Hohe Hürden für Eltern in Luzerner Politik

Was Politiker mit kleinen Kindern von einer Kantonsrats-Kita halten

Wenn mehr Eltern mit kleinen Kindern im Parlament sitzen würden, könnte vor dem Finanzdepartement ein Kinderwagen-Parkplatz entstehen.

(Bild: Montage les)

Der Vorschlag für eine Kita während Luzerner Sessionen stösst auf offene Ohren. zentralplus hat mit Kantonsrats-Kandidatinnen mit kleinen Kindern gesprochen. Sie stehen der Idee offen gegenüber, haben aber auch Vorbehalte.

In rund vier Wochen ist es so weit. Ramona Thalmann-Hüsler erwartet ihr erstes Kind. Nichtsdestotrotz kandidiert die 31-Jährige auf der Liste der JCVP im Wahlkreis Sursee für den Kantonsrat. Bei einer allfälligen Wahl muss sie Familie, Beruf und Politik unter einen Hut bringen.

Die Rahmenbedingungen für junge Mütter in Luzern seien nicht gut. Diese Feststellung machten die beiden abtretenden Kantonsräte Giorgio Pardini (SP) und Herbert Widmer (FDP) im zentralplus-Doppelinterview. An ihrem letzten Tag reichten sie einen Vorstoss ein, der die Möglichkeit einer Kita während der Kantonsratssessionen prüfen soll. So könnten die Hürden für junge Eltern, Parlamentsarbeit zu verrichten, gesenkt werden (zentralplus berichtete).

Thalmann-Hüsler braucht Organisationstalent

Ramona Thalmann-Hüsler findet den Vorstoss interessant. «Wir müssen etwas machen, damit Politik familienverträglicher wird.» Ob sie selber das Angebot nützen würde, weiss sie noch nicht. «Ich habe mit meiner Tagesmutter abgeklärt, ob sie während Sessionen zum Kind schauen würde.» Dies wäre potentiell möglich. «Aber es braucht viel Organisation.»

Ramona Thalmann-Hüsler (links) mit deutlich sichtbarem Babybauch an einer Wahlveranstaltung in Beromünster.

Ramona Thalmann-Hüsler (links) mit deutlich sichtbarem Babybauch an einer Wahlveranstaltung in Beromünster.

(Bild: zvg)

Thalmann-Hüsler wird auch nach der Geburt ihres Kindes als Archivarin weiterarbeiten. Sie sagt, als Akademikerin könnte sie sich die Tagesmutter auch während der Sessionen leisten. «Ich bin privilegiert. Aber es gibt einkommensschwache Schichten, die ein politisches Engagement finanziell schlicht nicht stemmen können.» Dass diese faktisch von der Parlamentsarbeit ausgeschlossen würden, stört Thalmann-Hüsler. Eine Kantonsrats-Kita könnte hier Abhilfe schaffen.

«Irgendwie geht’s immer – es muss ja.»

Maria Pilotto, SP-Kandidatin

Die JCVP-Politikerin hätte bei einer Wahl noch ein anderes Problem. Während des Schwangerschaftsurlaubs dürfte sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, also auch nicht dem Politisieren im Parlament. «Ich müsste mit dem Rechtsdienst abklären, wie das genau funktioniert.» Eine Option wäre möglicherweise, einfach auf die Sitzungsgelder zu verzichten.

Kürzlich sorgte ein Fall in Basel-Stadt für Schlagzeilen. Eine junge Mutter nahm ihr zwei Monate altes Baby mit in den Parlamentssaal und wurde schliesslich hinausgeworfen. «Die demokratischen Rechte junger Mütter werden so klar beschnitten», kommentiert Thalmann. 

«Irgendwie geht’s immer»

SP-Kantonsratskandidatin Maria Pilotto (33) freut sich über die Idee einer Kita. Sie ist Mutter eines zweijährigen Sohnes. «Es wäre eine Anerkennung der Realität», sagt sie. Pilotto arbeitet 60 Prozent, ihr Sohn besucht zwei Tage die Woche eine Kita. «Wäre ich Montag und Dienstag an einer Session, müsste ich mich arrangieren. Dank meiner Familie könnte ich das schon stemmen.»

Ramona Gut (links) und Maria Pilotto kandidieren für den Luzerner Kantonsrat.

Ramona Gut (links) und Maria Pilotto kandidieren für den Luzerner Kantonsrat.

(Bild: zvg)

Genau das sei das grosse Thema bei der Care-Arbeit, führt Pilotto aus. «Irgendwie geht’s immer – es muss ja.» Eine Kita im Kantonsrat könnte aber sicher einen Teil zur Lösung beitragen, ist Pilotto überzeugt. Die Hürde zur politischen Mitarbeit würde gesenkt.

Besser im gewohnten Umfeld?

Keinen persönlichen Bedarf an einer Kita hätte FDP-Kandidatin Ramona Gut aus Emmen. Ihre beiden Kinder sind vier Jahre respektive sechs Monate alt. Dass das Angebot auf offene Ohren stossen könnte, sieht sie aber durchaus.

«Wer sich politisch engagieren will, kann sich auch organisieren.»

Ramona Gut, FDP-Kandidiatin

Gut arbeitet in einem 60-Prozent-Pensum, die Kinder verbringen drei Tage die Woche in der Kita. Sie hat abgeklärt, dass sie die Kinder auch an zusätzlichen Tage in die Kita bringen könnte, würde sie in den Kantonsrat gewählt. «Ich sehe hier keine unüberwindbaren Hürden für Eltern mit kleinen Kindern», sagt sie. «Wer sich politisch engagieren will, kann sich auch organisieren», so die 36-Jährige.  

Gut bringt einen weiteren Aspekt ein. «Wenn man die Kinder nur während der Session in diese Kita bringen würde, würde es ihnen schwerfallen, eine Beziehung zur Betreuungsperson aufzubauen.» Aus pädagogischer Sicht sei es deshalb wohl sinnvoller, wenn die Kinder während der politischen Arbeit ihrer Eltern in ihrem gewohnten Umfeld betreut werden. 

SVP setzt auf Verursacherprinzip

zentralplus hat auch eine SVP-Kandidatin mit einem kleinen Kind befragt. Sie erklärte ebenfalls, dass Politik nicht familienfreundlich sei – eine Kita könnte ein Lösungsansatz sein. Sie betonte aber, dass die Kita unbedingt privat finanziert sein müsste. Später zog sie ihre Aussagen allerdings ohne Angabe von Gründen zurück und wollte im Artikel nicht namentlich erwähnt werden.

Grüne wollen Rahmenbedingungen ändern

Und was sagen eigentlich Väter mit Kindern im Vorschulalter? Kantonsratskandidat Maurus Frey (Grüne) findet es schön, dass man sich Gedanken macht, wie die Politik familienverträglicher werden könnte. «Die Tage vor den Wahlen sind eine grosse Beanspruchung», sagt der 37-jährige Vater zweier Kinder (4 und 6), der als Parteipräsident der Grünen aktiv ist.

Grünen-Präsident Maurus Frey in der Mitte von Kindern an der Nominationsversammlung in Luzern.

Grünen-Präsident Maurus Frey in der Mitte von Kindern an der Nominationsversammlung in Luzern.

(Bild: zvg)

Die Kita könne helfen, sei jedoch kaum die ideale Lösung. «Kinderbetreuung ist etwas sehr Individuelles. Ich denke, Familienlösungen oder ein zusätzlicher Tag in der angestammten Kita wären logistisch einfacher.» Für Frey müsste die Auseinandersetzung mit dem Thema viel grundsätzlicher stattfinden. «Wir müssen Rahmenbedingungen schaffen, damit die politische Tätigkeit keine Nachteile mit sich bringt, unabhängig von Einkommen oder Geschlecht.» 

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