Wirbel um Spitex-Chef

Flugblatt macht Stimmung gegen Luzerner Kantonsrat: «Wählt ihn nicht!»

Dem grünen Kantonsrat Hannes Koch weht momentan ein eisiger Wind entgegen.

(Bild: zvg)

Seit 18 Jahren betreut eine Krienser Familie ihren schwerkranken Angehörigen zu Hause. Seit kurzem ohne Hilfe der Spitex. Dies sorgt für grossen Unmut und heizt nun den Wahlkampf an. Denn der CEO der Krienser Spitex sitzt für die Grünen im Kantonsrat. Ein Flugblatt macht Stimmung gegen ihn.

«Wählen Sie Hannes Koch nicht in den Kantonsrat!» Ein Flugblatt, das derzeit in Kriens kursiert, hat es in sich. Und richtet happige Vorwürfe an den CEO der Spitex Kriens, der seit rund einem Jahr im Kantonsrat sitzt. Es geht um angebliches Mobbing und eine missbräuchliche Kündigung von Pflegeleistungen.

Was steckt dahinter? Barbara Schoch Morf pflegt seit 18 Jahren mit Unterstützung ihren schwerbehinderten bettlägerigen Bruder. Sie ist gemeinsam mit ihrem Mann, dem Hausarzt, dem Therapeuten und dem Osteopathen des Patienten Unterzeichnerin des Flugblatts.

Kesb überprüfte den Fall 

Im November seien die Pflegeleistungen von der Spitex ohne Angaben von Gründen gekündigt worden. Die Angehörigen akzeptierten dies nicht und wandten sich an die Behörden. Danach habe die Gemeinde einen Antrag an die Kinder- und Erwachsenenschutzbehörde (Kesb) betreffend Überprüfung einer Beistandschaft für den Patienten angeordnet. Die Kesb hat laut Flugblatt die Notwendigkeit einer Beistandschaft verneint, eine «tadellose Pflegequalität des Patienten» festgestellt und dem Sozialvorsteher empfohlen, die Pflegeleistungen weiterzuführen. Trotzdem wurde an der Kündigung festgehalten.

Die «Luzerner Zeitung» machte den Fall publik und zitiert Hausarzt Peter Mattmann mit den Worten: «Die Gefährdungsmeldung ohne Konsultation des Hausarztes auszusprechen, betrachte ich als fahrlässig.» Im weiteren wirft er Spitex-CEO Hannes Koch «Inkompetenz» vor.

Ein Flugblatt macht Stimmung gegen Hannes Koch.

Ein Flugblatt macht Stimmung gegen Hannes Koch.

(Bild: les)

Das Flugblatt, welches offenbar 48’000 Mal verschickt wurde, enthält weitere happige Anschuldigungen und zielt voll auf den Mann: «Spitex-CEO Koch hat sich nicht nur so ziemlich alle möglichen Fehler bezüglich Vorgehen, Kommunikation, konstruktiver Konfliktlösung, Teamführung, Anstand, Umgehen mit pflegenden Angehörigen und dem Hausarzt, fachlich-medizinischer Kompetenz, Empathie und Menschlichkeit geleistet. Er hat auch die kantonale Gesetzgebung missachtet.» Gemeint ist mit letzterem die Verpflichtung der Gemeinden, Pflegeleistungen nach den Prinzipien «ambulant vor stationär» und «optimale Unterstützung zu Hause pflegender Angehöriger» zu garantieren.

Spitex-CEO bietet Gespräch an

Der beschuldigte Hannes Koch sagt gegenüber zentralplus: «Wir hätten die Pflege unseres Klienten nach Möglichkeit weiterhin unterstützen wollen. Leider waren wichtige Voraussetzungen für die tägliche Pflege nicht mehr ausreichend gegeben, weshalb wir uns Ende 2018 gezwungen sahen, die langjährige Leistungserbringung zu beenden.»

Genaueres erfährt man nicht: «Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes öffentlich nicht näher auf die konkreten Umstände dieses Falls eingehen kann», erklärt Koch.

«Der Stadtrat wird trotzdem seine Bemühungen weiterführen, eine gemeinsame, von beiden Parteien getragene Lösung zu finden.»

Lothar Sidler, Krienser Sozialvorsteher

Der Kantonsrat zeigt sich an einer Lösung mit der Familie interessiert: «Die Angehörigen des Klienten haben seit Mitte Januar Kenntnis, dass die Spitex Kriens bereit ist, mit ihnen einen neuen Pflegeauftrag zu verhandeln.» Koch erklärt, die Spitex habe «ihre anhaltende Gesprächsbereitschaft immer wieder bekundet und sich weiter nach Kräften um mögliche Lösungen bemüht.»

Die Gefährdungsmeldung liege darüber hinaus nicht in der Verantwortung der Spitex. zentralplus hat nicht nur Hannes Koch mit den Vorwürfen konfrontiert, sondern auch SP-Kantonsrätin Helene Meyer-Jenni, die Präsidentin der Spitex Kriens. Offenbar hat man sich bei der Spitex abgesprochen, denn die Fragen wurden 1:1 im gleichen Wortlaut beantwortet. 

Gemeinderat will vermitteln

Zurück zur Gefährdungsmeldung. Diese liegt in der Verantwortung der Stadt Kriens. Sozialvorsteher Lothar Sidler erklärt: «Der Stadtrat wurde von beiden Parteien zur Vermittlung aufgerufen.» Sidler analysierte die Lage und teilte den Parteien mit, dass er die Kesb einschalte. Diese sollte abklären, ob für den Patienten eine Beistandschaft zu errichten sei, damit seine Interessen im Rahmen der Gespräche gewahrt werden könnten.

Sidler sagt über das Flugblatt: «Der Stadtrat Kriens bedauert dieses Vorgehen und die haltlosen Vorwürfe sehr.» Ebenso bedauere er, dass diese Angelegenheit von den Initianten zu einem Wahlkampfthema gemacht werde. Auch Sidler (CVP) zeigt sich lösungsorientiert: «Der Stadtrat wird trotzdem seine Bemühungen weiterführen, eine gemeinsame, von beiden Parteien getragene Lösung zu finden.»

Schwester hält an Kritik fest

Für Barbara Schoch Morf ist der Fall indes klar. «Die Kündigung ist unrechtmässig, die Begründungen sind haltlos und wurden allesamt durch den Hausarzt widerlegt. Die Kesb bestätigt, dass die Spitex Kriens umgehend die Pflege wieder aufnehmen soll.» Die Familie hat die Kündigung zurückgewiesen. Sie bestätigt das Gesprächsangebot der Spitex, dieses beschränke sich bisher jedoch nur auf die Suche nach einer privaten Spitex.

Die Spitex wolle zwar einen neuen Pflegevertrag anbieten, diesen könne sie aber nicht akzeptieren. Schoch geht weiter von einer ungekündigten, missbräuchlichen Kündigung aus. Die neuen Vertragsbedingungen der Spitex Kriens würden Klauseln für eine fristlose Kündigung enthalten. «Es gibt keinen Grund, weshalb es überhaupt einen neuen Vertrag braucht», sagt Schoch, die sich im Stich gelassen fühlt.

Schoch hat kleines Spital eingerichtet

Sie erwartet eine Entschuldigung, weil sie im Spitex-Vorstand und bei der Gemeinde angeschwärzt worden sei und Herr Koch eine  ungerechtfertigte Gefährdungsmeldung im Spitex-Vorstand ins Rollen brachte. Laut Schoch liegen Akten vor, die belegen, dass Koch dies initiiert hat. Mit Stadtrat Sidler habe sie vor der Kesb-Meldung schliesslich noch nie etwas zu tun gehabt, deshalb könne Herr Sidler gar nicht der Initiant gewesen sein.

Sowieso empfindet es Schoch als besonders stossend, dass weder Koch noch Meyer-Jenni oder Sidler noch jemand vom Vorstand je bei einer Pflege dabei waren und somit die Situation nicht kennen und bis heute so tun würden, als wären sie im Recht.

«Früher kam die Spitex jeweils morgens und nachmittags vorbei.» Das habe sie sehr geschätzt und ihre Aktion richte sich keinesfalls gegen das Pflegepersonal. Nun pflegt sie ihren Bruder in ihrem «kleinen Spital» alleine, macht Wundspülungen oder stellt die Ernährung über eine Magensonde sicher usw. «Hätte ich Hilfe der Spitex Kriens, könnte mein Bruder wieder in den Rollstuhl sitzen und das Bett verlassen.» 

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