Luzern: Reaktionen zum Film «Kopf oder Zahl»

«Es kamen zu viele Politiker und zu wenig Betroffene zu Wort»

Die Premiere des Films über die Luzerner Tiefsteuerstrategie im Bourbaki stiess auf grosses Interesse.

(Bild: jal)

Zu einseitig? Von wegen! Sogar bürgerliche Politiker fanden nach der Premiere des Dokumentarfilms über die Luzerner Steuerstrategie lobende Worte. Er könne sehr wertvoll sein für die zukünftige Diskussion, fand etwa Finanzdirektor Marcel Schwerzmann. Kritischer waren die Reaktionen auf linker Seite.

Mit Spannung ist die Premiere des Films «Kopf oder Zahl» über die Luzerner Steuerstrategie erwartet worden. Am Dienstag nun feierte der Dokumentarfilm des Baslers Reinhard Manz im Bourbaki mit rund 220 Gästen Premiere. Der aus der Zivilgesellschaft initiierte Film rief im Vorfeld gerade auf bürgerlicher Seite Bedenken hervor. Die Luzerner Wirtschaftsverbände lancierten gar noch vor der ersten Aufführung einen Gegenfilm (zentralplus berichtete).

Doch von den Bedenken, dass es sich um einen Propagandafilm der Linken handeln wird, war am Dienstagabend im Bourbaki nicht einmal bei den Befürwortern der Steuerstrategie etwas zu vernehmen.

Im Gegenteil: Finanzdirektor Marcel Schwerzmann (parteilos), quasi der Hauptakteur des Films, fand vorwiegend lobende Worte. «Es war eine faire Darstellung. Von den sehr klaren Befürwortern bis zu den sehr klaren Gegnern der Steuerstrategie wurde das Meinungsspektrum gut dargestellt.» Störende Eindrücke oder fehlende Aspekte habe er nicht festgestellt, sagte Schwerzmann weiter. Von einem Propagandafilm könne daher keine Rede sein.

Wertvoll für zukünftige Debatte

Der Dokumentarfilm könne die Menschen animieren, über die Finanzpolitik mitzudiskutieren, sodass Luzern diese Debatte breiter führen könne. «Wenn sich die Bevölkerung die Zeit nimmt, diesen Film anzuschauen, kann das sehr wertvoll sein für die zukünftige Diskussion», sagte Schwerzmann. Und fügte mit einem Schmunzeln hinzu. «Es hat für mich in diesem Film keine Aussage, die total neu ist – das wäre auch nicht gut, da ich seit zwölf Jahren Finanzdirektor bin.»

«Der Film liefert auch den Bürgerlichen eine gute Plattform.»

Markus Zenklusen, FDP-Präsident

Auch Markus Zenklusen, Präsident der FDP Kanton Luzern, verneinte, dass die Befürworter der Steuerstrategie im Film in die Pfanne gehauen werden. «Er liefert auch den Bürgerlichen eine gute Plattform und zeigt auf interessante Weise die Rahmenbedingungen der Finanzpolitik», sagte er nach der Premiere. Zwar habe es womöglich einige pointierte Aussagen gegeben, wo man «die Nuancen noch ausdiskutieren» müsse. Doch genau um diese Debatte gehe es ja letztlich. Er wertete es auch von daher als guten Entscheid, mit Reinhard Manz einen Aussenstehenden als Regisseur engagiert zu haben.

Was die Linken vermissten

Im Film kommen natürlich auch linke Politiker zu Wort. Etwa die Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo. Auch sie würdigte es positiv, dass der Film die verschiedenen Facetten der Steuerpolitik zum Ausdruck bringe und die Auswirkungen der Sparmassnahmen an konkreten Beispielen aufzeige. So kommen im Film zum Beispiel Lehrer und Kulturschaffende zu Wort, aber auch über die Folgen der Auslagerung der Putzarbeiten an den Schulen wird diskutiert.

Marcel Schwerzmann, Markus Zenklusen und Prisca Birrer-Heimo.

Marcel Schwerzmann, Markus Zenklusen und Prisca Birrer-Heimo.

(Bild: zvg)

Als erfahrene Politikerin hätten ihr aber einige Elemente gefehlt, meinte Birrer-Heimo weiter. Etwa Zahlenmaterial zur Entwicklung der Firmensteuererträge, aber auch der Kontext der Machtpolitik im Kanton Luzern. Insgesamt sei der Film aber ausgewogen und auch sie als «klare Kritikerin der Steuersenkungsspirale» habe nicht den Eindruck gehabt, dass er einseitig gewesen sei.

Who is Who der Politik- und Kulturszene

Das entsprach denn auch dem Tenor der Reaktionen unmittelbar nach der ausverkauften Premiere. Im Saal versammelte sich das Who is Who der Luzerner Politik- und Kulturszene. Dass gerade die Politik für einen Film über die Finanzpolitik ins Kino geht, lobte SP-Präsident David Roth als grosse Leistung des Films. Ob er inhaltlich gut sei, müsse die Diskussion zeigen, die nun hoffentlich folgen werde.

«Es kamen zu viele Politiker und zu wenige Betroffene zu Wort.»

David Roth, SP-Präsident

Auch Roth vermisste allerdings einige Punkte. «Es kamen zu viele Politiker und zu wenige Betroffene zu Wort», kritisierte er. So fehlten seiner Meinung nach zum Beispiel Menschen, welche aufgrund der Sparmassnahmen ihre Prämienverbilligungen verloren haben.

Korintha Bärtsch, Grossstadträtin und Regierungsratskandidatin der Grünen, fand es hingegen gut, wie der Film die Betroffenheit im ganzen Kanton veranschaulichte. Gedreht wurde nicht nur in der Stadt, sondern auch im Entlebuch, im Hinterland oder am Sempachersee.

Korintha Bärtsch, David Roth und Eva Laniado.

Korintha Bärtsch, David Roth und Eva Laniado.

(Bild: zvg)

Weniger gut machten sich laut Bärtsch aber die drei Regierungsräte Marcel Schwerzmann, Guido Graf und Reto Wyss, die im Film zu Wort kommen. «Ihre Aussagen sind bezeichnend», sagte sie. Und meinte damit, dass nirgends ein Anflug von Selbstkritik zu vernehmen gewesen sei. Bildungs- und Kulturdirektor Wyss – der in den Augen vieler keine gute Figur abgab – habe im Film beinahe mit Stolz die Sparsummen im Bildungsbereich aufzählt. «Das ist für mich unverständlich, wenn man sieht, wo der Kanton Luzern aktuell steht.»

Verein hielt sich zurück

Klar war nach der Premiere eines: Die Debatte ist – zwei Monate vor den kantonalen Wahlen – lanciert. Und genau das war das erklärte Ziel des Vereins «Luzern – der Film». «Die Erwartung war, Erklärungen zu bekommen – und ja, diese Erwartungen sind erfüllt», fasste Vorstandsmitglied Catherine Huth nach der Vorstellung zusammen. «Wir hätten uns selber ein Ei gelegt, wenn wir einen Propagandafilm gefordert hätten.» Insofern habe sie sich nicht eine stärkere Wertung gewünscht. 

Catherine Huth und Andreas Stäuble vom Verein (links) sowie Reinhard Manz und vom Filmteam (rechts) diskutieren mit zentralplus-Redaktor Jonas Wydler (Mitte).

Catherine Huth und Andreas Stäuble vom Verein (links) sowie Reinhard Manz und Andreas Weber vom Filmteam (rechts) diskutieren mit zentralplus-Redaktor Jonas Wydler (Mitte).

(Bild: jal)

«Jeder Einzelne kann sich fragen: Wieso ist es überhaupt zu dieser Politik gekommen?», sagte Eva Laniado von der IG Kultur, die zum «Kollektiv besorgter Bürgerinnen und Bürger» gehört, welches das Crowdfunding lancierte. Sie lobte, dass der Film die Frage nach der Verantwortung der ganzen Gesellschaft aufwerfe. Und stimmte ebenfalls zu: «Der Film ist objektiv geblieben und hat keineswegs einen klaren Linkshang.»

Hinweis: Hier geht’s zu unserer Filmkritik.

Weitere Aufführungen

Der Film «Kopf oder Zahl» wird in den nächsten Wochen an folgenden Orten gezeigt:

  • 30. Januar: Ausstellungsraum akku Emmenbrücke
  • 31. Januar: Im Schtei Sempach
  • 3. Februar: Kino Bourbaki Luzern
  • 5. Februar: Gleis 5 Malters
  • 7. Februar: Bürgersaal Willisau
  • 8. Februar: Gemeindesaal Luthern
  • 9. Februar: Kulturwerk 118 Sursee
  • 13. Februar: Entlebucherhaus Schüpfheim
  • 14. Februar: Braui Hochdorf
  • 15. Februar: Zwischenbühne Horw
  • 16. Februar: Stiftstheater Beromünster
  • 17. Februar: Rössli Wolhusen
  • 21. Februar: Arche Dagmersellen
  • 25. Februar: Teiggi Kriens


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