Vorwurf: Luzern will auf Kosten der Bildung sparen

«Berufs-Kannibalismus»: Musiklehrer streiten über AFR18

Der Musikschul-Unterricht im Kanton Luzern soll neu geregelt werden. 

(Bild: Emanuel Ammon/AURA)

Musiklehrer an Gymnasien verdienen mehr als jene an regionalen Musikschulen. Mit der anstehenden Aufgaben- und Finanzreform AFR18 soll das korrigiert werden – nach unten. Zwischen den beiden Berufsgruppen ist ein Kampf entbrannt. 

«Wichtige Info zur AFR18-Abstimmung vom 19. Mai 2019.» So beginnt eine Whatsapp-Nachricht, die aktuell die Runde macht. «Bitte Nein ankreuzen», lautet der Aufruf. Absender sind die Instrumentallehrpersonen der Gymnasien. 

Hintergrund ist folgender: Wer heute Instrumentalunterricht nimmt, besucht im Normalfall die Musikschule der Gemeinde. Kantischüler haben darüber hinaus die Möglichkeit, den Unterricht am Gymnasium selbst zu besuchen. Im ersten Fall sind die Instrumental- und Gesangslehrpersonen bei der Gemeindemusikschule angestellt, im zweiten Fall vom Kanton. 

Kanton scheiterte bereits einmal

Wird die AFR 18 angenommen, so wird Instrumentalunterricht künftig nur noch von den Gemeindemusikschulen angeboten. Für die Schüler an den Kantis ändert sich zwar nichts, sie können den Unterricht wie bis anhin in den Räumlichkeiten ihres Gymnasiums besuchen. Die Instrumentallehrpersonen werden jedoch – gemäss offizieller Formulierung «nach Möglichkeit» – von der Standortmusikschule des jeweiligen Gymnasiums übernommen. Sie beklagen aber: «Damit einher geht eine Verschlechterung der Anstellungsbedingungen.» Instrumentallehrpersonen an Gymnasien verdienen je nach Dienstalter bis 18 Prozent mehr als ihre Berufskollegen an den Gemeindemusikschulen. 

 «Einmal mehr will der Kanton Kosten umlagern, ohne sich der Konsequenzen voll bewusst zu sein.»

Andreas Gilomen, Klavierlehrer an der Kanti Beromünster

Andreas Gilomen, 56, erteilt seit knapp 30 Jahren an der Kantonsschule Beromünster Klavierunterricht. «Die Lohneinbussen sind das eine. Es gibt weiter keinerlei Garantie, dass wir in Zukunft überhaupt von den Gemeindemusikschulen übernommen werden. Von den rund 140 Instrumentallehrpersonen an Luzerner Kantonsschulen unterrichten nur etwa 50 Prozent bereits auch an einer oder mehreren Gemeindemusikschulen», sagt er. «Dies schafft im Kollegium grosse Verunsicherung und weckt Ängste.»

Im Gespräch mit Musikschulleitern stelle er zudem fest, dass viele wichtige Fragen noch gar nicht geklärt sind und durch den administrativen Mehraufwand auch in diesen Kreisen kritische Stimmen laut werden. Er malt ein düsteres Zukunftsbild und sagt: «Einmal mehr will der Kanton Kosten umlagern, ohne sich der Konsequenzen voll bewusst zu sein, und beim Personal Geld sparen.» Dass dies sozusagen durch die Hintertür des AFR passieren soll, stört Gilomen umso mehr.

2015 wehrten sich die Instrumental- und Gesangslehrpersonen an Luzerner Gymnasien gemeinsam erfolgreich gegen eine massive Lohnkürzung und Pensenerhöhung beim Instrumentalunterricht – der Hintergrund war damals ein Sparprogramm des Kantons. Das Kantonsgericht beurteilte den Entscheid des Kantons aber als unzulässig und beides wurde 2016 wieder rückgängiggemacht.

Aus diesem Grund sieht Gilomen bei der geplanten Auslagerung den erneuten Versuch, die oben erwähnten Kürzungen zu vollziehen, und keine pädagogischen Motive.

Missgunst unter Musiklehrern

Für ihn hat das bestehende System viele Vorteile: «Wir sind im Lehrerkollegium gut integriert und tragen durch etliche gemeinsame Schulanlässe viel zur Schulkultur bei und fühlen uns mit ‹unserer› Schule eng verbunden.» Bei einer Auslagerung würden keine Lehrer mehr explizit an einem Gymnasium unterrichten. «Dadurch fehlt eine wichtige Kontinuität im Lehrerteam. Die Identifikation mit der eigenen Schule nimmt ab. So würde diese einen Teil ihrer kulturellen Identität verlieren», befürchtet Gilomen.

«Im Endeffekt können die Instrumentallehrpersonen froh sein, die bisherigen Privilegien gehabt zu haben.»

Franz Grimm, Präsident Verband Luzerner Musikschulen

Dass seine Berufsgruppe mehr verdient, rufe bei anderen Instrumentallehrpersonen verständlicherweise Unmut hervor, weiss Gilomen. Schliesslich haben alle gleichermassen mindestens ein Masterstudium absolviert. Aber: «Auch an Gemeindemusikschulen besteht kein einheitliches Lohnniveau: Eine Instrumentallehrperson verdient nicht automatisch an jeder Musikschule den gleichen Lohn, von ausserkantonalen Vergleichen gar nicht zu sprechen.»

Privilegien sollen fallen

Die Instrumentallehrpersonen wehren sich also gegen die AFR18. Auf der anderen Seite kämpfen jedoch der Musiklehrer- und der Lehrerverband für die Vorlage. Als Sprachrohr tritt der Verband der Luzerner Musikschulen auf, weil dieser künftig im Falle einer angenommen AFR18 für alle Musiklehrer Arbeitgeber sein wird. Präsident Franz Grimm kennt den Konflikt, ab und zu ist von «Berufs-Kannibalismus» die Rede. 

«Es ist ja durchaus verständlich, dass man jetzt auf die Barrikaden geht», sagt Grimm. «Aber im Endeffekt können die Instrumentallehrpersonen froh sein, die bisherigen Privilegien gehabt zu haben.» Mit der neuen Regelung würden alle gleich behandelt. 

Der Verband der Musikschulen will diese Ungleichbehandlung seit rund zehn Jahren beheben. Grimm erklärt: «140 Lehrer an Gymnasien geniessen bessere Bedingungen, während 800 Musiklehrer die Situation einfach hinnehmen.» Komme hinzu, dass rund die Hälfte dieser 140 Personen mit einem Pensum von unter 20 Prozent angestellt sind und mittlerweile sowieso gut zwei Drittel der Kantischüler Unterricht an den Musikschulen nehmen. Dass das neue System günstiger ist, sei für den Kanton ein willkommener Nebeneffekt.

Weiterbeschäftigung wird nach Abstimmung diskutiert

Grimm versteht die Zukunftssorgen, sagt aber auch: «Die Menge an Musikschülern bleibt gleich, also bin ich überzeugt, dass für alle eine Weiterbeschäftigung gefunden werden kann.» Entscheidungen diesbezüglich sind aber noch keine gefallen. Sowohl der Kanton als auch die Musikschulen wollen die Abstimmung abwarten und danach Gespräche aufnehmen. 

Ganz einfach dürfte es trotz allem nicht werden. Schliesslich sind die Einzugsgebiete der Kantonsschulen weit grösser als jene der lokalen Musikschulen.

 

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