Drei Szenarien zum Luzerner Sitz im Stöckli

Die CVP-Kandidatenkür ist spannender als die Bundesratswahlen

Parteipräsident Christian Ineichen bei den letzten Vorbereitungen einer Medienkonferenz. Welche Partei eingeladen hat, ist offensichtlich.

(Bild: les)

Wer folgt auf Ständerat Konrad Graber? Die Luzerner CVP steht vor einer wegweisenden Entscheidung. zentralplus spekuliert, was den Delegierten durch den Kopf gehen könnte. Der Ausgang ist völlig offen. 

Es wird die grösste CVP-Versammlung, welche die Schweiz je erlebte. Kommenden Dienstag kürt die CVP Luzern ihre Kandidatin oder ihren Kandidaten für den Ständerat. Man rechnet inklusive Besuchern mit über 800 Personen, die in Sursee vor Ort erfahren werden, wer den Sitz des abtretenden Konrad Graber verteidigen soll. Trotz Angriffen von links und rechts werden der CVP allgemein sehr gute Chancen eingeräumt, das Mandat zu halten.

Zur Auswahl stehen mit Andrea Gmür, Yvonne Hunkeler und Ludwig Peyer drei parteiintern hoch angesehene Politiker. Alle haben eine politische Ochsentour hinter sich, konnten sich das notwendige Rüstzeug aneignen und streben nun nach der politischen Krönung ihrer Karriere. 

Politische Unterschiede sind schwer auszumachen – nicht umsonst politisieren sie alle in der CVP. Klar, Andrea Gmür ist mit der Bundespolitik gut vertraut – dafür kennen die beiden Kantonsratsmitglieder Yvonne Hunkeler und Ludwig Peyer die kantonalen Bedürfnisse aus erster Hand. Umso entscheidender wird für alle drei sein, am besagten Abend einen erfrischenden Auftritt hinzulegen und die Delegierten hinter sich zu scharen.

Gewählt wird wie bei den Bundesratswahlen. Zwei Mal dürfen alle antreten, ab dem dritten Wahlgang wird jene Person mit den wenigsten Stimmen ausgeschlossen. Folgende drei Szenarien sind realistisch.

Szenario 1: Die CVP setzt auf eine Frau

Die Problematik ist erkannt: Frauen im Ständerat sind Mangelware. Nur eine Frau stellt sich zur Wiederwahl (zentralplus berichtete). Eine Frauenkandidatur stünde der CVP Luzern also gut zu Gesicht. Möglich, dass dieses Argument schon in der ersten Ausmarchung eine wesentliche Rolle spielt und Ludwig Peyer als Erster scheitert. In einem nächsten Wahlgang wäre das Frauenargument dann allerdings obsolet.

Spannender wäre es, wenn eine der beiden Frauen als Erste scheitert. Das Lager der Gescheiterten müsste sich dann zwischen der verbleibenden Frau und Ludwig Peyer entscheiden. Sehr gut möglich, dass viele Frauenstimmen zur Kandidatin wandern würden. 

Die Involvierten sehen dieser Diskussion gelassen entgegen. Alle anerkennen die Ausgangslage. Die Frauen wollen mit ihren Kompetenzen punkten und freuen sich gleichzeitig darüber, dass sich mit Ludwig Peyer ein Mann dem Wettbewerb stellt, den alle für die Partei als positiv bewerten. 

Szenario 2: Die Stadt-Land-Frage spielt eine zentrale Rolle

400 Delegierte werden von den Ortsparteien gestellt. Die restlichen 200 Delegierten bestehen unter anderem aus Ortsparteipräsidenten, Vertretern der JCVP oder alt Regierungsräten. Interessant ist die Verteilung der Delegierten nach Wahlkreisen. Yvonne Hunkeler hat insofern einen Vorteil, dass «ihr» Wahlkreis (Sursee) mit 86 Delegierten am meisten Einfluss hat. Der Wahlkreis Willisau folgt mit einem kleinen Abstand. Andrea Gmür ist massiv im Nachteil, der Wahlkreis Luzern Stadt stellt nur 42 Delegierte.

 

Das geografische Argument spricht sowieso gegen Gmür. Denn sollte sie es in die Endausmarchung schaffen, egal gegen wen, verkörpert sie zwangsläufig eine urbane Wählerschicht, während Peyer oder Hunkeler klar ländlich geprägt sind. 

Szenario 3: Die Amtsträger werden gerettet

Sowohl Ludwig Peyer als Mann wie auch Andrea Gmür als Stadtvertreterin starten also mit einem Nachteil. Ist Yvonne Hunkeler nun die Kronfavoritin? Schliesslich hat sie bereits innerhalb des Wahlkreises Sursee überraschend das Rennen gegen Nationalrat Leo Müller gemacht. Eine Personalie, die zu einem nächsten spannenden Szenario führt. 

Der Kanton Luzern stellt künftig einen Nationalrat weniger. Kommt es nicht zu einem erdrutschartigen CVP-Sieg, wird jemand Bisheriges aus der CVP über die Klinge springen müssen. Ida Glanzmann erzielte vor vier Jahren über die Parteigrenzen hinweg das beste Resultat und dürfte es auch dieses Mal schaffen. Bleiben Leo Müller und Andrea Gmür. 

Die Überlegung ist simpel: Nominiert die CVP keine Bundespolitikerin (Gmür) – provoziert sie für Gmür oder Müller eine Schmach. Eine Abwahl ist das unschönste Ende einer Politkarriere. Das tragische Gesicht der Wahlen wäre gefunden, die CVP am Wahlsonntag in den Negativschlagzeilen. Will man das?

Parteipräsident Christian Ineichen erkennt, dass das Mandat gefährdet ist. «Wir wollen alles daran setzen, wieder drei Sitze zu holen», gibt er sich aber kampfeslustig. Eine mögliche Abwahl stehe aktuell nicht im Mittelpunkt. «Das Parteiwohl und die Verteidigung des Ständeratssitzes geniesst höchste Priorität», sagt er. Ob der Ständeratskandidat auch auf der Nationalratsliste antritt, entscheidet die Partei erst im Mai.

Nichtsdestotrotz, die Delegierten werden sich solche Überlegungen selbstverständlich machen. Dies dürfte Andrea Gmür in die Karten spielen. Kommt hinzu: Schafft es Gmür, ist automatisch auch Leo Müllers Wiederwahl viel sicherer. Er gilt als klassischer Bauernvertreter in Bundesbern. Es wäre also durchaus möglich, dass Andrea Gmür plötzlich viele bäuerliche Stimmen auf sich vereinen könnte. 

Entscheid im ersten Wahlgang unwahrscheinlich

Solche Überlegungen machen deutlich: Der Ausgang der Delegiertenversammlung ist enorm schwierig vorauszusehen. Versammlungen können plötzlich eine Eigendynamik annehmen. Und nicht nur die drei Kandidaten leisten ihren Beitrag, ganz entscheidend ist auch, welches Lager sich als Erstes umentscheiden muss. Die Angelegenheit dürfte also spannender werden als die letzten Bundesratswahlen.

Im Video erklären die drei Kandidaten ihre Motivation zur Kandidatur:


 

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