Bahnhofstrasse: SP pocht auf baldiges Fahrverbot

Yannick Gauch attackiert Stadtrat: «Es geht zu schleppend vorwärts»

Yannick Gauch (SP) will die Autos bereits 2019 aus einem Teil der Bahnhofstrasse verbannen. (Bildmontage: zentralplus)

Die Stadt macht zu wenig schnell vorwärts: Das kritisiert die Stadtluzerner SP. Die Urheberin der Initiative für eine autofreie Bahnhofstrasse lässt nicht locker – und beharrt auf einer vorzeitigen Sperrung bereits nächsten Frühling. Wieso das nötig ist und weshalb die SP sich gegen die geplante Finanzspritze für eine Zwischennutzung wehrt, erklärt Grossstadtrat Yannick Gauch im Interview.

Die Bahnhofstrasse soll möglichst autofrei werden: Die Stadtluzerner Stimmbevölkerung hat 2013 eine entsprechende Initiative der SP angenommen. Fünf Jahre später kurvt der Verkehr noch immer vom Theater zum Bahnhof. Und das wird noch eine Weile so bleiben. Wie der Stadtrat diesen Donnerstag mitteilt, wird die Neugestaltung erst 2023 realisiert (zentralplus berichtete).

Sehr zum Ärger der SP, welche die Initiative damals lanciert hatte. Sie freut sich zwar über die neuen Pläne für eine unterirdische Velostation (zentralplus berichtete). Gleichzeitig kritisiert sie den Stadtrat für die erneuten Verzögerungen und spricht davon, dass das Vertrauen arg strapaziert werde. «Das ist nicht nur ein Ärgernis für die Initianten, sondern hinterlässt auch bei der Stadtluzerner Bevölkerung einen faden Beigeschmack», schreibt die Partei in einer Medienmitteilung.

Die Sozialdemokraten sind nicht bereit für einen Kompromiss. Die Partei wird an der Forderung festhalten, dass die rund 40 Parkplätze bereits nächsten Frühling aufgehoben werden und für den Durchgangsverkehr ein Fahrverbot installiert wird. Das hat die SP, unterstützt von den Grünen und Grünliberalen, kürzlich in einem Postulat gefordert (zentralplus berichtete).

zentralplus: Yannick Gauch, der Stadtrat präsentierte diesen Donnerstag, wie die Bahnhofstrasse 2023 aussehen wird: autofrei, mit Boulevardzone und Veloparking – das entspricht doch genau den SP-Vorstellungen. Wieso sind Sie dennoch unzufrieden?

Yannick Gauch: Wir finden das Projekt eigentlich gut. Wir begrüssen auch die Velostation mit den 1100 Parkplätzen, welche die sehr angespannte Situation rund um den Bahnhof sehr entlasten wird. Doch es ist fünf Jahre her, seit die Bevölkerung über unsere Initiative abgestimmt hat. Jetzt soll es weitere fünf Jahre dauern bis zur Neugestaltung. Uns geht das einfach zu schleppend vorwärts: Ein Volksauftrag sollte definitiv schneller umgesetzt werden.

zentralplus: Der Stadtrat argumentiert, er habe die Komplexität unterschätzt. Viel Verkehr, der Untergrund voller Leitungen, andere Projekte in der Nähe: Ist das nicht nachvollziehbar?

Gauch: Ich kann nachvollziehen, dass es ein komplexes Projekt ist. Die Spezialisten beim Tiefbauamt können das sicher besser beurteilen als ich. Gleichwohl frage ich mich: Hat man nun fünf Jahre gebraucht, um herauszufinden, dass es komplex ist?

«Setzt die Stadt die Prioritäten richtig? Wenn man sieht, welche Projekte in den letzten Jahren eine wichtigere Stellung genossen haben, zweifle ich daran.»

zentralplus: Die SP spricht in ihrer Medienmitteilung von «arg strapaziertem Vertrauen» der Initianten und der Bevölkerung. Unterstellen Sie Stadtrat Adrian Borgula, der nicht als Freund der Autolobby gilt, dass er die Sperrung der Bahnhofstrasse absichtlich verzögert?

Gauch: Nein, eine Absicht würden wir ihm sicher nicht unterstellen. Doch ich bin in den letzten Jahren oft von Leuten gefragt worden, wieso an der Bahnhofstrasse nichts passiert, obwohl es eine Abstimmung gab. Uns ist auch klar, dass die Ressourcen in der Verwaltung beschränkt sind. Umso wichtiger ist darum die Frage: Setzt die Stadt die Prioritäten richtig? Wenn man sieht, welche Projekte in den letzten Jahren eine wichtigere Stellung genossen haben, zweifle ich daran.

zentralplus: Beim Grendel-Löwengraben sprach man rund 15 Jahre über die Neugestaltung, bevor sie tatsächlich in Gang kam. Auch der Mühlenplatz wurde nicht von heute auf morgen autofrei. Ist das nicht einfach normal bei solch grossen Projekten?

Gauch: Natürlich muss eine Umgestaltung seriös angegangen werden. Aber aus unserer Perspektive ist es unverständlich, wieso man nicht einen ersten Teil der Bahnhofstrasse, vom Theater bis zur Seidenhofstrasse, bereits früher autofrei macht. Um den Durchgangsverkehr zu verbannen, braucht es keine oder nur kleine bauliche Massnahmen. Vor allem aber wäre das ein Zeichen an die Bevölkerung, dass man sie ernst nimmt. Wir werden deshalb an unserer Forderung festhalten, dass dies bis am Karfreitag 2019 geschehen soll.

Zur Person

Der 24-jährige Yannick Gauch ist seit 2016 für die SP-/Juso-Fraktion im Luzerner Stadtparlament und dort Mitglied der Baukommission. Der Grafiker und ehemalige Präsident der Juso Kanton Luzern ist Mitinhaber eines Werbebüros in der Stadt Luzern und im Vorstand des Kleingewerbeverbandes Luzerner Unternehmen.

zentralplus: Wer vom Flora- oder Kantonalbank-Parkhaus kommt, müsste neu über die Winkelried-/Pilatusstrasse fahren. Laut Stadtrat braucht es an diesem Knoten eine Umgestaltung inklusive Ampel und Absprache mit dem Kanton, was innert sechs Monaten nicht realistisch sei. Sind Sie anderer Meinung?

Gauch: Wir geben ein Ziel vor, von dem wir glauben, dass es machbar ist. Wenn der Stadtrat die Abklärungen in die Wege leitet und uns nachvollziehbare Gründe präsentiert, warum es ein paar Wochen länger dauert, können wir damit leben. Aber es geht uns auch darum, dem Wunsch der Bevölkerung nach einer raschen Umsetzung nachzukommen.

zentralplus: Das Beharren auf dem Volkswillen erinnert ein wenig an den Stil der SVP mit ihrer Durchsetzungsinitiative. Spielen da also auch taktische Gründe mit, weil sie dem Stadtrat zu wenig vertrauen?

Gauch: Ich finde, das ist nicht vergleichbar. Uns geht es lediglich darum, dass fünf Jahre nach der Abstimmung zumindest mal ein Teil des Volksauftrags umgesetzt wird.

«Offenbar hat der Stadtrat Angst, die Bevölkerung auch einfach mal machen zu lassen.»

zentralplus: Der Stadtrat möchte ein Konzept für eine Zwischennutzung erarbeiten, die 2020 zum Zuge kommen könnte. Überraschenderweise sprechen Sie sich gegen diese «Luxus-Zwischennutzung» aus. Wieso?

Gauch: Wir stehen Zwischennutzungen grundsätzlich positiv gegenüber. In diesem Fall muss man aber sagen, dass wir nie von einem solchen Konzept gesprochen haben und es auch nicht als zwingend erachten. Eine Viertelmillion Franken für ein Zwischennutzungskonzept, das ist uns zu teuer. Eine tolle Zwischennutzung ist auch günstiger machbar.

Zwei Baumreihen und ein Mergelbelag sollen die Bahnhofstrasse zu einem schöneren Ort machen. (Bild: Koepfli Partner GmbH, Luzern)

Zwei Baumreihen und ein Mergelbelag sollen die Bahnhofstrasse zu einem schöneren Ort machen. (Bild: Koepfli Partner GmbH, Luzern)

zentralplus: Der Stadtrat fürchtet, dass ohne Konzept einfach eine Asphaltfläche freigespielt wird – ohne Zweck?

Gauch: Wir sind überzeugt, dass der Raum genutzt würde. Es hat ja ringsum viele Institutionen, das Luzerner Theater oder Gastrolokale. Man könnte auch ganz einfach eine Buvette hinstellen oder mobile Foodtrucks. Wir hören immer wieder von kleinen Gastrobetreibern, die einen Platz suchen. Ein leerer Asphaltplatz bliebe das also nicht.

zentralplus: Zugespitzt gesagt: Ihnen ist eine Hauruckübung ohne Regeln lieber als ein überlegtes Konzept?

Gauch: Nein, wir wollen keine Hauruck-Übung. Klar braucht es eine gewisse Ordnung, sodass nicht einfach jeder sein Mobiliar auf die Strasse stellen kann. Aber offenbar hat der Stadtrat Angst, die Bevölkerung auch einfach mal machen zu lassen. Wir sind hingegen überzeugt: Die Stadt lebt auch von Freiraum, in dem mal etwas passieren kann ohne ein minutiös durchdachtes, teures Konzept.

zentralplus: Apropos teuer: Die geplante Velostation dürfte mit geschätzten Kosten von über 13 Millionen Franken das teuerste Veloprojekt der Stadt werden. Wieso stossen Ihnen diese Kosten nicht sauer auf?

Gauch: Die Velostation bietet zahlreiche Vorteile: Die Fläche, auf der sich heute die Abstellplätze befinden, kann künftig anders genutzt werden, die Fahrräder sind in der Anlage gedeckt und weniger von Diebstahl betroffen, als das heute der Fall ist. Zudem hat der Stadtrat dieses Projekt keineswegs blindlings vorgeschlagen, sondern insgesamt 15 Standorte sorgfältig abgeklärt. Deshalb können wir das unterstützen und finden, es ist das Geld wert. Immerhin hat sich die Stadt in ihren Mobilitätszielen die Förderung des Veloverkehrs auf die Fahne geschrieben.

zentralplus: Das Veloparking bei der Universität ist nur zur Hälfte ausgelastet. Wohl auch, weil Benutzer zahlen müssen. Müsste die neue Velostation also gratis sein?

Gauch: Die Parkstation bei der Universität ist bei Weitem nicht so gut gelegen wie die neu geplante. Sicher spielt auch der Preis eine Rolle. Bereits kleine Beiträge haben einen grossen Einfluss – das sieht man ja bei den Plastiksäcken im Detailhandel. Wir haben die Preisfrage in der Fraktion noch nicht diskutiert. Persönlich habe ich das Gefühl: Wenn die Stadt das Mobilitätsziel erreichen will, müssten die Parkplätze kostenlos sein.

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1 Kommentar
  • Profilfoto von Sarastro
    Sarastro, 16.11.2018, 15:55 Uhr

    Ein Vorwurf, den sich der Stadtrat gefallen lassen muss, ist, dass er ein Projekt zur Abstimmung brachte, das in seinen Konsequenzen nicht genügend durchdacht und deshalb unreif war. Das Vorgehen ist typisch für Anliegen, die man à tout prix (!) realisieren will. Man macht es dem Volk nach allen Regeln der politischen Kochkunst schmackhaft, um die Zustimmung zu erhalten. Im Nachhinein muss es dann die unerwarteten Folgen akzeptieren und die massiven Zusatzkosten finanzieren. Ein solches Vorgehen ist nach meiner Ansicht unseriös!

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