Eigentümer möchten seit acht Jahren neu bauen

Zuger Regierung gibt 400-jähriges geschütztes Haus zum Abriss frei

Fassade des denkmalgeschützten Hauses Letzi 1 in Zug.

(Bild: mam)

Ein uraltes Bauernhaus in der Stadt Zug dient den Gegnern des neuen Zuger Denkmalschutzgesetzes als Beispiel für Heimatverlust. Denn der Zuger Regierungsrat hat es aus dem Denkmalschutz entlassen, nun droht die Abrissbirne. «Eine Renovation würde uns in den Ruin treiben», sagt die Besitzerin.

Endgültig ist das Schicksal des Bauernhauses Letzi 1 noch nicht besiegelt. Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug muss entscheiden, ob die Entlassung aus dem Denkmalschutz rechtens ist. Der Zuger Heimatschutz und der Archäologische Verein Zug haben gegen einen entsprechenden Entscheid der Zuger Regierung vom 17. Januar Beschwerde eingelegt.

Das Haus wurde in seinem Kern 1604 oder kurz danach errichtet, wie Holzuntersuchungen belegen. Bereits 1987 wurde es von der Stadt Zug als Kulturobjekt registriert. 1991 kam es ins Inventar für schützenswerte Denkmäler. Seit 2015 steht es unter Denkmalschutz. Es habe einen sehr hohen wissenschaftlichen und heimatkundlichen Wert, hiess es damals.

An Flaniermeile gelegen

Offizielle Stellungnahmen von Stadt und Kanton Zug sind wegen des vor Verwaltungsgericht hängigen Verfahrens keine erhältlich. Nach Recherchen von zentralplus ist die Kantonsregierung aber der Ansicht, dass der heimatkundliche Wert des Hauses nicht so hoch ist wie einst gedacht, weil in der Gegend noch einige andere alte Bauernhäuser stehen. Ausserdem liege es am Rand der Stadt und sei nicht einsehbar – von der Ausfallachse Chamerstrasse aus gesehen.

Das Haus Letzi 1 in Zug wurde im Kern 1604 oder kurz danach errichtet.

Das Haus Letzi 1 in Zug.

(Bild: mam)

Alex Briner, Präsident des Zuger Heimatschutzes, hält dieses Argument für nicht stichhaltig. Das Haus sei sehr gut einsehbar, am Strässchen der Lorze entlang flanierten viele Spaziergänger zum See, Velofahrer kämen vorbei, Jogger bewunderten das Gebäude, sagt er.

Für den Heimatschutz sind drei alte Bauernhäuser wichtig, die emblematisch den Übergang vom Stadtgebiet in die Landschaft ankündigen, wie Briner erklärt. Das Haus Letzi 1, das Nachbarhaus Letzi 3, das als Itens Letzihof bekannt ist, sowie das Restaurant Freimann.  

Wirtschaftlich nicht zumutbar

Doch ausschlaggebend für die Entlassung aus dem Denkmalschutz waren ohnehin die Finanzen. Die Regierung hält die Renovationskosten fürs alte Gemäuer für unverhältnismässig hoch.

«Wir müssten es ja komplett aushöhlen», sagt Roswitha Elsener, die das Haus besitzt und seit über 50 Jahren darin wohnt. Eigentlich möchte sie seit acht Jahren einen Ersatzbau realisieren – ein Dreifamilienhaus «mit viel Holz». «Etwas, was in die Umgebung passt», wie sie sagt. Etwas mit zeitgemässem Komfort. Aber Elsener kann nicht, weil das Haus als schützenswert gilt.

Das Wasser drückt durch die Mauern

«Nach jedem langen Regen steht Wasser im Keller», sagt sie. Weil die Feuchtigkeit durch die alte Sandsteinmauer drücke. Die Wände seien nicht isoliert, an kalten Tagen reiche die Heizung nicht aus.

Ein Teil der Geschosse sei zu niedrig, entspräche nicht den Brandschutzvorschriften und ihre Enkelin stosse sich dauernd den Kopf an, klagt sie. Ausserdem neige sich der Bau langsam zur Lorze hin. Tatsächlich entdecken wir bei einem Augenschein vor Ort Risse im gemauerten Ofen und Schubladen, die nicht mehr zugehen, weil sich der Korpus unter Druck verzogen hat.

Investitionen in den Unterhalt

Roswitha Elsener ist Witwe und bald 80 Jahre alt. Das Haus sei absolut nicht altersgerecht, sagt sie. Sie habe früher Leute darin gepflegt. Nun bekommt sie die Nachteile des verwinkelten Baus am eigenen Leib zu spüren.

«Was denken Sie, was wir in den letzten 50 Jahren hier alles gemacht haben?»

Roswitha Elsener, Hausbesitzerin

Alex Briner vom Heimatschutz bestreitet die baulichen Mängel nicht. Aber diese seien entstanden, weil zu wenig in den Unterhalt investiert worden sei. Es könne nicht sein, dass man ein Objekt aus dem Denkmalschutz entlasse, nur weil die Eigentümer es verlottern liessen.

Bausubstanz gilt als gut

Mit diesem Argument konfrontiert, fällt Roswitha Elsener fast in Ohnmacht. «Was denken Sie, was wir in den letzten 50 Jahren hier alles gemacht haben?» Die Bäder habe man ersetzt, das Elektrische, die Fassade neu gerichtet, die Böden erneuert. «Wir haben gestrichen, verputzt und ausgebessert, wo wir konnten», sagt sie. Erst in den letzten Jahren, seit man das Neubauprojekt verfolge, habe man die Bemühungen zurückgefahren.

Tatsächlich wirkt das alte Haus, als ob seine Bewohner es so gut wie möglich in Schuss hielten. Und 2012, als der Stadtrat von Zug einer Unterschutzstellung befürwortete, war ein Argument für den Denkmalschutz die Tatsache, dass die Bausubstanz eigentlich noch gut ist. 

«Nur wir dürfen nicht»

Elsener und die Familien ihrer beiden Kinder verstehen grundsätzlich nicht, warum sich Nachbarn in den Bauernhäusern der Umgebung einer Unterschutzstellung widersetzen konnten und nun umbauen dürfen. «Nur wir dürfen das nicht», sagt sie.

Indes: Die Nachbarhäuser sind zwar nicht geschützt, gelten aber als schützenswert und können so leichter umgebaut, aber nicht ohne weiteres abgerissen werden.

30 Prozent übernimmt die öffentliche Hand

Doch Roswitha Elsener möchte wie gesagt neu bauen. «Das kommt viel günstiger.» Der Kostenunterschied sei gross. Eine Renovation würde sie am Ende noch in den Ruin treiben.

«Viele Leute würden sich geradezu die Finger danach abschlecken, um dort einziehen zu dürfen.»

Alex Briner, Zuger Heimatschutz

Alex Briner hält dagegen. Auch der Bau eines neuen Mehrfamilienhauses würde eine stattliche Summe verschlingen und ausserdem finanziere die öffentliche Hand ja 30 Prozent der Renovationskosten für die denkmalgeschützten Teile.

Weiter bemängelt er die Berechnung der Tragbarkeitskosten, welche der Regierung vorgelegt wurde. Die würden auf einem zu hohen Zinsniveau beruhen. Zu guter Letzt weist er darauf hin, dass ein früherer Gutachter eine Instandstellung für zumutbar hielt.

Lage im Grünen neben dem Fluss

Sicher, es sei aufwändig, historische Bausubstanz zu sanieren, meint Briner. Aber an dieser Lage und in einer Stadt mit zahlreichen wohlhabenden Leuten wie Zug könne man ein solches Haus und seine Wohnungen auch zu einem sehr guten Preis vermieten. «Viele Leute würden sich geradezu die Finger danach abschlecken, um dort einziehen zu dürfen», sagt Briner.

Klar ist jetzt schon: Der Zuger Heimatschutz, der Archäologische Verein Zug, das Bauforum Zug und der Historische Verein des Kantons Zug werden dieses Haus zum Aushängeschild ihrer Kampagne gegen das neue Zuger Denkmalschutzgesetz machen.

Zumindest haben sie ein Foto davon auf die Unterschriftenbogen drucken lassen, mit denen sie fürs Referendum sammeln. Ab Samstag gehen sie damit auf die Strasse.

Konflikt der Interessen

Albert Elsener, der für seine Mutter die rechtlichen Schritte koordiniert, ist «schockiert», dass das Bauernhaus nun Teil einer Abstimmungskampagne wird. Denn für die Elseners steht die Frage nach der Verfügbarkeit von Eigentum im Vordergrund und, dass Private für die Kostenfolgen des Denkmalschutzes grösstenteils selber aufkommen müssen.

Ganz anders sehen es die Fachvereine: Ihnen geht es um das baukulturelle Erbe. Es stelle touristisches Kapital dar, besitze einen hohen wissenschaftlichen Wert, erzähle Geschichten, wecke Erinnerungen, stifte Heimat und Identität «und spielt eine wichtige Rolle, damit wir uns in unserem Kanton weiterhin wohl und zu Hause fühlen», so lautet ihre Begründung, warum der Denkmalschutz nicht aufgeweicht werden soll.

Für die Zuger Regierung nicht mehr schützenswert: Dreifachhaus in Baar.

Für die Zuger Regierung nicht mehr schützenswert: Dreifachhaus in Baar.

(Bild: zvg)

Baarer Zeitzeuge von 1676

Der Zuger Regierungsrat hat den Heimatschützern zusätzliche Munition geliefert, indem er Mitte Januar nicht nur den Denkmalschutz für das Haus Letzi 1 in Zug aufhob, sondern auch noch entschied, eine Häusergruppe an der Leihgasse/Rigistrasse in Baar aus dem Inventar der schützenswerten Denkmäler zu streichen.

Der dortige Kernbau geht aufs Jahr 1676 zurück und die Eidgenössische Denkmalkommission empfahl eigentlich mit Nachdruck die Unterschutzstellung des Dreifachhauses.

Regierung korrigiert alle

«Die Zuger Regierung in ihrer neuen Zusammensetzung ist nicht denkmalschutzfreundlich», sagt Alex Briner vom Zuger Heimatschutz. Und deswegen, so seine Argumentation, brauche es umso dringender ein wirksames Gesetz.

In der Tat hat die Regierung eine Korrektur der Ansichten von Stadt Zug, der Denkmalschutzkommission und dem Amt für Denkmalpflege durchgesetzt, die alle für die Unterschutzstellung des Bauernhauses Letzi 1 in Zug waren oder sind. Dies geht aus einem Entscheid des Zuger Stadtrates des Jahres 2012 hervor, der als einziges Dokument derzeit einsehbar ist.

Wind hat gedreht

Die Denkmalpflege, die 2012 bis 2015 noch der grünalternativen Regierungsrätin Manuela Weichelt unterstand, hat mittlerweile einen neuen Chef erhalten: FDP-Magistrat Andreas Hostettler, der früher im Baunebengewerbe tätig war. Die Denkmalschutzkommission soll mit dem neuen Gesetz abgeschafft werden. Nur die Stadt Zug bleibt als Befürworterin des Denkmalschutzes fürs Haus Letzi 1 weiter erhalten – und natürlich die Fachvereine, welche auf den Fall aufmerksam machen.

Hier gibts mehr Bilder vom Haus Letzi 1 in Zug:

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