Zuger Linke hadern mit der Wahlschlappe

Wird mit dem rein bürgerlichen Zuger Regierungsrat alles anders?

Frau Landammann und Regierungsrätin Manuela Weichelt. Sie sorgte zumindest dafür, dass die Frauenquote in der Direktion des Innern um 50 Prozent stieg.

(Bild: Archiv)

Der Zuger Regierungsrat ist neu rein bürgerlich. Doch ändert sich dadurch tatsächlich so viel in Zug? Die politische Linke will auf jeden Fall ihre Oppositionsrolle deutlich klarer wahrnehmen. Polit-Experte Iwan Rickenbacher relativiert jedoch die Bedeutung der Regierungs-Zusammensetzung.

Zwei SVP-Politiker, drei CVP-Mandatsträger und zwei Freisinnige: So lautete das Wahlergebnis vom 7. Oktober in Sachen Zuger Regierungsrat.

Linke stehen mit leeren Händen da

Da die Linke es nicht geschafft hat, einen Vertreter beziehungsweise eine Vertreterin in das Exekutivgremium zu bringen, und da die grünalternative Regierungsrätin Manuela Weichelt nach zwölf Jahren Amtszeit abdankt, steht die Linke mit leeren Händen da.

«Es ist für die Demokratie und die Konkordanz immer schlecht, wenn nicht alle relevanten politischen Kräfte in einer Regierung eingebunden sind.»

Manuela Weichelt, Frau Landammann, ALG

Denn was ändert sich tatsächlich, wenn kein Linker mehr in der Zuger Regierung sitzt?

«Es ist für die Demokratie und die Konkordanz immer schlecht, wenn nicht alle relevanten politischen Kräfte in einer Regierung eingebunden sind», sagt Frau Landammann Manuela Weichelt. Ihre Amtszeit läuft, wie gesagt, Ende Dezember aus. «So etwas hat Auswirkungen auf die Entscheidungen und macht das Zusammenspiel zwischen Parlament und Regierung schwierig», ist die Politikerin der Alternative – die Grünen Zug überzeugt.

Am Anfang waren es sogar zwei Linke

Manuela Weichelt hat zu Beginn ihrer Amtszeit noch eine spezielle Situation erlebt. Denn die ersten vier Jahre sass auch noch Patrick Cotti als Vertreter der Alternative – die Grünen in der Zuger Regierung.

Sprich: Zwei Linke in der Regierung hatten natürlich mehr Gewicht und konnten mehr linke Themen ansprechen als eine Person. Sie konnten sich auch absprechen und einander unterstützen. Nach der Abwahl Cottis 2010 war Weichelt dann die einzige Linke in der Zuger Regierung.

Als Regierungsrätin natürlich im Fokus der Öffentlichkeit: Frau Landammann Manuela Weichelt-Picard eröffnete die 47. Zuger Messe.

Als Regierungsrätin natürlich im Fokus der Öffentlichkeit: Frau Landammann Manuela Weichelt-Picard eröffnete die 47. Zuger Messe.

(Bild: zvg)

«Ich habe immer versucht, auch frauenspezifische Aspekte einzubringen, Minderheiten zu berücksichtigen, die Stimme der Umwelt und die Sozialpolitik in die Regierung zu tragen», sagt Weichelt.

Aber im Regierungsrat könnten die Mitglieder nicht Parteipolitik pur machen. Es seien Kompromisse gefragt, so die Frau Landammann. «Selbst wenn die Anträge meiner Direktion beziehungsweise von mir mehrheitsfähig im Regierungsrat waren, hiess dies noch lange nicht, dass der Regierungsrat damit dann auch im Kantonsrat eine Mehrheit fand – wie zum Beispiel beim Gleichstellungs- oder beim Denkmalschutzgesetz.»

Weichelt hat als Linke die Frauenquote in ihrer Direktion gepusht

Es gehe darum, mehrheitsfähige Lösungen zu finden – «egal, ob man seine politische Heimat im linken oder rechten Lager hat», sagt Weichelt. Wenn ein Antrag von einer Minderheit komme, werde er vielleicht etwas genauer und kritischer angeschaut.

Aufgrund der Mehrheit der Bürgerlichen konzentrierte sich Weichelt denn auch vor allem auf die Arbeit als Direktorin des Innern. «Ich fühlte mich in erster Linie für meine Direktion mit den darin angesiedelten Themen verantwortlich.» Auffallend sei sicher, dass bei ihrem Amtsantritt in der Direktion des Innern null Prozent Frauen im Kader gewesen seien, und es jetzt 50 Prozent sind. «Gemischte Teams erbringen bessere Leistungen», versichert die 51-jährige Politikerin und Mutter zweier Töchter.

Aber ist politisch tatsächlich ein Richtungswechsel im Zuger Regierungsrat zu erwarten – weil kein Linker mitregiert? Schliesslich hätte beispielsweise – um die Perspektive für einen Moment zu wechseln – die Stadt Zug in den letzten Jahren ohne SP-Stadtpräsident Dolfi Müller kaum bürgerlicher regiert werden können.

«Crypto Valley» und Blockchain-Fan

Denn so intensiv, wie sich der clevere Cüpli-Linke fürs «Crypto Valley» und für Blockchain in der Stadt Zug stark gemacht hat, um Zug neue Finanzquellen zu erschliessen, hätte kein Zuger Bürgerlicher zu träumen gewagt. Und der Kanton Zug ist nun mal ein Wirtschaftskanton, an dessen Agenda wie Steuerminimierung, internationale Wirtschaftsausrichtung und Verdichtung sich wenig rütteln lässt.

Iwan Rickenbacher war 1988 bis 1992 CVP-Generalsekretär, ist heute als Kommunikationsberater und Politik-Experte tätig und war lange MAZ-Stiftungsratspräsident.

Iwan Rickenbacher war 1988 bis 1992 CVP-Generalsekretär, ist heute als Kommunikationsberater und Politik-Experte tätig und war lange MAZ-Stiftungsratspräsident.

(Bild: lwo)

Höchstens die immer grössere Verkehrsbelastung und Quartiergentrifizierung könnten dauerhaft zu linken Themen werden. Aber auch hier müssen die Bürgerlichen aktiv werden, weil sie den Wirtschaftsstandort nicht gefährden können und wollen. 

«Es liegt jetzt an der Zuger Linken, ihren politischen Einfluss zu demonstrieren.»

Iwan Rickenbacher, Politik-Experte und Kommunikationsberater

Politikexperte Iwan Rickenbacher indes relativiert die Frage der Sitze in einer Regierung oder in einem Parlament in Bezug auf ihren realen politischen Einfluss.

«Die politische Kraft einer Partei erschöpft sich in unserem System nicht nur in der Sitzzahl im Parlament. Die Möglichkeit, Initiativen zu lancieren und Referenden zu ergreifen, gibt politischen Bewegungen in der direkten Demokratie grossen Einfluss», sagt Rickenbacher.

Es geht auch um die politische Wahrnehmung

Folgten die Stimmbürger häufiger den Parolen von Parteien, die nicht in die Regierung eingebunden sind, werde deren Einbindung irgendwann unabwendbar. «Auf solchen Gedanken beruht das Konkordanzsystem. Es liegt jetzt an der Zuger Linken, ihren politischen Einfluss zu demonstrieren», sagt Rickenbacher.

Mitglied einer Regierung zu sein, bedeutet für Rickenbacher, nicht nur Mitglied im Rat zu sein, sondern auch eine Verwaltung zu führen und zudem viele Möglichkeiten zu erhalten, sich über die Medien an die Öffentlichkeit zu wenden. «So können Argumente öffentlich gemacht werden, die sonst nicht wahrgenommen würden.»

«Neu ist, dass die Bürgerlichen eine Monopolstellung innehaben.»

Barbara Gysel, SP-Präsidentin

Es sei nicht eine Frage von gut oder schlecht, so der Schwyzer Politik-Experte, ob eine Partei in einer Regierung vertreten sei: «Auf Bundesebene waren die Katholisch-Konservativen bis 1891 nicht in der Regierung, die Sozialdemokraten bis 1943, obwohl sie seit 1919 Wähleranteile von über 20 Prozent erzielten.»

Barbara Gysel von der Zuger SP plädiert für ein «Diversity Management» in der Politik.

Barbara Gysel von der Zuger SP plädiert für ein «Diversity Management» in der Politik.

(Bild: mam)

Für SP-Frau Barbara Gysel, die es bei den Wahlen nicht in den Regierungsrat schaffte, ist indes klar: «Zug war seit jeher bürgerlich und rechtsaussen dominiert; das ist nicht erst seit dem 7. Oktober 2018 so. Neu ist, dass die Bürgerlichen eine Monopolstellung innehaben.»

«Oppositionspolitik wird wohl zunehmen»

Was in der Wirtschaft gilt, sollte laut Gysel deshalb auch in der Politik Anwendung finden: «Diversity Management». Sprich: Diverse Lösungsansätze führten zu besserem Output und Ausgleich. In der Wirtschaft werde beispielsweise über das Kartellgesetz für Vielfalt gesorgt. Die Politik brauche dringend ein Umdenken gegen diesen «Alleinherrschaftsanspruch».

Barbara Gysels politische Schlussfolgerung ist eindeutig: «Schon jetzt kommen mir viele Stimmen von vernünftigen Bürgerlichen zu Ohren, die die bürgerliche Autokratie bedauern – so wird wohl die Oppositionspolitik zunehmen.»

«Wir werden noch mehr über den parlamentarischen Weg gehen.»

Andreas Hürlimann, ALG-Bauchef in Steinhausen

ALG-Regierungsratskandidat Andreas Hürlimann, der es ebenfalls nicht in die Zuger Regierung schaffte, stösst ins gleiche Horn. Sprich: Die Linken werden angesichts des rein bürgerlichen Regierungsrats mehr in die Opposition gehen und politische Vorstösse noch stärker hinterfragen als bisher.

«Wir werden noch mehr über den parlamentarischen Weg gehen. Das heisst, via Anfragen, aber auch via Vorstössen im Parlament reagieren», ist sich Hürlimann sicher. «Tendenziell werden wir so mehr in einer Oppositionsrolle wahrgenommen werden, da wir auch bei kleineren Vorlagen Paroli bieten müssen.» Auch werde es wohl vermehrt Abstimmungen und Referenden zu Sachgeschäften geben.

Der Steinhauser Andreas Hürlimann (Grüne) schaffte es auch nicht in den Regierungsrat. Er wittert nun die Chance der Linken in einer starken Opposition.

Der Steinhauser Andreas Hürlimann (Grüne) schaffte es auch nicht in den Regierungsrat. Er wittert nun die Chance der Linken in einer starken Opposition.

(Bild: zvg)

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