Mehr Beteiligung dank höherer Nutzerfreundlichkeit

Luzerner Design-Studenten wollen Demokratie und die EU retten

Will durch die Digitalisierung der Demokratie neuen Schwung verleihen: Design-Student Jonathan Grubenmann.

(Bild: bic)

Politik anhand der Realität anstatt am Schreibtisch entwickeln: Dies ist die Idee eines Projektes der Hochschule Luzern – Design und Kunst. Sie ist an einem EU-Projekt beteiligt. Das Anliegen von Jonathan Grubenmann, einem der Luzerner Studenten: Abstimmen müsse einfacher und weniger aufwendig werden.

Undemokratisch, zu weit weg von den Menschen, ein bürokratischer Moloch. Diese Attribute, mit denen die Europäische Union immer wieder beschrieben wird, stellen ihr oft kein gutes Zeugnis aus. Überall in Europa versuchen populistische Parteien aktuell, daraus Kapital zu schlagen.

Die Bürgerinnen sollten den Beamten und Politikern in Brüssel endlich die Stirn bieten und politische Entscheidungen wieder in die eigene Hand nehmen, heisst es in Deutschland, Österreich, Frankreich oder Italien. Der Höhepunkt dieser Entwicklung war wohl der Brexit. Die europäische Idee steht derzeit an einem Scheideweg.

Moderne Technologien für die Demokratie nutzen

Mit diesen Problemen und Herausforderungen beschäftigten sich dieses Jahr auch Studenten der Hochschule Luzern – Design und Kunst. Sie nahmen am so genannten «EU Policy Lab» teil. Im Auftrag der EU erarbeiten die angehenden Designer Vorschläge für mehr Nähe zwischen Staat und Bürger. Dabei übertragen sie Design-Prinzipien aus der Wirtschaft auf politische Prozesse. Die Hochschule Luzern ist als einzige Schweizer Institution mit von der Partie.

Einer der beteiligten Studenten ist Jonathan Grubenmann. Die Frage, die er und seine Kommilitonen sich stellten, war, wie man mit den technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts die Bürgerin mehr ins Zentrum stellen, das heisst, sie mehr und besser an den Entscheidungsprozessen beteiligen und somit die Politik transparenter machen kann.

Projekt ist im Final

Mit ihrem Projekt «Participating in voting by integrating digital innovations» haben es die Luzerner in den Final geschafft. Die EU wählte das Projekt aus Dutzenden von Vorschlägen aus ganz Europa aus. Im Januar wird in Brüssel der Sieger gekürt. Was das genau bedeuten würde, kann Grubenmann nicht sagen. «Es ist uns eigentlich auch egal. Wichtig war, dass wir uns mit dem Problem befassen konnten.»

Interessant ist vor allem die Herangehensweise. «Als Designer lernen wir nicht, einfach Theorien zu entwickeln und anhand dieser Vorstellungen Lösungen zu finden. Vielmehr geht es darum, Ideen direkt am Reissbrett umzusetzen», erklärt Grubenmann. «Wir beginnen gleich mit Zeichnen und Konstruieren.» So versuche man, sich immer mehr dem Endprodukt anzunähern.

«Wir arbeiten mit Mindmaps und Modellen. Ideen dürfen auch wieder verworfen werden, wenn sie sich als untauglich erweisen», so Grubenmann. Dieses Vorgehen, das aus dem «Silicon Valley» in Kalifornien stammt, treffe man mittlerweile auch in der Privatwirtschaft immer häufiger an. Ganz im Sinne des namensgebenden Forschungsprogrammes wird Politik also nicht am Schreibtisch, sondern in einer Art Labor entwickelt.

Lösungen sollten vom Konsumenten kommen

In diesem Sinne wurden direkt Leute befragt, wo sie die Probleme betreffend Teilnahme an der Politik verorten», schildert Grubenmann. «Wir haben rasch erkannt, dass das Abstimmen von vielen Leuten als zu kompliziert und schlicht zu aufwendig beurteilt wird.»

Als angehende Produktdesigner kamen die Studenten dann rasch zum Schluss, dass Wählen und Abstimmen viel praktischer, intuitiver und einfacher werden muss. «Aus unserer beruflichen Erfahrung wissen wir, welche Möglichkeiten und Technologien es heute gibt, um dies zu erreichen», sagt Grubenmann, der neben dem Studium als Werbetexter und Konzepter arbeitet. Seine Projektpartner arbeiten als Grafiker und Eventmanagerin.

Gesichtserkennung statt Unterschrift

Da die Stimmbevölkerung immer mehr aus Leuten bestehe, die um die Jahrtausendwende geboren wurden, mache es Sinn, das Abstimmungsbüchlein künftig hauptsächlich per Video zu versenden. «Die Idee ist, dass die Verwaltungen die Bürger direkt über das Smartphone erreichen», sagt der 26-Jährige. Videos zwischen 30 Sekunden und einer Minute sollten die Jungen zum Abstimmen bewegen.

«Durch die immer besser werdende Gesichtserkennung der Smartphones könnte langfristig sogar der Stimmrechtsausweis überflüssig werden», ist Grubenmann überzeugt. Statt zu unterschreiben, würde man also sein Gesicht scannen. «Alles wird mit ein paar Klicks erledigt», erklärt Grubenmann. Zudem könne so massenhaft Papier gespart werden, was letztlich auch der Umwelt zugute komme.

 Das Projekt wird im Video erklärt (Englisch):

Abstimmen sollte mehr Freude bereiten

«Man muss den Menschen den Umgang mit den Institutionen einfach erklären und darlegen, wieso das System so gestaltet wurde, wie es heute ist», sagt Grubenman. Oder mit der Sprache des Designers: Man muss den Leuten das Alleinstellungsmerkmal und die Vorteile eines Produktes klarmachen. Dieses sollte zielgruppenorientiert sein sowie in Preis und Qualität erreicht werden. Der Preis, den man für die politische Teilnahme bezahlen muss, ist vor allem die dafür notwendige Zeit.

Hier kommt die Erfahrung der drei Studenten insofern zum Tragen, als sie wie Grubenmann wissen, wie man die Leute überhaupt erreicht, als Grafiker die Handhabung des Produktes angenehm gestaltet und als Eventmanagerin den Leute eine tolle Zeit und ein gutes Gefühl gibt, wenn sie sich an einer Sache beteiligen – auch wenn man eigentlich noch viel anderes erledigen müsste. Man merkt: Der Kundenkontakt ist bei Grubenmann und Team Teil des Alltags.

Die Schweiz als Vorbild

Grubenmann ist kritisch, ob die EU mit den eingereichten Vorschlägen tatsächlich etwas anfangen wird. «Wir sind aber überzeugt, dass man gewisse Teile aus unserem Konzept übernehmen könnte. Vielleicht auch in Kombination mit anderen Entwürfen.»

Entscheidend könnte sein, dass Grubenmann und seine Kollegen die Schweiz und ihre direkte Demokratie als Versuchslabor nutzten, wie er sagt. «Die EU weiss natürlich, wie es bei uns funktioniert. Wir gingen aber noch einen Schritt weiter», erklärt der Zürcher. «Denn mit unserem Vorschlag sollen letztlich auch die Menschen in den Provinzen der EU erreicht werden, damit sie sich mehr beteiligen.»

Das Volk früher miteinbeziehen

Und für die Schweiz macht Grubenmann gleich noch einen Vorschlag, wie die Digitalisierung die Politik allenfalls besser und effizienter machen könnte: «Anstatt im Vorfeld von Abstimmungen Umfragen durchzuführen, wäre es doch sinnvoller, wenn der Staat die Menschen gleich direkt befragen würde.»

Denn so könnte allenfalls verhindert werden, dass langwierige Prozesse am Schluss ohne Ergebnis enden, da sie zum Beispiel an der Urne Schiffbruch erleiden. «Das Parlament könnte seine Vorschläge schon viel früher dem Volk präsentieren und eine erste Meinung einholen, in welche Richtung es gehen könnte», sagt Grubenmann. Dafür würde der Staat die Bürgerinnen beispielsweise direkt auf dem Smartphone kontaktieren.

Ob durch eine höhere Wahlbeiteiligung die Politik tatsächlich besser würde, weiss Grubenmann nicht. Auch wie man allfällige Sicherheitslücken beheben könnte, kann er nicht sagen. «Wenn man es wirklich wollte, könnte man Ideen wie die unsere in zwei Jahren aber umsetzen», ist er überzeugt. Unabhängig davon würde eine grössere Transparenz und weniger grosse Ohnmacht gegenüber der Politik bei vielen Menschen das Vertrauen in die Institutionen erhöhen, glaubt Grubenmann. Sowohl in der Schweiz wie auch in der EU.

Deine Ideefür das Community-Voting

Die Redaktion sichtet die Ideen regelmässig und erstellt daraus monatliche Votings. Mehr zu unseren Regeln, wenn du dich an unseren Redaktionstisch setzt.

Deine Meinung ist gefragt
Deine E-Mailadresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Bitte beachte unsere Netiquette.
Zeichenanzahl: 0 / 1500.


0 Kommentare
    Apple Store IconGoogle Play Store Icon