Warum sich Schwerzmann in Luzern durchsetzte

Experte: «Viele finden die Abwahl eines Bisherigen unanständig»

Die Luzerner Regierung besteht weiterhin aus fünf bürgerlichen Männern. Von links: Paul Winiker, Reto Wyss, Guido Graf, Fabian Peter und Marcel Schwerzmann.

(Bild: jal)

Die CVP-Wähler waren für den Ausgang der Luzerner Regierungsratswahlen entscheidend, sagt Politologe Olivier Dolder. Das Scheitern der linken Kandidatur erklärt er mit Marcel Schwerzmanns Bisherigen-Bonus. Dolder rechnet den Linken aber gute Chancen aus, in vier Jahren in die Regierung zurückzukehren.

zentralplus: Olivier Dolder, warum hat es Paul Winiker und vor allem Marcel Schwerzmann letztendlich gereicht?

Olivier Dolder: Im ersten Wahlgang wurde Schwerzmann teilweise abgestraft. Er hatte sein Potenzial da bei Weitem nicht ausgeschöpft. Es gab eine Vielzahl von Wählern, welche ihn erst im zweiten Wahlgang wählten.

zentralplus: Man wollte ihm also einen Denkzettel verpassen, am Schluss entschied man sich aber trotzdem wieder für ihn?

Dolder: Zum einen musste er für gewisse Entscheide der Gesamtregierung sowie deren Kommunikation geradestehen. Zum anderen fehlte ihm als Parteiloser im ersten Wahlgang aber auch einfach die Parteibasis. Oder anders gesagt: Im ersten Wahlgang schauen die Parteien und deren Wähler zunächst für die eigenen Kandidaten. 

zentralplus: Schwerzmann konnte deutlich stärker zulegen als Korintha Bärtsch (zentralplus berichtete). Sie scheinen nicht überrascht.

Dolder: Das linke Lager wählte bereits im ersten Wahlgang geschlossen für Korintha Bärtsch. Bei den Bürgerlichen hingegen gab es zahlreiche Wähler, welche erst die Kandidaten ihrer Partei wählten. Schwerzmann hat es da als Parteiloser schwierig. Dass er aber im zweiten Wahlgang zulegen konnte, ist nicht sehr überraschend – und war im Übrigen bereits vor vier Jahren so.

Olivier Dolder sieht für die Linken gute Chancen in Zukunft in die Regierung zurückzukehren.

Olivier Dolder sieht für die Linken gute Chancen in Zukunft in die Regierung zurückzukehren.

(Bild: bic)

zentralplus: Welche Rolle spielte die Mobilisierung?

Dolder: Da die Stimmbeteiligung praktisch gleich hoch war wie im ersten Wahlgang, hat wohl kein Lager einen besonderen Schub erhalten. Ich glaube auch nicht, dass die Abstimmungen eine grosse Rolle spielten.

zentralplus: Was haben Winiker und Schwerzmann besser gemacht als Korintha Bärtsch?

Dolder: Es war sicher gut, dass sie gemeinsam aufgetreten sind. Insbesondere Marcel Schwerzmann hat von diesem Paket profitiert. Und dann genossen sie den Bisherigen-Bonus.

zentralplus: Mit einem Inserat versuchten die Bürgerlichen die politischen Positionen von Bärtsch publik zu machen. Diese Art des Wahlkampfs kannte man bisher nicht. Es scheint am Ende gewirkt zu haben.

Dolder: Tatsächlich generierte das Inserat Medienaufmerksamkeit. Es kann schon sein, dass der eine oder andere Wähler Korintha Bärtsch nicht gewählt hat, weil sie angeblich extrem links sein soll. Ich denke aber, die Stimmfreigabe der CVP und die Wahlempfehlung des CVP-Wirtschaftsflügels für die beiden Bisherigen hatten mehr Einfluss.

«Wenn Schwerzmann nicht mehr antritt, hat die SP gute Chancen.»

zentralplus: Muss man die Erklärung für das Resultat also bei der CVP suchen?

Dolder: Ja, bei Majorzwahlen ist es entscheidend, die politische Mitte zu überzeugen. Ich persönlich war von der Stimmfreigabe überrascht. Einerseits, weil die CVP bis zu dieser Wahl immer für die Konkordanz einstand. Und andererseits, weil sie mit einer linken Vertretung in der Regierung die Regierungspolitik noch stärker hätte beeinflussen können. Ihre beiden Regierungsräte hätten einmal nach links und einmal nach rechts den Ausschlag für Mehrheiten geben können.

zentralplus: In Kommentarspalten bekommt die CVP nun ihr Fett weg. Ist Bärtschs Nichtwahl so einfach zu erklären?

Dolder: Dies ist nur eine Seite der Medaille. Das Hauptproblem der Linken war Marcel Schwerzmann. Viele finden die Abwahl eines Bisherigen unanständig. Insbesondere, weil er keine riesigen Fehler machte. Dass die politische Linke dann wieder zum Zug kommen soll, wenn die Zeit reif ist, war wohl eine weit verbreitete Haltung.

zentralplus: In vier Jahren könnte es eine grössere Rochade geben. Paul Winiker, Marcel Schwerzmann und Guido Graf stehen wohl vor ihrer letzten Amtszeit. Schaffen die Linken dann die Rückkehr in die Regierung?

Dolder: Wenn Schwerzmann nicht mehr antritt, hat die SP gute Chancen.

zentralplus: Können Sie das noch etwas ausführen?

Dolder: Viele Bürgerliche sind im Grundsatz für die Konkordanz. Wenn Schwarzmann zurücktritt, wird ein Sitz frei. Das heisst, es braucht weder eine Abwahl, um die Konkordanz herzustellen, noch muss eine Partei einen Sitz opfern.

zentralplus: Nebst dem linken Lager fehlt auch eine Frau in der Regierung. Der Missstand ist erkannt. Was muss geschehen, dass dies in vier Jahren korrigiert werden kann?

Dolder: Die Parteien müssen heute damit anfangen, die entsprechenden Strukturen zu schaffen. Kurzfristig gelingt es nicht, Frauen-Kandidaturen aufzubauen. Man sah dies ja bei der FDP. Es wird viel Überzeugungsarbeit brauchen. In der Pflicht stehen insbesondere die CVP und die FDP. Eigentlich auch die SVP. Aber die Partei und ihre Wähler interessieren sich wenig bis nicht für Frauenförderung. Man kann die politische Linke nicht alleine in die Verantwortung nehmen. Sie stellte lange eine Frau in der Regierung, präsentierte vor vier Jahren und vorgestern eine Frau im zweiten Wahlgang und im Parlament ist sie fast durch 50 Prozent Frauen vertreten.

«Es besteht die Gefahr, dass eine unheilige Allianz Geschäfte zum Scheitern bringen könnte.»

zentralplus: Heisst das im Umkehrschluss, dass für bürgerliche männliche Politiker die Türe in den Regierungsrat bei den nächsten Wahlen zu ist?

Dolder: Am Schluss ist sich in der Regel jeder selbst am nächsten. Heisst, es werden sich bestimmt auch Männer bewerben. Interessant wird dann sein, wie eine Nomination verläuft. Man wird sich in Zukunft an einer Delegiertenversammlung aber bestimmt stärker mit dem Aspekt des Geschlechts befassen.

zentralplus: Die Zusammensetzung der Regierung bleibt wie bisher, das Parlament ist nach links gerutscht. Was bedeutet dies für die Luzerner Politik?

Dolder: Die Regierung wurde bestätigt. Grundsätzlich ist man also mit ihrer Arbeit zufrieden. Die Regierung wird in ihren Vorlagen das ökologische Lager wohl etwas stärker berücksichtigen, grundsätzliche Veränderungen sind aber nicht zu erwarten. Fast schwieriger macht es die Tatsache für die Regierung, dass FDP und CVP keine Mehrheit mehr haben. Jede Regierungsvorlage braucht also entweder Unterstützung von der SVP oder den Linken. Es besteht die Gefahr, dass eine unheilige Allianz Geschäfte zum Scheitern bringen könnte.

zentralplus: Mit dem STAF und der AFR18 sind zwei Vorlagen im Sinne der Regierung ausgefallen. Finanzpolitisch scheint der Kanton allmählich ruhigeren Gewässern entgegenzugehen. Was bedeutet das?

Dolder: Wenn das Thema Finanzen in den Hintergrund rückt, ist das für die politische Linke sicher ein Nachteil. Sie werden aber ihre Sichtweisen dennoch weiter in die Debatten einbringen. Und mit der AFR wurde eine Vorlage angenommen, welche Unsicherheiten mit sich bringt. Sollten die Gemeinden, wie vom Gegner-Komitee befürchtet, in finanzielle Schwierigkeiten geraten, könnte das auf den Kanton zurückfallen.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von David L
    David L, 26.05.2019, 14:37 Uhr

    Unanständig ist, was die bisherigen im Kanton angerichtet haben!

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