Das sagt die Politologin Cloé Jans zu den Wahlen

«Der Linksrutsch ist noch stärker als in Zürich»

Hat das Resultat so nicht erwartet. Politologin Cloé Jans.

 

(Bild: zvg)

Das Ausmass des links-grünen Erfolges überrascht auch die Politikwissenschaftlerin Cloé Jans. Der Zuwachs der Grünen zeigt, dass sie als eher junge linke Partei momentan besser abschneidet als die traditionsreiche SP. Deshalb ist für sie klar, wie die Linke in den zweiten Wahlgang für den Regierungsrat ziehen muss.

Der Kanton Luzern hat gewählt. Und die Resultate lassen aufhorchen. Das links-grüne Lager legte um insgesamt 14 Sitze zu. Neu besetzt die SP 19 (+3), die Grünen mit Jungpartei 15 (+8) und die GLP 8 (+3) Mandate.  Grosse Verliererinnen sind die CVP und die SVP, die vier respektive sogar sieben Sitze abgeben müssen (zentralplus berichtete).

Nachsitzen heisst es für einen Teil der Bürgerlichen aber auch im Regierungsrat. Paul Winiker (SVP) und Marcel Schwerzmann (parteilos) verpassten im ersten Wahlgang das absolute Mehr von 54’369 Stimmen. Finanzdirektor Schwerzmann liegt sogar noch hinter SP-Kandidat Jörg Meyer und der vermeintlichen Aussenseiterin der Grünen, Korintha Bärtsch (zentralplus berichtete).

Die Politologin Cloé Jans vom Forschungsinstitut gfs.Bern analysiert die überraschenden Resultate

zentralplus: Frau Jans, die grüne Welle hat nach Zürich nun auch Luzern erreicht. Wie schätzen Sie die Resultate der Kantonsratswahlen ein?

Cloé Jans: Ich bin  durchaus überrascht. Insgesamt sind die Gewinne der Linken noch deutlicher als in Zürich. Die Auswirkungen der Klimadebatte werden aktuell anscheinend immer sichtbarer in der Politik. Dies konnte zu Beginn der Öko-Diskussion nicht unbedingt erwartet werden und rückt jetzt natürlich die nationalen Wahlen vom Herbst immer mehr in dieses Licht.

zentralplus: Vor einer Woche haben sie gegenüber zentralplus gesagt, dass es die Linken in Luzern schwerer haben als anderswo. Denn die traditionellen Parteien sind hier stärker verankert. Offenbar doch weniger als man meinte?

Jans: Die CVP bleibt auch nach dieser Wahl klar die stärkste Kraft im Kanton und verfügt zusammen mit der FDP und SVP weiterhin über eine komfortable Mehrheit im Kanton. Die SP bleibt dagegen im Vergleich zur nationalen Parteienstärke untervertreten. Im Vergleich zu Zürich oder Baselland etwa, wo letzte Woche und heute gewählt wurde, bleiben die Linken in Luzern eher schwach.

zentralplus: Spannend ist ja auch, dass die Grünen die SP heute in den Schatten stellen.

Jans: In der Tat. Die SP ist eine klassische Volkspartei, die über Konfliktlinien gross wurde, die heute nicht mehr so brennen, wie sie das noch vor 50 Jahren getan haben. Die Debatte rund um Umweltfragen ist dagegen der effektive Entstehungsgrund der Grünen Partei. Sowohl die Grünen als auch die GLP haben im Vergleich zu den traditionellen Parteien eher den Charakter einer sozialen Bewegung. Viele Wählerinnen und Wähler können sich damit heute eher identifizieren als mit einer Volkspartei.

zentralplus: Das erklärt die Stärke der Grünen. Weshalb haben aber die Bürgerlichen verloren?

Jans: Die Politik funktioniert immer zyklisch und orientiert sich an den Themen die in der Wahrnehmung der Bevölkerung und der Medien dringlich sind. Das Pendel schlägt irgendwann wieder zurück. Das hat sich auf nationaler Ebene genauso gezeigt wie jetzt in Luzern. Vor acht Jahren konnten die Grünen schweizweit zulegen, während vor vier Jahren die FDP und die SVP im Nationalrat die Mehrheit erobern konnten. In Luzern flog die Linke bei den letzten Wahlen aus der Regierung und nun könnte es wieder leicht in die andere Richtung gehen.

zentralplus: Haben die Grünen und Linken einfach besser mobilisiert?

Jans: Sicher kommt die momentane Themenlage vor allem den Grünen entgegen, während bei den Bürgerlichen eine gewisse Ermüdungserscheinung eingetreten ist. Das bedeutet aber nicht, dass sie sich zu stark zurückgelehnt haben, sondern dass die Themen aktuell weniger ziehen. Es könnte für die Linken folglich einfacher gewesen sein, ihre Wählerbasis abzuholen als für die anderen Parteien. Das gilt zum Beispiel für die SVP, die nicht wie auch schon mit dem Thema Migration punkten konnte.

zentralplus: Wenn ich Sie richtig verstehe, dann hat die Linke keine Stimmen von anderen Parteien geholt, sondern einfach die eigene Basis erreicht.

Jans: Die Wahlforschung zeigt, dass Wählerinnen kaum zwischen den Parteien wechseln. Sie haben eine klare Vorstellung davon, was ihnen eine Partei bietet und in welchen Bereichen sie stark ist. Wechsel zwischen den Parteien dürften also in der Tat nicht gross ins Gewicht gefallen sein, viel wichtiger ist die Mobilisierung.

zentralplus: Spannend wird es ja auch im zweiten Wahlgang für den Regierungsrat. Was würden sie den Linken aufgrund der unerwarteten Ausgangslage empfehlen?

Jans: Wenn die linken Wähler geschlossen stimmen, macht es mathematisch keinen Unterschied ob Meyer und Bärtsch beide antreten. Es besteht aber ein gewisses Risiko, wenn es zwei Kandidaturen gibt, dass sich die Stimmen aus der Mitte verzetteln. Die Linke kann ein starkes Signal senden, wenn sie geschlossen mit einer Kandidatur antritt, denn beide werden mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht gewählt. Wenn ich die SP wäre, würde ich mir überlegen, meine Kandidatur zurückziehen.

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