Rechte und Autolobby sehen «ideologische Gründe»

Künftig gilt wohl Tempo 30 auf der Zuger Grabenstrasse

Die Grabenstrasse mit Blick auf den Kolinplatz. Nun ist quasi davon auszugehen, dass hier künftig Tempo 30 gilt, nachdem die Baudirektion dies verfügt hat.

(Bild: Google Maps / pbu)

Jetzt ist es entschieden: Die Zuger Baudirektion verfügt im Rahmen der Lärmsanierung der Grabenstrasse die Einführung von Tempo 30. Damit fällt nun auch auf Zuger Kantonsstrassen das lange als sakrosankt geltende Mindesttempo 50 innerorts. Das gefällt nicht allen.

«Diese Verfügung von Tempo 30 durch die Baudirektion ist für mich kein offizielles Weihnachtsgeschenk», nimmt Daniel Brunner, Doku-Zug-Gründer und Grabenstrasse-Anwohner, Stellung zur guten Botschaft in Sachen Temporeduktion. Grund: Der Entscheid werde Mitte Januar öffentlich aufgelegt. «Und man kann dann noch Einsprache erheben», gibt Brunner zu bedenken.

«Das hat der Baudirektor tipptopp gemacht.»

Daniel Brunner, Anwohner der Grabenstrasse

Gleichwohl ist Brunner, der seit 2007 für die Lärmsanierung der Grabenstrasse kämpft und damit zweimal vor dem Bundesgericht reüssierte, zuversichtlich, dass künftig Tempo 30 auf der Grabenstrasse regiert.

«Das hat der Baudirektor tipptopp gemacht», so Brunner. Ausserdem gebe es inzwischen ja auch die Höchstgeschwindigkeitsverfügung der Sicherheitsdirektion für diesen Bereich. Andererseits habe man seine Vorschläge zu den baulichen Massnahmen zur Lärmsanierung – wie etwa einen Velostreifen sowie eine Parkplatzreduktion – abgelehnt. Lediglich auf seine Forderung nach einem Flüsterbelag sei man eingegangen. «Denn Tempo 30 allein reicht nicht zur Lärmreduktion.»

Bundesgericht verlangte Tempo-30-Versuch

Erinnern wir uns: Das Schweizerische Bundesgericht hat am 3. Februar 2016 auf Beschwerde von Anwohnern  der Grabenstrasse in der Zuger Innenstadt vom Kanton verlangt, auf dieser wichtigen Nord-Süd-Verbindung einen befristeten Tempo-30-Versuch durchzuführen. Im Fokus stand, wie sich die Temporeduktion auf den Lärm auswirkt. Die Versuchsanordnung ergab, dass der Lärm sowohl in den Nachtstunden als auch an Wochenenden merkbar abnimmt.

Tempo 30: Nicht nur auf der Grabenstrasse, sondern rund um den Kolinplatz will der Kanton in der Zuger Altstadt diese Geschwindigkeitsbeschränkung einführen. Doch jetzt gibt’s Widerstand.

Tempo 30: Nicht nur auf der Grabenstrasse, sondern rund um den Kolinplatz will der Kanton in der Zuger Altstadt diese Geschwindigkeitsbeschränkung einführen. Doch jetzt gibt’s Widerstand.

(Bild: zvg)

Am 19. April dieses Jahres präsentierte der Zuger Baudirektor Urs Hürlimann dann die Ergebnisse des umfangreichen Feldversuchs, welche laut Baudirektion nur den Schluss zuliessen, künftig auf der Grabenstrasse Tempo 30 anzuordnen. Auch auf zwei weiteren Teilstücken der Ägeristrasse respektive der Neugasse ist nun Tempo 30 vorgesehen.

Spätestens in fünf Jahren soll lärmarmer Belag verlegt werden

Die entsprechende Verkehrsanordnung wird am 11. Januar 2019 im Amtsblatt veröffentlicht. Ab diesem Datum beginnt auch die Rechtsmittelfrist für die verfügte Lärmsanierung der Grabenstrasse zu laufen. Zudem soll auf der Grabenstrasse bei der nächsten Sanierung – spätestens jedoch in fünf Jahren – ein lärmarmer Belag eingebaut werden.

Dass die Verfügung von Tempo 30 erst Mitte Januar aufliegt, erklärt Baudirektor Urs Hürlimann: «Da es sich um einen heiklen Entscheid handelt, wollten wir das Dossier nicht über die Weihnachtstage öffentlich auflegen, wenn es möglicherweise nicht von allen wahrgenommen wird», sagt er gegenüber zentralplus.

Die sechs Einsprachen, die bisher gegen das Projekt von Tempo 30 auf der Grabenstrasse eingingen (zentralplus berichtete aktuell), seien abgelehnt und abgearbeitet worden, so Hürlimann.

Einsprachen vor allem von Ladenbesitzern

Wie zentralplus erfahren hat, handelte es sich bei diesen Beschwerden vor allem um Ladenbesitzer an der Neugasse, die an diesem Ort Tempo 30 ablehnen. 

«Man kann nicht zentral wohnen und die Stille eines Bergdorfes geniessen.»

Gregor Bruhin, SVP-Fraktionschef im GGR

Aber auch andere lehnen nach wie vor Tempo 30 in der Zuger Altstadt ab. Manch einer gar richtig vehement, wie Gregor Bruhin, Fraktionschef der SVP im Grossen Gemeinderat der Stadt Zug.

»Ich lehne diese Massnahme ab. Sie bringt nichts, nur mehr Stau auf diesen Strassen, weil der Verkehr dann nicht mehr fliesst. In meinen Augen ist es eine weitere Massnahme, mit welcher die Automobilisten schikaniert werden.»

«Das ist asozial»

Tempo 30 ist für Bruhin geeignet für Quartiere, wo sich Kinder aufhalten und es dadurch deren Sicherheit diene. Nicht aber auf Hauptverkehrsachsen eines Kantons. Die Einführung von Tempo 30 auf Kantonsstrassen zeige, «dass es sich um rein ideologische Gründe handelt». Wer an einem lärmintensiven Ort wohne, habe sich das so selbst ausgesucht.

Bruhin: «Man kann nicht zentral wohnen und die Stille eines Bergdorfes geniessen. Ich selber wohne zentral neben einer Hauptstrasse. Das Kollektiv für Individualbedürfnisse einzuschränken, ist asozial.»

«Auf den fraglichen Streckenabschnitten in der Stadt beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit tagsüber keine 30 Stundenkilometer.»

Thomas Ulrich, TCS Zug

Auch der Zuger Sektionschef des Touring Club Schweiz, Thomas Ulrich, ist gegen die Temporeduktion auf der Grabenstrasse, der Neugasse und der Ägeristrasse.

TCS: Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt keine 30 Stundenkilometer

«Auf den fraglichen Streckenabschnitten in der Stadt, auf welchen Tempo 30 eingeführt werden soll, beträgt die Durchschnittsgeschwindigkeit tagsüber keine 30 Stundenkilometer», so Ulrich. Auch während der Nacht werde allgemein nicht viel schneller gefahren, «jedenfalls bei weitem nicht 50 Stundenkilometer». Ulrich propagiert stattdessen Flüsterbeläge und leise Pneus als lärmreduzierende Massnahmen.

Blick vom Postplatz in Richtung Neugasse: Auch hier soll nach Plänen des Kantons künftig Tempo 30 gelten – obwohl der Verkehr schon aufgrund des hohen Fahrzeugaufkommens immer wieder stockt.

Blick vom Postplatz in Richtung Neugasse: Auch hier soll nach Plänen des Kantons künftig Tempo 30 gelten – obwohl der Verkehr schon aufgrund des hohen Fahrzeugaufkommens immer wieder stockt.

(Bild: pbu)

Apropos: Der Flüsterbelag in der Grabenstrasse soll auf jeden Fall kommen. Die Kosten liegen im Prinzip gar nicht viel höher als bei herkömmlichen Strassenbelägen.

«Die Mehrkosten, die entstehen, werden vor allem durch die Erneuerung der Flüsterbeläge verursacht», so Baudirektor Urs Hürlimann. Sprich: Flüsterbeläge müssten im Schnitt eben alle zehn Jahre erneuert werden – konventionelle dagegen nur alle 20 Jahre.

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7 Kommentare
  • Profilfoto von Hans Peter Roth
    Hans Peter Roth, 28.12.2018, 01:33 Uhr

    Geschwindigkeitsbeschränkungen und Flüsterbeläge reichen nicht, um die Lärmbelästigung von Anwohnern in einem erträglichen Rahmen zu halten. Es braucht mehr Kontrolle, denn die Strassen sind heute rechtsfreie Räume, wo sich eine Mehrheit der Autofahrer nicht an Geschwindigkeitslimiten hält. Gerne würde ich an der Zugerstrasse in Baar, von der ich unweit wohne, während eines Monats die Geschwindigkeit aller Fahrzeuge messen, um den zuständigen untätigen Politikern die russschwarzen Zahlen unter die Augen zu reiben. Verkehrslärm ist Terror und muss deshalb mit allen Mitteln reduziert werden. Vielleicht hat Gregor Bruhin schon mal gehört, dass die soziale Schichtung der Gesellschaft parallel zur Lärmbelastung verläuft. Das heisst: An den lärmigsten Strassen wohnen die Menschen mit den kleinsten Einkommen. In diesem Sinne erkläre ich mich als Rentner gerne bereit, in eine ruhige Villa am Zugerberg umzuziehen, wenn dadurch meine Lebenskosten nicht gesteigert werden.

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    • Profilfoto von kritischer_Zuger
      kritischer_Zuger, 28.12.2018, 16:58 Uhr

      Lieber Hr. Roth, gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie wenig unterwegs sind? (Betreffend mobilisierter Verkehrsteilnehmer ).
      Villeicht ist Ihnen damit gedient, dass ALLE Arbeitnehmer welche in Zug leben, in Zukunft wieder auf die Pferdekutsche umsteigen. Damit ergibt sich die Frage – wie möchten Sie die Arbeitsplätze in den Kanton bekommen? Oder sollen alle, welche Arbeit in ZH, LU und der Umgebung haben als Wochenaufenthalter leben?
      Das dürfen Sie dann gerne auch dem Steueramt klar machen…
      Nebenbei – es gibt auch in Baar bezahlbaren Wohnraum in ruhigeren Gegenden – man(n) ist aber gezwungen zu suchen …

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    • Profilfoto von transit
      transit, 29.12.2018, 12:28 Uhr

      Herr Roth, wie ich meine herausgefunden zu haben wohnen Sie nicht direkt an der Zugerstrasse in Baar. Bei Ihnen im Quartier ist dieser sogenannte «Lärm» viel weniger als direkt an der Strasse. Ich meinerseite hatte mal an dieser Strasse gewohnt und zwar als dort noch mit Tempo 80 gefahren werden durfte. Wie Sie merken lebe ich noch heute, dieser «Lärm» hat mich nicht umgebracht. Meines Erachtens gibt es heute an der Zugerstrasse nichts mehr zu meckern, beiTempo 50 sind die Lärmemissionen bestimmt tragbar. Man kann nunmal nicht zentral oder relativ zentral wohnen und die Ruhe geniessen die man auf dem Land findet. Böse Zungen behaupten sogar, dass dort bestimmt noch das Geläute von Kuhglocken stören würde. Ich denke, wir sollten alle wieder etwas toleranter anderen gegenüber werden. Früher gings doch auch.

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  • Profilfoto von transit
    transit, 27.12.2018, 17:02 Uhr

    Ha ha… Temporeduktion alleine reicht nicht zur Lärmreduktion, es braucht auch einen Flüsterbelag. Jetzt ist auch mir klar weshalb man heute über den Fahrlärm in der Zeughausgasse schimpft und das obwohl man damals die Bsetzisteine partout gewollt hat.

    @ kritischer_zuger
    Sperrung Grabenstrasse… Wie, ausser über die Grabenstrasse, soll der Verkehr denn aus der Stadt geführt werden?

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    • Profilfoto von kritischer_Zuger
      kritischer_Zuger, 28.12.2018, 16:52 Uhr

      @transit -> das ist ja genau das Thema !
      – erst die Tunnel in der Abstimmung versenken
      – dann sich über Lärm beklagen – Ergebnis : wir machen Tempo 30 UND Dauerstau – Ergo – Abgas und Gestank wird zuviel -> dann wird sich darüber beklagt -> also was nun? Denn das >EINZIG richtige ist, den Verkehr UNTER die Erde zu verlegen – dann ist Ruhe und der Verkehr läuft – zumindestens halbwegs – denn ich bin mir (fast) sicher, die Parkhäuser werden nicht unterirdisch angebunden….

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  • Profilfoto von kritischer_Zuger
    kritischer_Zuger, 27.12.2018, 09:38 Uhr

    Ahaaaaa… womit dann genau von den gleichen Anwohnern spätestens nach 2 Monaten eine Petition eingereicht wird um die Abgase/ Feinstaub zu reduzieren – sprich Sperrungen der Grabenstrasse ! – natürlich zu den Hauptverkehrszeiten (ähemmmm – achso – sind ja ca 18 Std. pro Tag vorhanden).

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    • Profilfoto von transit
      transit, 29.12.2018, 12:38 Uhr

      @ kritischer-Zuger, nein, ich bin absolut nicht der Meinung dass der Verkehr unterirdisch geführt werden muss. Von wem wollen denn all die Geschäfte noch leben wenn kein Verkehr mehr durch die Stadt fliesst und keiner mehr sieht was für Geschäfte es in Zug gibt? Diese Variante finde ich genauso uneffektiv wie z.B. den Postplatz komplett von allen Parkplätzen zu befreien aber der Hauptverkehrsfluss führt mitten durch diese sogenannte Fussgängerzone/Begegnungszone. Ein ganz normales Verkehrsregime mit weiterhin erlaubtem Tempo 50 reicht vollkommen. Überall will man Tempo 30 und keiner merkt dass dann der Verkehr noch mehr staut und dadurch mehr statt weniger Abgase in der Stadt hängen bleiben. Eigentlich braucht es dazu keine oberstudierten Stadtplaner/Stadt und-Kantonsräte sondern eine gute Portion logisches Denken und die Autos können dort bleiben wo sie jetzt schon sind – ist übrigens auch die günstigste Variante.

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