, ich hatte Kontakt mit Opfern, an Sitzungen, Anlässen, aber auch auf dem Bundesplatz. Viele Opfer waren richtig glücklich darüber, dass die Politik endlich versucht, sie zu rehabilitieren. Das hat auch mich innerlich riesig gefreut.

10. Sie haben ihre Entschädigungen für diverse Organisationen wie Hauseigentümerverband, Verbindung der Schweizer Ärzte, Sanitas, et cetera nie offengelegt. Warum nicht?

Ich darf und will die Entschädigungen der einzelnen Mandate nicht nennen, insgesamt sind es aber 60’000 bis 70’000 Franken pro Jahr, das sage ich ganz offen.

11. Sie waren Lehrer: Das duale Bildungssystem der Schweiz wird hochgelobt und ins Ausland exportiert, gleichzeitig wollen immer weniger Personen den Weg einer Lehre einschlagen. Das führt zu einer Überqualifizierung der Gesellschaft, woran liegt das?

Ich finde den Trend zur Akademisierung falsch und glaube, das liegt vor allem am Druck der Gesellschaft. Heute hat jeder das Gefühl, nur ein akademischer Abschluss sei gut genug.

«Manchmal muss man etwas Extremes tun, um ein politisches Anliegen durchzubringen.»

12. Wie kann die Arbeiterschaft ersetzt werden, die an der Basis fehlt?

Vor allem die handwerklichen Berufe müssten attraktiver gestaltet und besser bezahlt werden. Ausserdem sollte ihre Bedeutung hervorgehoben werden. Diese Berufe werden viel zu wenig wertgeschätzt.

13. Was halten Sie vom Klimastreik?

Wenn man mit einem politischen Anliegen weiterkommen will, muss man manchmal etwas Extremes tun. Der Klimastreik ist aus Sicht der Jugendlichen verständlich, das darf aber von Organisationen nicht missbraucht werden. Die Jugendlichen meinen das ernst. Die Frauen meinen das ernst, es liegt ihnen mehr am Herzen als vielen Männern. Es muss uns dazu bringen, in der Umweltproblematik sinnvolle Lösungen zu erreichen.

«Ich bin keine Frau.»

14. Und was halten Sie von der grünen Welle der FDP?

Also ich finde es gut, dass die FDP ihre Mitglieder dazu befragt hat. Sie hat die Umweltthematik in ihrer DNA – es ist nicht so, dass wir das erst kürzlich entdeckt haben. Jetzt kommt aber die Nagelprobe und es wird sich herausstellen, was man genau wie umsetzt.

15. Glauben Sie, die Wirtschaft kann das Klima retten?

Die Wirtschaft kann mit innovativer Forschung und Ideen und deren Umsetzung einen Beitrag zur Rettung des Klimas leisten. Aber die Wirtschaft alleine schafft es nicht, die Bevölkerung muss mitmachen.

16. Laufen Sie am Frauenstreik mit?

Nein, auf keinen Fall. Ich bin keine Frau.

17. Wie schätzen Sie die Chancen der FDP ein, die beiden nationalen Sitze zu halten?

Beim Ständerat bin ich zuversichtlich, im Nationalrat wird es eine echte Herausforderung werden. Weil es immer ein Wackelsitz war.

18. Vor wem sollte sich die Zuger FDP bei den kommenden Wahlen in Acht nehmen?

Im Nationalrat muss sich die FDP vor der SP und den Alternativen in Acht nehmen. Die wollen die Rückeroberung des Nationalratssitzes.

19. Wenn Sie vor Ende ihrer Amtszeit irgendetwas an der Schweiz, frei nach Ihrem Willen, verändern könnten, was wäre das?

Ich will nicht ausweichen, aber wir haben Gottseidank ein System, in dem nicht eine Einzelperson etwas ändern kann. Allerdings würde ich persönlich versuchen, dass man wegkommt von dieser Polarisierung in der Politik. Weg von der parteipolitischen Ausrichtung, hin zu Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg. Hin zu mehr Konsens, und das meine ich wirklich ernst. Das Wohl des Landes und nicht die parteipolitische Ideologie sollte im Vordergrund stehen.

20. Was in Ihrem Leben hat Sie am meisten geprägt?

Das sind drei Sachen: die Heirat mit meiner Frau, die Geburt unserer vier Kinder und das Überleben des Zuger Attentats am 27. September 2001. Ich kann es nicht auf ein Ereignis reduzieren.

21. Was ist das erste, das Sie tun, wenn Sie morgens aufwachen?

Lacht. Dann geh ich mit dem Bademantel an den Briefkasten und hole die Zeitung – für meine Frau. Ich lese sie meistens auf dem iPad. Und dann essen wir zusammen Frühstück.

22. Welches ist Ihr Lieblingsbuch?

«Draussen vor der Tür» von Wolfgang Borchert.

23. Haben Sie einen Lieblingswitz?

Da muss ich passen. Ich kann einiges, aber ich kann mir einfach keine Witze merken.

24. Sie sind in verschiedenen Chören, auch Jodelchören, Ehrenmitglied. Können Sie uns etwas vorjodeln?

Nun, ich bin in diesen Chören Ehrenmitglied, nicht, weil ich speziell gut singen kann, sondern weil ich ein guter Organisator bin, der bestens vernetzt ist. Dasselbe gilt für den Schwingklub Ägerital. Ich bin auch dort Ehrenmitglied, aber Schwinger bin ich nicht, auch wenn ich das Gewicht dazu hätte. Selbst singe ich aber gerne «Alles was bruchsch uf de Wält, das isch Liebi».

 

25. Ihr Lieblingsmusiker?

Die Dorfspatzen Oberägeri – damit zeige ich auch, dass ich als Unterägerer global denke. Lacht.

26. Mit wem möchten Sie im Lift steckenbleiben?

Mit Donald Trump, obwohl das wahrscheinlich nie der Fall sein wird. Dann kann er nicht weglaufen und ich könnte ihn fragen, welche Ziele er mit der Schweiz verfolgt.

27. Mit wem nicht?

Überlegt lange. Mit einem Kriminellen, der einem Angst macht.

28. Ihr Haus brennt. Alle Ihre Liebsten sind in Sicherheit. Welche drei Gegenstände wollen Sie unbedingt aus den Flammen retten?

Meinen Laptop, weil da alle Daten und Fotos drauf sind, den Zuger Renaissance-Schrank aus dem Jahr 1680 und die Kiste mit Dingen, die ich vor allem von meinen Kindern bekommen habe: Uhren und Schmuck. Wahrscheinlich stehe ich dann zwar im Pyjama da, aber wenn mein Haus brennt, wird man ja wohl Verständnis haben, dass ich die Klamotten dringelassen habe.

«Nicht Poulet-Cordon-Bleu, sondern Kalbs-Cordon-Bleu.»

29. Was finden Sie toll an sich?

Schwierige Frage … dass ich das Leben so gestalten konnte, wie ich es getan habe – mit der Unterstützung meiner Familie.

30. Was stört Sie an Ihnen selbst?

Ohne zu überlegen. Dass ich handwerklich so unbegabt bin, aber das kann dafür meine Frau ganz gut.

31. Ihr Lieblingsessen?

Cordon Bleu mit Pommes – aber nicht Poulet-Cordon-Bleu, sondern Kalbs-Cordon-Bleu – und Gemüse.

32. Was können Sie nicht ausstehen?

Leute, die sich persönlich zu wichtig nehmen.

33. Worüber können Sie lachen?

Gute Witze, die ich mir aber eben selbst leider nicht merken kann. Regierungsratskollege Peter Bossard (selig) konnte so gut Witze erzählen.

«Ich habe zwei linke Hände.»

34. Was ist ihr grösstes Talent?

Den Zugang zu Leuten aus allen demographischen Schichten zu finden.

35. Worin sind Sie gänzlich unbegabt?

Wie gesagt, Handwerken, ich habe wirklich zwei linke Hände.

36. Was wollten Sie als Kind werden?

Pfarrer. Weil mein Götti Priester war und mir grossen Eindruck machte.

37. Was hätten Sie wohl gemacht, wenn Sie nicht Lehrer geworden wären?

Auslandkorrespondent bei einer Zeitung. Journalismus hat mich immer sehr interessiert.

38. Ferien lieber in einem skandinavischen Wald oder im Süden am Strand?

Im Süden am Strand.

39. Sie haben lange Handball gespielt und sind Trainer gewesen. Werfen Sie von Zeit zu Zeit selbst noch ein paar Bälle?

Ja, mit den Enkeln mache ich das immer noch leidenschaftlich gern.

40. An einem ökumenischen Gottesdienst im Birkenwäldli vor einigen Jahren sagten Sie mal, Sie hätten bis jetzt keine Abstimmung verpasst. Wirklich?

Ja, tatsächlich.

Waren Sie nie im Ausland oder so?

Nicht viel, ich bin nicht so der Weltenbummler.

41. Sie sind nicht sehr aktiv auf Social Media. Weshalb?

Ich bin richtig froh, habe ich keine Social-Media-Profile. Das ist mir zu oberflächlich, ich bevorzuge den persönlichen Kontakt mit einem Händedruck und Gespräch.

42. Sie könnten mit einer Zeitmaschine reisen und sich mit einer Person Ihrer Wahl unterhalten, wer wäre das?

Mahatma Gandhi.

Weshalb?

Weil er das Beispiel für Versöhnung war.

43. Sie sind Ehrenmitglied im Schwingklub Ägerital, haben Sie Ihr Ticket fürs ESAF bereits?

Ja, als Ständerat von Zug bin ich Ehrengast, aber ich war auch an den letzten «Eidgenössischen» immer dabei.

44. Was denken Sie, wer wird Schwingerkönig?

Joel Wicki aus Sörenberg oder unser Zuger Pirmin Reichmuth.

«Ich packe ihn einfach und werfe ihn zu Boden.»

45. Gegen welchen Parlamentarier würden Sie gerne im Schwingen antreten?

Cédric Wermuth, SP-Nationalrat aus dem Aargau.

Wer gewinnt?

Ich. Ich bin schwerer. Ich packe ihn einfach und werfe ihn zu Boden.

46. Können Sie sich immer beherrschen? Wir wissen, dass Sie als Lehrer mal jemandem ein Buch «angeschmissen» haben.

Das kann sein. Lacht. Aber ich erinnere mich nicht mehr daran. Ich glaube, es ist gut, wenn man gewisse Dinge vergisst. Grundsätzlich kann ich mich aber gut beherrschen. Vor allem in der Politik ist dies wichtig. Ich bin immer ich.

47. Wovor fürchten Sie sich?

Dass ich ein Pflegefall werde und meiner Familie zur Last falle.

FDP-Ständerat Joachim Eder legt im Herbst sein Amt nieder.
FDP-Ständerat Joachim Eder legt im Herbst sein Amt nieder.

(Bild: ewy)

48. Worüber sollte man keine Witze machen?

Über Frauen.

Die Frauen als Schmerzgrenze?

Nein, es ist mehr eine Frage des Anstandes und Respekts.

49. Wen bewundern Sie?

Alle Menschen, die es schaffen, das Beste aus einer schwierigen Situation zu machen, zum Beispiel Querschnittsgelähmte.

50. Welche ist Ihre liebste Erinnerung?

Die Hochzeit mit meiner Frau in der St.-Verena-Kapelle. Draussen hat es geblitzt und gedonnert.

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2 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 11.06.2019, 13:44 Uhr

    Die Herren Michel und Tännler sind als Nachfolger von Joachim Eder ungeeignet, den Stand Zug zu vertreten. Sie haben sich durch ihr unsäglich intolerantes Verhalten in der «Plakataffaire» disqualifiziert. Joachim Eder hingegen schätze sich seit seiner Handball-Zeit sehr. Er war stets fair auf dem sportlichen und politischen Spielfeld, auch wenn wir politisch das Heu nicht auf der gleichen Bühne haben.

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  • Profilfoto von jam
    jam, 10.06.2019, 14:02 Uhr

    Aufschlussreich, was Joachim Eder auf die 50 Fragen von Zentralplus antwortet. Der Zuger Ständerat wird in der nächsten Legislatur leider nicht mehr dabei sein. Auf ihn folgt Matthias Michel oder Heinz Tännler. Ein spannender Wahlkampf liegt schon jetzt in der Luft.

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