Nach Eingreifen des Kantons: Sündenbock gesucht

Hat Zuger Stadtrat den Volksentscheid zum Postplatz sabotiert?

Um die Parkplätze auf dem unteren Postplatz in Zug wird nun weiter gestritten, obwohl sich das Volk an der Urne klar für den Erhalt der Parkplätze ausgesprochen hat.

(Bild: mam)

Die Initiative «Ja zu Gewerbe und Läden in der Altstadt» sei «nicht rechtswidrig, aber undurchführbar». Dies sagt der Zuger Stadtrat zum Volksbegehren, welche die Parkplätze auf dem unteren Postplatz sichern will. Gegen eine SVP-Interpellation, die ihm die Schuld für das Einschreiten des Kantons und das politische Fiasko in die Schuhe schieben will, wehrt er sich.

Es ist mehr als unschön, wenn eine Volksentscheid nachträglich korrigiert wird, weil er gegen übergeordnetes Recht verstösst. Wie etwa im Fall der Stadtzuger Volksinitiative «Ja zu Gewerbe und Läden in der Altstadt», mit dem 58 Prozent der Stadtzuger im Juni für den Erhalt von 42 Parkplätzen am unteren Postplatz und den nahen Gassen stimmten.

Die von FDP-Regierungsrat Urs Hürlimann geführte Baudirektion des Kantons Zug hat bekanntlich ihre Umsetzung blockiert (zentralplus berichtete), worauf der Zuger Stadtrat dem Stadtparlament die nachträgliche Annullierung der Intitiative empfahl.

Bösen Verdacht in Worte gefasst

Bei der SVP kursiert der Verdacht, dass der Zuger Stadtrat, der sich im Vorfeld der Abstimmung gegen die Initiative ausgesprochen hatte, das seine dazu beigetragen hat, dass der Volksentscheid nicht umgesetzt werden kann.

Philip C. Brunner, Präsident der Stadtpartei und Gregor R. Bruhin, Fraktionschef im Stadtparlament, fassten ihre Bedenken in Worte und wollten vom Stadtrat in einer Interpellation wissen, ob er den Volksentscheid «hintertreibt».

Das Problem der beiden ist, dass sie damit womöglich den eigenen Parteifreund anschiessen. André Wicki (SVP) ist nämlich Bauchef der Stadt Zug. In seinen Zuständigkeitsbereich fällt die Thematik der Bebauungspläne. Wobei das Baudepartement einfach das federführende Departement ist, in dem die Arbeiten erledigt werden, aufgrund derer der Gesamtstadtrat entscheidet.

Der papierlose Stadtrat (von links): Stadtschreiber Martin Würmli, Dolfi Müller, André Wicki, Vroni Straub, Karl Kobelt und Urs Raschle.

Der aktuelle Zuger Stadtrat: Stadtschreiber Martin Würmli (links), Dolfi Müller (SP), André Wicki (CVP, Vroni Straub (CSP), Karl Kobelt (FDP) und Urs Raschle (CVP).

(Bild: zvg)

Dolfi Müller hält den Kopf für Stadtratskollegen hin

Im Stadtparlament wird oft so getan, als würde die zu 60 Prozent bürgerliche Zuger Stadtregierung nach Belieben vom schlauen, aber sozialdemokratischen Stapi Dolfi Müller beeinflusst und gelenkt.

Tatsächlich stellt sich der abtretende Stadtvater bei umstrittenen Themen gern schützend vor seine Ratskollegen. Deswegen gäbe Müller für die Rechtsbürgerlichen auch der ideale Sündenbock ab. Zumal er sich auch diesmal als Kommunikator betätigt.

Warum hat niemand das Unheil kommen sehen?

Doch geht der Plan nicht auf. Wie die Stadtregierung in der am Montag veröffentlichten Antwort auf die SVP-Interpellation schreibt, ist Müllers Präsidialdepartement zwar für die Durchführung von Abstimmungen zuständig, aber Fragen des Bebauungsplans sind allein Sache des Baudepartements – und das ist Wickis Reich.

Hier müsste auch eine Lösung für den Volksauftrag, den gültigen Bebauungsplan Post so abzuändern, dass die 42 Parkplätze erhalten bleiben, gefunden werden. Falls dies möglich ist.

Nun fragen sich in Zug nicht nur die Interpellanten, warum die Initiative, die laut Kanton gegen übergeordnetes Recht verstösst, überhaupt zur Abstimmung gelangen konnte? Hat sie denn niemand eingehehend geprüft?

Stadtparlament ist Instanz, die über Gültigkeit entscheidet

Damit solches nicht wieder geschieht, will der grünliberale Stadtparlamentarier Stefan Huber mit einer Motion erreichen, dass die Stadtkanzlei künftig Volksinitiativen auf ihre Gültigkeit überprüft, bevor über sie abgestimmt wird.

Doch laut Stadtrat kann eine Prüfung der Stadtkanzlei das Problem nicht aus der Welt schaffen. Weil nämlich am Schluss die Legislative, nämlich der Grosse Gemeinderat (GGR) über die Gültigkeit einer Volksinititave entscheidet.

Stadtkanzlei sah keine Hindernis

Im konkreten Fall wurde die Initiative aber – auf freiwilliger Basis – der Stadtkanzlei vorgelegt, die sie formal prüfte. Inhaltlich gebe man kein Urteil ab. Wenn eine Intitiative aber offensichtlich nichts taugt, komme es zu einer «unverbindlichen Meinungsäusserung» gegenüber den Initianten.

Das ist bei der Initiative «Ja zu Gewerbe und Läden in der Altstadt» aber nicht geschehen, weil es «keine Anhaltspunkte» dafür gegeben habe, dass die Inititave gegen übergeordnetes Recht verstosse. Mit genügend Stimmen könne ein Anliegen, das in den Aufgabenbereich der Gemeinde falle, zur Abstimmung gebracht werden. Und dies betreffe zweifelsohne auch Bebauungspläne.

«Initiative nicht rechtswidrig»

Ebensowenig hat die Stadt Zug vor der Abstimmung bei der kantonalen Baudirektion angeklopft, um abzuklären, was sie von der Rechtsmässigkeit und des Anliegens hält. Bei Planungsinitiativen könne ein Anliegen oft nur in Form einer allgemeinen Anregung formuliert werden. Und deswegen sei eine Prognose darüber, ob es umsetzbar ist, oft schwieirig. «Das Fazit der Baudirektion hätte auch nicht anders lauten können, als ‹nicht a priori unmöglich, aber schwierig›,» argumentiert der Stadtrat.

Im übrigen stellt sich die Zuger Stadtregierung auf den Stadtpunkt, dass «die Volksinitiative auch aus heutiger Sicht nicht rechtswidrig» sei. Sie sei lediglich «undurchführbar», weil sie nicht ohne Verletzung von übergeordnetem Recht umgesetzt werden kann.

Stadtrat warnte: «Es geht vier bis fünf Jahre»

Obwohl die Stadtkanzlei keine präventive Abklärungen beim Kanton machen liess, nimmt der Zuger Stadtrat für sich in Anspruch, im Stadtparlament vor dem Polit-Chaos nach einem Ja zur Initiative gewarnt zu haben. Im Februar hielt er in einem Bericht und Antrag zuhanden des GGR schriftlich fest: «Es ist mit entsprechenden Einwendungen, einem Referendum (einer dritten Volksabstimmung übers gleiche Thema) sowie einem Beschwerdeverfahren zu rechnen». Dieser Prozess dürfte vier oder fünf Jahre in Anspruch nehmen.

Philip C. Brunner und Gregor R. Bruhin von der SVP argwöhnen in ihrer Interpellation, die Zuger Stadtverwaltung habe nach der Abstimmung über den untern Postplatz die kantonale Baudirektion nur unzureichend informiert und auch Gesprächsangebote ausgeschlagen – was der Stadtrat aber entschieden zurückweist.

«Volkswillen ernst genommen»

Man habe den Volkswillen ernst genommen und sich einer raschen Umsetzung angenommen. Doch war der springende Punkt, dass man für einen Bebauungpslan einen Vorteil gegenüber der Einzelbauweise nachweisen muss, wie sie im ordentlichen Zonenplan geregelt ist.

Für den ursprünglichen Bebauungsplan Postplatz, der die Neuüberbauung hinter der Hauptpost mit dem Bau eines Parkhauses und der Aufhebung der Parkplätze auf dem ganzen Postpplatz gekoppelt hatte, war dies 2007 bereits geschehen. Für einen abgeänderten Bebauungsplan, der das Anliegen der Initiative berücksichtigt, hätte man neue Vorteile finden müssen.

Ausflüchte verfingen nicht

Diese Notwendigkeit versuchte der Stadtrat erst abzuwenden. Er wies darauf hin, dass der Parkplatz am unteren Postplatz keinen negativen Einfluss auf den neugestalteten oberen Postplatz hat, der das Geviert zwischen Zeughausgasse und Poststrasse verkehrsmässig entlastet – weswegen man auch keine neuen Vorteile nachweisen müsse. Ausserdem versuchte er dem Kanton das Verbleiben von oberirdischen Parkplätzen für die Altstadt als Vorteil zu verkaufen. Zumal ja das Stimmvolk dieses Interesse höher gewichte als die Umgestaltung zu einem Freiraum, so die Begründung.

Offensichtlich hatte man damit keinen Erfolg, denn am 8. November trafen sich Stadt- und Kantonsvertreter zu einem Brainstorming, bei denen es darum ging, «einen Mehrwertausgleich zu schaffen». Das heisst, einen Vorzug gegenüber der Einzelbausweise zu finden. Damit die Abänderung des Bebauungsplan im Sinne der Intitiative zulässig würde. Doch das Vorhaben scheiterte.

Illustre Runde hatte keine Ideen

Nun stellt sich die Frage, ob das Gremium mit dem gebotenen Eifer an einer Lösung herumstudierte – oder ob hier eine Verschwörertruppe den Dienst versagte. Die Zusammensetzung der Runde: Seitens der Stadt Zug Stapi Dolfi Müller (SP), Stadtschreiber Martin Würmli, Nicole Nussberger, Departementsekretärin im SVP-regierten städtischen Baudepartement und Stadtplaner Harald Klein. Seitens des Kantons Baudirektor Urs Hürlimann (FDP), sein Kommunikationsbeauftragter Freddy Trütsch und Kantonsplaner René Hutter.

Von diesen Personen ist einzig Dolfi Müller ein bekennender Linker. Stadtplaner Harald Klein und Kantonsplaner René Hutter gehen als weltoffene Beamte durch. Der Rest ist stockbürgerlich: die städtische Chefbeamtin Nicole Nusssberger ebenso wie der Stadtschreiber Martin Würmli, der ein überzeugter Christdemokrat ist. Auch der kantonale Kommunikationsbeauftragte Freddy Trütsch ist früher als Journalist durch seine stramm rechte Gesinnng aufgefallen.

Jetzt ist Verwaltungsgericht an der Reihe

Und jetzt? Der Stadtrat schreibt in seiner Interpellationsantwort, dass er über keinen Plan B verfüge. «Derzeit erkennt er keine Massnahmen, um doch noch eine praktikable Lösung zu finden, den Volksentscheid umzusetzen.» Man könne sich vorstellen, im Rahmen des Gesamtverkehrskonzeptes und der Ortsplanungsrevision das Anliegen der Initiative nochmals übergeordnet und unabhängig vom Bebauungsplan Post zu prüfen. 

Den Ball hat er aber ohnehin schon abgespielt. Zum einen zum Stadtparlament, dem er empfahl, die Volksinitiative als undurchführbar zu erklären. Zum andern ist das Zuger Verwaltungsgericht an der Reihe. «Wir hoffen auf eine rasche Klärung der Frage der Gültigkeit durch das Gericht», schreibt die Zuger Stadtregierung.

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5 Kommentare
  • Profilfoto von Martin Stuber
    Martin Stuber, 04.12.2018, 15:33 Uhr

    Also Änderung gemäss (eher eng interpretierter) Netiquette:
    «Wieder ein reisserischer Titel, welcher am Kern der Sache vorbei geht und von den tatsächlichen Verantwortlichen ablenkt. Zentralplus sollte nicht den Blick nachahmen.»

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  • Profilfoto von Martin Stuber
    Martin Stuber, 04.12.2018, 12:14 Uhr

    Zentralplus hat meinen Kommentar zensuriert. Der erste Satz wurde weggestrichen. Er lautete:
    «Wieder so ein doofer reisserischer Titel in Zuger Online-Möchtegern-Blick.»
    Dazu stehe ich und es tut weh mitanzusehen, wie es die Zuger Zeitung heute (wieder einmal) besser macht.
    David – Deinen Kommentar kann ich zu 100% unterschreiben, Danke!

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    • Profilfoto von Christian Hug
      Christian Hug, 04.12.2018, 13:19 Uhr

      Es hat niemand Ihren Beitrag zensuriert, Herr Stuber. Mit dem Kommentieren haben Sie die Netiquette akzeptiert und sich zu sachlichen Beiträgen verpflichtet, nachzulesen unter https://www.zentralplus.ch/de/news/info/12188/Netiquette.htm. Beleidigungen haben in unseren Kommentar-Spalten keinen Platz und werden gelöscht – so wie dies alle Medien handhaben.

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  • Profilfoto von David Meyer
    David Meyer, 04.12.2018, 08:02 Uhr

    Tatsächlich haben wir von der glp im Vorfeld der Abstimmung die kleine Anfrage eingereicht weil wir die Kollision mit dem übergeordneten Recht haben kommen sehen und von der Regierung wissen wollten, ob man sich das bewusst ist. Die Antwort des Stadtrates bestätigte unsere Ansicht, wie es nun auch vom Kanton bestätigt wurde. Wir sind froh dass der Rechtsstaat noch funktioniert. Hätten die Initianten ihren Job vorher sauber gemacht wäre ihnen das ebenfalls aufgefallen und uns allen der Gang an die Urne erspart geblieben. Mit derart überflüssigen Abstimmungen darf man sich nicht über den Unmut der Bevölkerung über die Politik wundern. Es stehen nun weitere Abstimmungen ähnliche zweifelhafter Qualität bevor und ich hoffe, die Initianten können über ihren Schatten springen und diese zurückziehen.

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  • Profilfoto von Martin Stuber
    Martin Stuber, 03.12.2018, 18:49 Uhr

    Die Verantwortlichen sind ganz einfach die Initianten, welche parteimässig bisher von einer übermächtigen Mehrheit im GGR (CVP, FDP und SVP) unterstützt worden sind.
    Sie haben eine Initiative lanciert, von der schon immer klar war, dass sie rechtlich nicht standhält. Der Stadtrat hat dies in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der GLP (die sich in ihrem Vorstoss nicht zuletzt um die potentielle Schmälerung des Profits der Betreiber des neuen Parkhauses am Postplatz Sorgen gemacht hat…) schon am 22. Mai 2018 geschrieben. Hätte er damals dem GGR schon eine Ungültigkeit beantragt, wäre er angesichts der Mehrheitsverhältnisse durchgefallen.
    Hier das Zitat aus der stadträtlichen Antwort vom 22. Mai:
    „Gemäss Formulierung in Bestimmung Nr. 7 dürfen die öffentlichen Parkplätze im Parkhaus nur erstellt werden, wenn 60 oberirdische Parkplatze aufgehoben werden. Ob diese Voraussetzung im Nachgang abgeändert werden darf, ist rechtlich umstritten und dürfte die Justiz über Jahre hinweg beschäftigen. Schliesslich handelte es sich ursprünglich um eine zu erfüllende Auflage für den gültigen Bebauungsplan. (…) Die beiden Parkplatzeigentümerinnen haben im Vertrauen auf den rechtsgültigen Bebauungsplan Post die insgesamt 150 Parkplätze gekauft, da dieser die Aufhebung von 60 Parkplätzen zwingend vorschreibt. Unter diesen Umständen ist dem Grundsatz der Planbeständigkeit ein grosses Gewicht einzuräumen, zumal der Bebauungsplan in einem breiten Mitwirkungsverfahren erarbeitet wurde.“
    Klar – nicht?

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