Der untere Mittelstand wird zu wenig entlastet

Prämienverbilligung: Muss auch der Kanton Zug nachbessern?

Der Kanton gibt für die Prämienverbilligung immer weniger Geld aus. Darunter leiden die Bezüger.

(Bild: fotolia.com)

Paradox: Obwohl der Kanton Zug jüngst beschlossen hat, 2 Millionen Franken mehr für die Prämienverbilligung auszuschütten als bisher, und sein Geld sehr wirksam einsetzt, könnte er unter den Vorgaben des Bundesgerichts liegen. Der untere Mittelstand komme zu kurz, so der Vorwurf.

«In keinem anderen Kanton ist die Prämienverbilligung so wirksam wie in Zug», gab die Zuger Gesundheitsdirektion vor einer Woche stolz bekannt. Eine Studie des Bundesamts für Gesundheit zeige, «dass die verbleibende Prämienbelastung nirgends tiefer ist als in Zug», wie der zuständige Regierungsrat Martin Pfister (CVP) bekräftigt.

Im nationalen Mittel bleiben den Haushalten nach der Prämienverbilligung 14 Prozent der Prämien zu bezahlen, im Kanton Zug nur 7 Prozent. «Das ist ein überzeugendes Beispiel, wie Zug als wirtschaftlich starker Kanton zu seiner sozialen Verantwortung steht», meint Pfister.

Zu 28 Prozent ungenügend

Nur zeigt die erwähnte Studie auch – es handelt sich um eine Untersuchung der Wirksamkeit der Prämienverbilligung im Jahre 2017 – dass es im Kanton Zug sehr wohl Schwachpunkte gibt. Jedenfalls finden dies vier Kantonsräte der Fraktion der Alternative die Grünen Zug, die dazu kürzlich eine Interpellation eingereicht haben.

Denn die Modellrechnungen des Bundesamts für Gesundheit zeigen, dass die Entlastung den Zuger Mittelstand nicht immer erreicht, wie das Bundesgericht fordert. Und zwar in zwei von sieben als Kategorien untersuchten Modellhaushalten. 

Familien mit vier Kindern benachteiligt

Die betroffenen Kategorien: Einerseits Familien mit vier Kindern. Aber auch Familien mit einem Kind und einer jungen Erwachsenen in Ausbildung. In diesen beiden Fällen liegt die Einkommensobergrenze, die zum Bezug von Prämienverbilligungen berechtigt, je etwa 20’000 Franken unter dem, was das Bundesamt als Grenze zum mittleren Einkommen betrachtet. In einem dritten Modellfall, «Familie mit zwei Kindern», erreicht die Zuger Einkommensgrenze die untere Mittelstandsgrenze nur knapp.

«Im Zentrum steht bei uns die Entlastung von Haushalten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen.»

Martin Pfister (CVP), Zuger Gesundheitsdirektor

Bei der Zuger Prämienverbilligung gibts also trotz guter Noten in der Studie auch gravierende Mängel. Ein Widerspruch? Nicht unbedingt, findet Vroni Straub, christlich-soziale Kantonsrätin und Präsidentin der CSP Kanton Zug. «Im Durchschnitt wirkt die Prämienverbilligung gut.» Dass insbesondere wirtschaftlich schwache Haushalte gut entlastet werden, «ist wichtig und wird auch geschätzt».

Möglichst viel vom Kuchen

Nur gäbe es eben beim unteren Mittelstand Handlungsbedarf. «Wir möchten von der Regierung wissen, ob sie darauf ihr Augenmerk richten möchte», so Straub.

«Bei Einkommen über 100’000 Franken gehört Zug effektiv nicht zu den grosszügigsten Kantonen», sagt Gesundheitsdirektor Martin Pfister. Das sei auch nicht das Ziel der Zuger Politik. «Im Zentrum steht bei uns die Entlastung von Haushalten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen.» Würde bei unverändertem Budget ein grösserer Teil der Gelder an den Mittelstand ausgeschüttet, bleibe weniger für die sozial Schwachen übrig.

Frage nach Wirksamkeit im Vordergrund

Bis zu welchen Einkommensgrenzen eine Prämienverbilligung ausgerichtet werden soll, sei derzeit Gegenstand politischer und rechtlicher Diskussionen, sagt Pfister. Damit nimmt er auf den Entscheid des Bundesgerichts Bezug, der eine Beschwerde der Luzerner SP guthiess, weil der Kanton Luzern eben diese Einkommensschwelle bis auf 54’000 Franken heruntersetzen wollte (zentralplus berichtete). Das Bundesgericht erinnerte in seinem Entscheid daran, dass Prämienverbilligungen nicht nur unteren, sondern auch mittleren Einkommen zugute kommen sollen. 

Für Pfister freilich ist es weniger entscheidend, ob ein Haushalt mit einem Einkommen von 120’000 Franken noch 100 oder 200 Franken Prämienverbilligung erhalte oder nicht. «Sondern ob die sozialpolitischen Zielgruppen wirksam entlastet werden», so Pfister. Also die Frage, wie viel Prämienbelastung für eine Familie mit einem Einkommen von 70’000 bis 90’000 Franken bleibt.

«Scheint mir sozialpolitisch heikel»

Man werde genau untersuchen, was das Bundesgerichtsurteil, das am Donnerstag veröffentlicht wurde, für den Kanton Zug bedeutet, sagt Pfister. Es dürfe aber nicht sein, dass man mehr Gelder für den Mittelstand aufwenden müsse und dann weniger für Bedürftige zur Verfügung habe, «Das wäre sozialpolitisch heikel», sagt Pfister.

Doch darauf zielen die Interpellanten auch gar nicht ab. «Wir möchten nicht, dass weniger Geld für die wirtschaftlich Schwachen übrigbleibt», sagt Andreas Hürlimann, grün-alternativer Kantonsrat aus Steinhausen. «Die Ausschüttung von Geldern sollte insgesamt erhöht werden», findet Hürlimann, «damit der untere Mittelstand nicht – wie sonst so oft – durch die Maschen fällt.»

Zurückhaltend mit Ausgaben

In der Tat ist der Anteil der kantonalen Gelder, welcher Zug für die Prämienverbilligung aufwendet, tief. 31 Prozent der gesamten Summe kommen aus der Schatulle des wohlhabenden Kantons. Basel-Stadt steuert mit 67 Prozent den Schweizer Maximalwert bei, im nationalen Durchschnitt bezahlt ein Kanton 42 Prozent an die gesamten ausgeschütteten Prämienverbilligungen, der Rest kommt vom Bund.

Allerdings hat der Kanton Zug hier einen Schritt gemacht und stellt für das laufende Jahr 58,9 Millionen Franken für die Prämienverbilligung zur Verfügung – rund 2 Millionen mehr als im Vorjahr.

Unselige Liste

Die Interpellanten nehmen auch die berüchtigte schwarze Liste der säumigen Prämienzahler ins Visier. Diese führe zu einer Benachteiligung von sozial Schwachen und gehöre abgeschafft – was bekanntlich auch die Zuger Gemeinden fordern (zentralplus berichtete). Martin Pfister hält dagegen: «Sie ist in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung.» Wer wirtschaftlich schlecht gestellt sei, komme zu seiner Prämienverbilligung, darauf gebe es einen Rechtsanspruch.

Im Kanton Zug werde Leuten, welche die Prämien nicht zahlen können, wirksam geholfen – darauf beharrt Pfister. Aber man sollte von den Betroffenen erwarten können, dass sie sich um staatliche Hilfe bemühten. Er habe «ein gewisses Verständnis» für die Kritik der schwarzen Liste, so der Gesundheitsdirektor. «Aber auf der anderen Seite ist mir im Kanton Zug kein Fall bekannt, in dem jemandem wegen der schwarzen Liste die medizinische Nothilfe verweigert wurde.»

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